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Die Mauern von Worms

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Eine Ummauerung in der römischen Kaiserzeit hat es, wie wir sahen, nicht gegeben, Wunschdenken wandelte eine mit der Feder gezogene Linie in Stein um. In der Spätantike macht hingegen das neue Verteidigungssystem Kaiser Valentinians I. eine Befestigung unabdingbar. Der Kaiser selbst inspizierte den Rhein in den 360er Jahren und erließ an verschiedenen Orten Gesetze, so auch in Worms99. Die Grabungen an St. Paulus haben erstmals Bautätigkeiten des späten 4. Jahrhunderts nachgewiesen. Der oben dargestellte Abriss der Häuser, die Planierung des Geländes sind durch Münzen und Argonnensigillaten datiert. In diesen baulichen Zusammenhang gehört von der Stratigrafie her auch eine Mauer entlang der östlichen Terrassenkante, der Bauhofgasse. Sie bildete in der Folge den Ostabschluss der Salierburg. Der Mauerzug diente, immer wieder repariert, auch als die erste mittelalterliche Stadtmauer. Den Stiftsherren von St. Paulus wurde schriftlich gestattet, Türen »zu eigenem Gebrauch« in die Stadtmauer brechen zu lassen – diese Durchgänge wurden an der Bauhofgasse, irgendwann wieder zugemauert, auch gefunden. Als die Pauluskirche ab 1002 erbaut wurde, übrigens mit einem dreiapsidalen Ostabschluss100, nicht mit einem geraden, musste die Terrassenkante wohl verstärkt werden. Die in diesem Bereich eingesetzten massiven Quader zeigen ähnliche Schraffuren wie solche im südlichen Westturm des Domes, den man in die Zeit Bischof Burchards datiert. Auf der Innenseite war eine auffällige Steinsetzung in etwa einem Meter Höhe über dem damaligen Laufniveau vorgenommen worden: eine Reihe abwechselnd weißer und roter Sandsteine. Eine ebensolche Reihe ist an der Westseite der Stadtmauer zu sehen, und zwar dicht über dem Teil, der wohl am besten als Rest eines der römischen Tempelgebäude zu deuten ist (vgl. Karte 4 Tafel 5 und Abb. 8).


Abb. 8: Teil der Stadtmauer auf der Westseite am Heylshofgarten

Die Verfasserin war schon 1986 der Meinung, hier sei eine römische Hauswand in die Stadtmauer integriert worden. Der Befund an der Bauhofgasse legt nun nahe, an beiden Stellen Reste valentinianischer Bautätigkeit zu sehen. Das Hantor (Hafentor?) an der Westseite ist leider bei keiner modernen Baumaßnahme von Archäologen gesichtet worden, doch selbst nach der winzigen Zeichnung in Peter Hammans Vogelschau könnte man noch einen römischen Bau vermuten. Im weiteren Verlauf ist die spätrömische Mauer nicht gesichert. Auf der Südseite bietet sich die Linie Andreasstraße – Wollstraße an, die Gründe hierfür liegen in Beobachtungen Koehls und Weckerlings, die von massiven Fundamenten in einiger Tiefe berichteten. An der Nordseite könnte allenfalls die Rodensteinerhofgasse, die einen Geländesprung markiert, einen Anhaltspunkt geben, doch wäre auch die Linie Hardtgasse – Paulusstraße denkbar.

Dies müsste oder könnte die urbs antiqua sein, die in einer Urkunde Ottos II. im Jahr 979 Erwähnung findet101. Daraus ergibt sich sofort die Frage nach der urbs nova des 10. Jahrhunderts. Aus archäologischen Beobachtungen geht hervor, dass die Stadtmauern sehr unterschiedlich errichtet wurden: Im Westen und Süden präsentiert sich kleinteilig zusammengesetztes, buntes Mauerwerk, die den Wehrgang tragenden Stützpfeiler sind nachträglich (in einer späteren Phase?) angesetzt, während auf der Nordseite gleichmäßige Steinlagen sichtbar wurden und die tief fundamentierten Pfeiler im Verbund mit der Mauer errichtet worden sind. Die kleinteilig zusammengesetzten Partien überformen auch die römische Partie im Westen.

