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Stadt und Region in der Merowingerzeit (600–751)

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Die düstere Quellenlage für Worms ist zwar sicher eine Folge der Randlage des Mittelrheingebiets in der Merowingerzeit, aber auch dem Umstand geschuldet, dass die uns erhaltenen erzählenden Quellen überwiegend aus westfränkisch-neustrischer oder burgundischer Perspektive geschrieben sind. Nicht nur Worms, auch die anderen alten mittelrheinischen römischen civitates, Mainz und Speyer, sind in dieser Zeit nur schwach dokumentiert. Fränkische Große und merowingische Könige waren aber durchaus am Rhein und darüber hinaus tätig.

Erstmals im frühen Mittelalter wird Worms in der Chronik des so genannten Fredegar erwähnt, eines burgundischen Autors, der wohl um 658/60 schrieb: Königin Brunichilde floh 613 mit ihren Urenkeln, den Söhnen des verstorbenen Königs Theuderich, vor den Anhängern König Chlothars II. nach Worms, um von hier aus Hilfe von den »Völkern jenseits des Rheins«13 zu bekommen, jedoch ohne Erfolg: Brunichilde wurde wenig später gefangen genommen und grausam hingerichtet. Die Erinnerung an diese herausragende Frauengestalt der Merowingerzeit scheint sich jedoch gehalten zu haben, wie die Gestalt der Brunhilde in der Nibelungensage zeigt14.

Auch die Bischöfe der Merowingerzeit sind kaum bekannt; insgesamt kennt man aus fünf Quellenstellen, von denen jede für sich problematisch ist, vier Bischöfe. Nachdem sich Chlothar II. 614 als einziger fränkischer König durchgesetzt hatte, berief er eine Reichsversammlung und eine Synode in Paris ein; die Beschlüsse der Synode wurden unter anderem vom Wormser Bischof Berthulf unterschrieben. Dies ist die erste Erwähnung eines Wormser Bischofs und Bistums15; im gleichen Dokument findet sich auch zum ersten Mal ein Speyerer Bischof. Berthulfs germanischer Name deutet darauf hin, dass er eher Franke als Romane war; mehr ist über ihn nicht bekannt. Auch über seine Nachfolger wissen wir nur wenig, da uns eine zuverlässige Bischofsliste fehlt und wir deshalb auf zufällige Erwähnungen in den seltenen Quellen angewiesen sind.

Bischof Amandus ist nur aus der oben erwähnten Urkunde König Dagoberts von angeblich 628 bekannt. Sie beruht wohl auf einer echten Vorlage, die aber eher Dagobert III. (711–715) zuzuweisen ist16; es wäre auch möglich, dass Dagobert I. tatsächlich eine Immunitätsurkunde für einen Bischof Amandus von Worms ausstellte17. Sein Name ist identisch mit dem eines bekannten Missionars, der im späteren 7. Jahrhundert vor allem im Gebiet des heutigen Belgiens tätig war und schon bald als Heiliger verehrt wurde. Auch wenn mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass die Erinnerung an den Missionar mit der an den Wormser Bischof verschmolz, deuten das seltene Patrozinium der 1007 erstmals bezeugten Amanduskirche und seine Verehrung als Patron des Bistums und der Stadt auf eine lokale Tradition hin18.

Wimpfen am Neckar, ein Stift in Wormser Besitz, führt seine Gründung im 13. Jahrhundert auf einen Bischof Chrodoald von Worms zurück19. Eine Urkunde für das Kloster St. Dié in den Vogesen aus der Zeit zwischen 662 und 675 wurde von zahlreichen Bischöfen bezeugt; neben den leicht zu identifizierenden Bischöfen von Speyer, Metz, Toul, Verdun, Straßburg und Trier findet sich in der Urkunde ein Chroabald20. Da bis auf Mainz und Worms sonst wohl alle Bistümer der Umgebung vertreten waren, ist dies möglicherweise eine verschriebene Version des Namens Chrodoald, der somit im 7. Jahrhundert Bischof von Worms gewesen sein könnte.

