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Worms im ostfränkischen Reich (843–911)

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Auch wenn 843 niemand ahnen konnte, dass mit dem Teilungsvertrag von Verdun eine der »großen Zäsuren der europäischen Geschichte angelegt wurde«90, bedeutete die Reichsteilung von 843 trotz einer kurzzeitigen »Wiedervereinigung« unter Karl III. das Ende des karolingischen Großreichs, und Worms geriet wieder an die Peripherie des (nun ostfränkischen) Reichs. Ludwig der Deutsche (840–876) hielt sich häufiger in Frankfurt oder Regensburg auf. Dennoch scheinen in Worms gerade Versammlungen stattgefunden zu haben, die von besonderer Wichtigkeit waren, oder wenn die verkehrsgünstige Lage zum Westfrankenreich genutzt werden sollte. So sammelte Ludwig 858 hier sein Heer, um nach Westen zu ziehen, wo er innere Unruhen dazu ausnutzen wollte, selbst die Herrschaft zu übernehmen. Nachdem er dort politisch und militärisch gescheitert war, kehrte er nach Worms zurück und empfing hier im Sommer 859 westfränkische Gesandte zu Verhandlungen, die auf dem Rhein bei Andernach fortgesetzt und schließlich 860 im Frieden von Koblenz besiegelt wurden. 862 hielt Ludwig noch einmal eine Reichsversammlung in Worms ab, 865 und 866 traf er sich in Worms mit dem päpstlichen Gesandten Arsenius, der im Konflikt zwischen Ludwig und seinen Neffen Ludwig von Italien und Lothar II. vermitteln sollte. Im November 866 fand hier die offizielle Versöhnung zwischen Ludwig und seinem aufständischen Sohn Ludwig dem Jüngeren (876–882) statt. Dazu kommen noch Aufenthalte und Reichsversammlungen in der Wormser Region in Trebur (871, 873, 874), Bürstadt (861, 870, 873) und Gernsheim (871).

Wichtiger noch als die Herrscheraufenthalte war wohl das Konzil von Worms im Jahr 86891, auf dem fast alle ostfränkischen Bischöfe anwesend waren und Beschlüsse über das Verhalten von Laien und Geistlichkeit fassten92. Es dürfte kein Zufall sein, dass die ostfränkischen Synoden häufig in den alten Bischofsstädten Mainz (847, 848, 852, 877/78, 888) und Worms (868, 891) stattfanden93, da diese beiden Orte mit (dem unbedeutenden, gar einmal als »Kuhdorf« bezeichneten94) Speyer die ältesten, womöglich auch größten und am stärksten von der galloromanisch-fränkischen Tradition geprägten Bischofsstädte in Ludwigs Reich waren. Zu diesem Prestige kam wahrscheinlich auch ein höherer Grad an Schriftlichkeit verglichen mit den erst wenige Generationen vorher ins Frankenreich integrierten rechtsrheinischen Gebieten. Beide Faktoren dürften dazu beigetragen haben, dass man hier dem westfränkischen Vorbild zu folgen vermochte, wo sich eine stärker schriftlich geprägte Kultur der Gesetzgebung hielt, von der auch zahlreiche Konzilscanones und königliche Kapitularien zeugen.

Auch unter den Nachfolgern Ludwigs des Deutschen fanden noch etliche Reichsversammlungen/Hoftage in Worms und am Mittelrhein statt. Ludwig der Jüngere (876–882), der schon 875 seine Großen in Trebur versammelt hatte, hielt 880 in Worms eine Reichsversammlung und zog von dort gegen die Normannen, die sich in der Pfalz Nimwegen festgesetzt hatten. Nach Ludwigs frühem Tod übernahm sein jüngster Bruder Karl (III., 876–887), der zuvor schon Alemannien regiert hatte, die Gebiete Ludwigs und des schon 880 verstorbenen Bruders Karlmann von Bayern. 882 ließ er sich, nachdem er in Rom zum Kaiser gekrönt worden war, in Worms von den ostfränkischen Großen huldigen. Dorthin kamen auch Flüchtlinge vom Niederrhein, die von den Normannen vertrieben worden waren, weshalb auf der Versammlung ein Feldzug gegen die immer wieder den Rhein heraufziehenden Heere aus dem Norden beschlossen wurde. Nachdem dieser im Herbst gescheitert war, fand im November erneut eine Versammlung in Worms statt, auf der, wie der Fuldaer Annalist schrieb, wenig Nützliches beschlossen wurde; freilich wurden mehrere auswärtige Gesandtschaften empfangen, ebenso wie im Frühjahr 884 und 885, als in Worms auch westfränkische Bischöfe und Grafen anwesend waren, da Karl inzwischen nach dem Tod der Söhne Karls des Kahlen 884 auch die Herrschaft im Westfrankenreich übernommen hatte. In seiner Person war das Karlsreich noch einmal vereinigt, doch schon 887 wurde Karl, von inneren und äußeren Gegnern bedrängt und durch Krankheit geschwächt, in Trebur von seinem Neffen Arnulf von Kärnten (887–899) gestürzt und musste sich nach Alemannien zurückziehen, wo er kurz darauf starb. Da Arnulf nur die Herrschaft im ostfränkischen Reich übernahm, gehörte das karolingische Großreich nun endgültig der Vergangenheit an. Schon 888 war Arnulfs Position so gefestigt, dass er auf einem Hoftag in Worms in den westfränkischen Thronstreit um die Nachfolge Karls III. eingreifen konnte. Gegen die Anhänger seines Verwandten Karl, der noch ein Kind war, unterstützte er Odo, den Sohn Roberts des Tapferen. Im Sommer 888 huldigte Odo, der mutmaßliche Nachfahre der mittelrheinischen Rupertiner, Arnulf in Worms95. 894, beim nächsten in Worms bezeugten Reichstag, vollzog Arnulf eine Kehrtwende: Nun unterstützte er gegen Odo den Karolinger Karl (»den Einfältigen«). Die verworrene Situation im westfränkischen Reich war auch ein Thema der nächsten Versammlung in Worms im Jahr 895, als Arnulf, auf dem Höhepunkt seiner Macht von der großen Synode in Trebur kommend, die beiden Könige zur Schlichtung zu sich rief. Es kam jedoch nur Odo, der von Arnulf erneut als König anerkannt wurde. Seinen eigenen Sohn Zwentibold setzte Arnulf damals zum König der immer wieder zwischen dem westlichen und östlichen Frankenreich umstrittenen Regionen Lothringen und Burgund ein, die seit 869 bzw. 879/80 zum ostfränkischen Reich gehörten; seine letzte Reichsversammlung in Worms fand 897 statt.