Die urbs nova, die Neustadt des 10. Jahrhunderts, müsste sich in der Wormser Mauerbauordnung widerspiegeln, die in der Zornschen Chronik des 16. Jahrhunderts dem Bischof Thietlach um 900 zugeschrieben wird. Wie immer man diese Beschreibung des Mauerringes interpretiert: Sie passt wörtlich weder auf die Nord- noch auf die Süderweiterung. Vermutlich berücksichtigen die modernen Historiker die Interpretationen aus der Zeit des 16. Jahrhunderts nicht. Friedrich Zorn hatte ja den letzten Zustand der Stadtmauer vor Augen und nicht ältere Phasen. Eine erste Erweiterung nach Süden (Andreasstraße bis Neusatz, heute Willy-Brandt-Ring) kann aus archäologischen Gründen durchaus dem 10. Jahrhundert zugeschrieben werden. Das Andreasstift dürfte 1020 an diese Mauer gesetzt worden sein, vielleicht nahe an St. Magnus, ähnlich wie das Stift St. Paulus 1002 innerhalb der Befestigung an die ostseitige Mauer neben St. Rupertus gebaut worden war.

Mit dem nördlichen Mauerbogen müssen weit reichende Planungen verbunden gewesen sein. Die römische Mauer könnte noch zwei Ausgänge nach Norden gehabt haben. Nun gibt es nur noch ein Tor nach Norden, das Martinstor. Sowohl die Martinsgasse, ausgehend von der unter Burchard begonnenen Martinskirche, als auch die Judengasse wurden im Zuge der Mauer mitgeplant. Es sei hier die Vermutung geäußert, dass der gesamte Bogen mit dem Entwurf des Nordteils der Stadt verbunden war. Die Friedrichstraße dürfte kein römischer Straßenzug sein – der eher unter der modernen Karolingerstraße zu vermuten ist –, sondern eine Umlegung der Straßentrasse darstellen. Dadurch ließ man zwei alte Straßen (heutige Kämmerer- und Römerstraße) auf ein neues Tor zulaufen und erübrigte somit den Bau eines zweiten. Nun befand sich die alte Handelssiedlung, die wir im Bereich oder Umkreis der 1034 gegründeten Synagoge vermuten dürfen, innerhalb der Mauern.

An der Westseite der mittelalterlichen Stadt besitzt Worms mit seiner Stadtmauer ein einzigartiges Monument, steingewordene Stadtgeschichte: Vom römischen Tempelrest über die Kastellmauer des 4. Jahrhunderts bis zur Befestigung des 10. Jahrhunderts ist hier jede Epoche ablesbar, und noch der große Aufschwung der Stadt durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert hinterließ seine Spuren, indem für ein Stadtpalais der Familie von Heyl die Mauer teilweise in den romantischen Garten einbezogen und eine künstliche Grotte angelehnt wurde.

Bei der nächsten Stadterweiterung, die sich nicht auf das Land im Westen, sondern zum Rhein hin erstreckte, können wir dank mehrerer archäologischer Untersuchungen (Fischmarkt, Mähgasse, Mayfels) mit gesicherten Daten argumentieren. Der Bereich des mutmaßlichen Hafens war im 12. Jahrhundert so weit verlandet, dass Häuser erbaut werden konnten. Allerdings waren dazu massive Pfahlgründungen notwendig, noch heute ist der Boden so feucht, dass Keller zumeist nicht geplant werden. Eine Reihe der Pfähle aus verschiedenen Baugruben konnte mittels der Dendrochronologie datiert werden, wobei sich Fälldaten um 1104, 1118, um 1143 ergaben. Um 1200 errichtete man dann an der Ostseite der mittelalterlichen Stadt die noch heute in großen Partien sichtbare Mauer aus Sandsteinquadern. Bauholz wurde im Mittelalter nach dem Schlagen sofort verwendet. Das Fälldatum 1196 erscheint mehrfach an Bauhölzern, die im Umkreis des Turms Mayfels gezogen wurden, wo sie möglicherweise in einer Spundwand saßen102. Der Wehrgang, und damit die Mauer, wurde auf der Ostseite der Stadt wenigstens einmal erhöht.

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