Der nächste bekannte Bischof, Rupert, ist in Worms urkundlich nicht belegt. Als Gründungsheiliger von Salzburg hat er im späten 8. Jahrhundert eine Lebensbeschreibung erhalten, von der zwei in einigen Details unterschiedliche Versionen überliefert sind21. In beiden Viten wird berichtet, dass er Bischof von Worms war, aus königlichem Geschlecht stammte und auf Einladung des bayerischen Herzogs Theodo wohl 696 nach Regensburg ging. Historiker haben daraus geschlossen, dass er möglicherweise in Opposition zum aufstrebenden karolingischen Hausmeier Pippin dem Mittleren stand. Während die ältere Version A davon spricht, dass er die Bayern im Glauben bestärkte, geht die Vita B davon aus, dass er als Missionar tätig war22. Beide berichten, dass er im Land umherreiste und schließlich vom Herzog die alte Stadt Salzburg erhielt, wo er mehrere Kirchen und Klöster gründete23. Als Ausstattung erhielt er Güter, die weit über die Schenkungen an die anderen Bistümer Bayerns hinausgingen und die unter anderem dazu führten, dass Salzburg zum wichtigsten bayerischen Bistum und schließlich 782 Erzbistum wurde24. Wahrscheinlich um 712 kehrte Rupert kurzzeitig in seine Heimat zurück, laut den Viten, um dort Gefährten für seine Arbeit in Bayern zu finden; möglicherweise besteht aber auch ein Zusammenhang mit der Schwächung des alten Hausmeiers Pippin in dieser Zeit. Mit zwölf Anhängern und einer verwandten, Gott geweihten Jungfrau namens Erintrud kam er zurück nach Salzburg. Nach Vita B, die in diesem Fall glaubwürdig erscheint, kehrte er vor seinem Tod nach Worms zurück, wo er nach 715 verstarb25; seine Gebeine wurden wohl 774 von Bischof Arn nach Salzburg überführt. Auffälligerweise wurde er, vielleicht aus Rücksichtnahme auf das kanonische Recht, das es einem Bischof verbietet, ein weiteres Bistum zu übernehmen, nie als Bischof von Salzburg bezeichnet, obwohl er klar als Gründungsfigur des Bistums dargestellt ist. Auch in Worms hielt sich eine lokale Rupert-Tradition, wie die allerdings erst 1140 bezeugte Kirche St. Rupert zeigt26.