In der Regierungszeit Arnulfs lebten auch die Synoden wieder auf; neben einer Synode in Worms im Jahr 891 ist vor allem die große Synode von Trebur 895 zu nennen, die einen Höhepunkt und zugleich das Ende der ostfränkischen Synodaltätigkeit in der Karolingerzeit markiert96. Dort wurde die Verpflichtung des Königs betont, Vergehen gegen die Kirche und ihre Ordnung zu verfolgen und sie vor den Übergriffen von Laien zu schützen97.

Von Arnulfs Sohn Ludwig dem Kind (899–911), kennen wir keine Aufenthalte in Worms, obwohl er mehrfach in Trebur war (900, 906, 910).

Über Samuels Nachfolger im Wormser Bischofsamt, Gunzo (vor 858–875) und Adalhelm (875–nach 888), wissen wir wenig. Gunzo war 858 wie bereits Bernhar als missus in Speyer tätig98, wo er zwischen dem dortigen Bischof und den Erben eines Schenkers vermittelte. Obwohl in seiner Amtszeit, im Jahre 872, der erst von Samuel erneuerte Dom vom Blitz getroffen wurde und abbrannte, erfahren wir nichts über den Wiederaufbau. Dagegen wissen wir von Adalhelm immerhin, dass er eine Beziehung zum Cyriacus-Stift hatte. Wenn Adalhelm seine Ausbildung in St. Gallen und, trotz seiner Herkunft aus dem Thurgau, in St. Cyriacus erfahren hatte, könnte dies ein Indiz für die Entwicklung dieser Einrichtung zu einer weithin bekannten, wichtigen Ausbildungsstätte für Geistliche und für die hohe intellektuelle Bedeutung der Stadt Worms in dieser Zeit sein99. Adalhelm gehörte der Hofkapelle Ludwigs des Deutschen an und wurde, gefördert von Grimald, Erzkaplan und Abt der wichtigen Klöster Weißenburg und St. Gallen, als noch nicht einmal 32-Jähriger zum Bischof ernannt100. Mehr wissen wir über Adalhelms Nachfolger Thietlach (vor 891–914), der vom guten Verhältnis Arnulfs zu den Bischöfen profitierte, das sich auch in massiven Besitzübertragungen äußerte. Insgesamt erhielten das Bistum und das St. Cyriacus-Stift in Neuhausen vier Schenkungen Arnulfs, zunächst 27 Hufen in Oppenheim, Horchheim und Weinsheim, dann das Land, das fünf königliche servitores in der Stadt besaßen, denen später die servitores selbst folgten, und schließlich weiteres Land in Oppenheim, Horchheim, Weinsheim und Worms mitsamt elf zu Reiterdiensten verpflichteten zinspflichtigen Fiskalinen und ihren Familien101. Darüber hinaus erhielt er von Ludwig, der 904 die Schenkungen seines Vaters bestätigte, 906 noch fünf Hufen in Eich und Besitz in Deidesheim102. Auch sonst scheint Thietlach offensiv Besitzerwerbungen angestrebt zu haben, wie eine Urkunde von 891 zeigt, in der das St. Cyriacus-Stift gegen die Verleihung von Gut an sieben Orten zwischen Bingen und Alzey Gut im Donnersberggebiet erhielt, das allerdings auf die Lebenszeiten der Schenker Graf Erinfrid und seiner Frau Altgunde in deren Verfügung bleiben sollte103.

Durch diese Schenkungen, die einen wesentlichen Teil des Königsguts in der Stadt an den Bischof übertrugen, entwickelte sich der Bischof allmählich, auch wenn der Begriff anachronistisch ist, de facto zum Stadtherrn. Klar zeigt sich diese Position bei der wohl von Thietlach erlassenen Mauerbauordnung, die den Bischof in der Verantwortung für die Befestigung der Stadt zeigt. Wahrscheinlich ließ Thietlach sie als Reaktion auf die Gefahr durch die Normannen, die 882 Trier verheerten und bis nach Mainz vordrangen, erneuern und gar teilweise neu errichten104. Die erstarkte Stellung des Bischofs in der Stadt bedeutete jedoch nicht, dass die Könige in der Folgezeit aus Worms verdrängt worden wären; wenn sie sich in der Stadt aufhielten, dürften sie von nun an jedoch zumindest in der Versorgung der noch im 10. Jahrhundert belegten königlichen Pfalz105 vom Bischof abhängig gewesen sein.

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