Während in Gallien und Italien die Grenzen der römischen civitates, der römischen Verwaltungseinheiten um eine Stadt herum, allgemein für das Bistum beibehalten wurden, war die Kontinuität dafür am Rhein zu gering. Rechtsrheinisch, im Gebiet bis zum Limes, wo die römische Ordnung schon im 3. Jahrhundert zerfiel, mussten neue Gebiete und Einflussbereiche erschlossen werden, die sich wohl erst nach dem Tod des Bonifatius im Jahr 754 festigten. Man kann sogar die Entwicklung der Bistumsgrenzen als eine Art »Wettlauf« der Bistümer Mainz, Trier, Worms und Speyer um die von kirchlicher Organisation noch unberührten rechtsrheinischen Gebiete deuten27. Trier orientierte sich an der Lahn, während Mainz dem Lauf des Mains folgte, aber auch weit nach Süden ausgriff, sodass das unmittelbare rechtsrheinische Vorland von Worms zur Mainzer Diözese gehörte; daher lag auch das später wichtige Kloster Lorsch nicht im Wormser Bistum. Die Wormser Diözese entwickelte sich, wie die Forschung aus der Besitz- und Patroziniengeschichte schließt, am Neckar entlang28 und hatte um 670, wenn die Wimpfener Gründungstradition einen historischen Kern hat, schon Wimpfen erreicht29. Auch die Wormser Position in Ladenburg, einem alten römischen Vorposten, die erst im 10. Jahrhundert gesichert ist, wird weiter zurückreichen, kann aber nicht über die gefälschte Dagoberturkunde auf 628 zurückgeführt werden30. Ladenburg scheint aber, wie die Bezeichnung als civitas publica, die Benennung des Lobdengaus und zahlreiche Urkundenausstellungen dort zeigen, eine zentrale Rolle im Gefüge der Region im frühen Mittelalter innegehabt zu haben. Ab 742 wurde die weitere Entwicklung des Bistums nach Osten durch die Gründung des Bistums Würzburg durch Bonifatius verhindert. Es ist nun auffällig, dass die gleichzeitig gegründeten Bistümer Büraburg (bei Fritzlar) und Erfurt, die die Mainzer Diözese nach Osten abgeschlossen hätten, nach der Ernennung des Bonifatius zum Mainzer Bischof oder spätestens unter seinem Schüler und Nachfolger Lull wieder untergingen und in das Bistum Mainz integriert wurden, während Würzburg bestehen blieb. Wir kennen den Wormser Bischof zur Zeit des Bonifatius nicht; er ist jedoch nicht als Teilnehmer der Reformkonzilien bezeugt, die Bonifatius in den 740er Jahren im Frankenreich abhielt. Daher liegt der Verdacht nahe, dass der Wormser Bischof, wie seine Mitbischöfe Milo von Trier und Gewilib von Mainz und wahrscheinlich auch der gleichfalls unbekannte Speyerer Bischof zu den Gegnern des Bonifatius zählte. Diese »falschen Priester«, wie sie in den Akten der Reformsynoden und in den Briefen des Bonifatius bezeichnet werden, vergnügten sich auf der Jagd, hielten Falken und Hunde, nahmen an Kriegszügen teil – pflegten also eine aristokratische Lebensweise wie ihre weltlichen Brüder; Bischof Gewilib von Mainz soll gar Blutrache geübt haben31. In diesem Fall wäre es nicht verwunderlich, wenn Bonifatius oder Lull dafür gesorgt hätten, dass Worms im Osten nicht weiter expandieren konnte, um damit die Früchte der jahrzehntelangen Missions- und Reformarbeit des Bonifatius und seiner Schüler im mainfränkischen Raum zu ernten.


Karte 5: Das Bistum Worms im Mittelalter

Aber auch schon vor Bonifatius scheint das Bistum eine schwache Stellung im Vergleich mit den Nachbarn gehabt zu haben, denn nach Westen entwickelte es sich lediglich entlang der wichtigen Straße nach Metz bis zur Kaiserslauterner Senke, wurde aber auch hier eingeengt von Speyer und Mainz. So ergab sich die eigentümliche Sichelform des Bistums mit einer Ausbuchtung links des Rheins nach Norden32.

Bemerkenswert ist auch, dass sich in der Wormser Diözese keine so bedeutsamen Klöster wie in den Nachbardiözesen Speyer (Weißenburg, Klingenmünster), Mainz (Lorsch, Hersfeld), Metz (Hornbach) und Würzburg (Fulda) entwickelten. Für die Zeit bis 1000 kennt man in der Diözese nur wenige kleinere Klöster: Heiligenberg, eine Lorscher Propstei, die um 882 gegründet wurde und bald wieder unterging, das Kloster Ellwangen in Schrießheim, das wohl im 10. oder 11. Jahrhundert gegründet wurde und die Gorzer Filiale St. Georgenberg in Pfeddersheim33. Das lothringische Kloster Gorze, aus dem auch die ersten Mönche des Klosters Lorsch kamen, hatte bereits 793 eine Kirche in Pfeddersheim; die Entstehungszeit des Priorats, das erst 1156 belegt ist, könnte im 10., aber auch im 12. Jahrhundert liegen34. Das Wormser Frauenkloster Nonnen- oder Mariamünster, angeblich eine Gründung Ludwigs des Frommen35, ist zuerst 1016 belegt, wurde also auch wahrscheinlich vor 1000 gegründet. Die geringe Prominenz der Wormser Bischöfe der Merowingerzeit in den Quellen scheint also auch die Schwäche ihrer Position widerzuspiegeln. Weniger noch als über die Bischöfe können wir über die anderen Bewohner der Stadt und des Umlandes sagen, von denen so gut wie kein einziger Name bekannt ist. Auch über die Stadt selbst ist fast nichts bekannt; ja sie wird in den Quellen kaum einmal genannt, doch sollte sich dies bald ändern.

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