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Die Blütezeit des hohen Mittelalters: Von Bischof Burchard zum Rheinischen Bund (1000–1254) GEROLD BÖNNEN Überlieferungslage und Forschungsstand zum Hochmittelalter

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Die Geschichte von Worms erreicht mit dem Wachstum der Bedeutung der Stadt, ihrem zunehmenden politischen, wirtschaftlichen und religiös-geistlichen Gewicht sowie ihrer baulichen Ausgestaltung während des hohen Mittelalters unzweifelhaft einen Gipfelpunkt. Die Quellenlage für die Analyse der Zeit zwischen der Jahrtausendwende und der Mitte des 13. Jahrhunderts ist allerdings alles andere als befriedigend. Hinsichtlich des Urkundenmaterials ist nach wie vor das 1886 im ersten Band erschienene Wormser Urkundenbuch von Heinrich Boos maßgeblich, daneben die Ausgabe der Hessischen Urkunden von Ludwig Baur1. Die Königsdiplome sind nahezu alle in den entsprechenden Bänden der Urkundenserie der Monumenta Germaniae Historica greifbar oder in den Regesta Imperii nachgewiesen. Von zentraler Bedeutung für die frühe Überlieferung der Wormser Domkirche ist dabei das in Hannover verwahrte Chartular aus der Mitte des 12. Jahrhunderts2. Besonders schmerzlich ist das Fehlen von Regesten bzw. einer Ausgabe der Urkunden der Wormser Bischöfe, wodurch der Quellenteil in Schannats Historia episcopatus Wormatiensis (1734, Bd. II) nach wie vor herangezogen werden muss. Wichtig für die hoch- und spätmittelalterliche Wormser Stadt- und Bistumsgeschichte ist die urkundliche Überlieferung der Zisterzienserklöster Schönau und Otterberg3. Zahlreiche Urkunden zu Worms und seinem Umland enthält der 1997 in das Landesarchiv Speyer gelangte Gatterer-Apparat, eine für die Region Rheinhessen/Pfalz bedeutsame Urkundensammlung4. Der weitaus größte Teil der Archivalien der vormals bestehenden Wormser geistlichen Institutionen befindet sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt (v.a. Best. A 2 Urkunden Rheinhessen; Best. C Handschriften, Kopialbücher etc.)5. Bedauerlich ist das weitgehende Fehlen von Memorialquellen6, wohingegen die Wormser Inschriften 1991 von Rüdiger Fuchs in einer grundlegenden Edition mit ausführlichen und sehr wertvollen überlieferungsgeschichtlichen und quellenkritischen Bemerkungen zu zentralen mittelalterlichen Quellen der Stadt- und Kirchengeschichte der Forschung zur Verfügung gestellt wurden; die Zeit von ca. 1000 bis um 1250 ist hierbei mit ca. 40 Stücken vertreten7.

Hinsichtlich der erzählenden Quellen erweist sich die Lage für die Zeit vor 1250 als ebenfalls relativ dürftig. Sieht man einmal von der sehr wichtigen Vita Bischof Burchards (um 1030/40) und der bald nach 1135 aufgezeichneten aufschlussreichen Lebensbeschreibung Eckenberts, des aus Worms stammenden Gründers des Chorherrenstifts in Frankenthal, ab8, so finden sich bis in die 1220er Jahre und damit zum Einsetzen der bemerkenswerten und sehr wichtigen städtischen Wormser Annalen bzw. des aus bischöflicher Warte verfassten Chronicon Wormatiense9 kaum erzählende Quellen zur Wormser Stadt- und Kirchengeschichte. Für die Zeit Bischof Burchards (1000–1025) treten neben Urkunden und der Lebensbeschreibung noch die so genannte Ältere Wormser Briefsammlung und das Hofrecht für die bischöfliche Familia hinzu10. Die archäologischen Zeugnisse haben bislang nur punktuell überzeugende Beiträge zur Aufhellung der Stadtentwicklung in der fraglichen Zeit liefern können11. Nicht unwichtig sind für die jüdische Gemeinde – aber auch für Fragen der Wormser Stadtgeschichte insgesamt – die hebräischen Quellen aus dem Umfeld des ersten Kreuzzugs12.

Die wissenschaftliche Forschung des späten 19. Jahrhunderts hat sich intensiv und in zeitbedingter, aus heutiger Sicht einseitig rechts- und verfassungsgeschichtlicher Fragestellung mit Aspekten der Wormser Stadtverfassung beschäftigt, wovon die im ersten Band 1897 erschienene »Geschichte der Rheinischen Städtekultur« des Altmeisters der Wormser Stadtgeschichte, Heinrich Boos13 (1859–1917), Zeugnis ablegt. Die weitere Forschung zur Wormser Stadtgeschichte stand noch sehr lange Zeit im Bannkreis der bürgerlich-liberal-antiklerikalen Stadtgeschichtsschreibung der Zeit und hat beispielsweise die Bedeutung der geistlichen Institutionen für die Stadtentwicklung viel zu lange zu wenig beachtet bzw. das Verhältnis von Bischof und Geistlichkeit zur Stadt ganz einseitig beurteilt.

Hinsichtlich des bedeutendsten Wormser Bischofs, Stadt- und Bauherrn Bischof Burchard (1000–1025) hat das Jubiläumsjahr 2000 eine Reihe wichtiger neuer Forschungen auch zur Stadtgeschichte angeregt, die unsere Kenntnisse über diese für die Stadt höchst wichtige Zeit nachdrücklich verbessert haben14. Besonderes Interesse galt in letzter Zeit Fragen der Topografie, der Entwicklung der sakralen Ausstattung und der äußeren Stadtentwicklung15, wiewohl hier noch zahlreiche Fragen offen und etliche Aspekte kaum untersucht sind (vgl. die Karte 8 auf S. 141). Über die Entwicklung von Stadtverfassung und Stadtgemeinde für den Zeitraum von ca. 1070 bis 1233 liegt – in vergleichender Perspektive und mit Blick auf die Nachbarstädte Mainz und Speyer – eine neuere Untersuchung vor, ebenso eine Studie zu Fragen der Verfassungstopografie und hier vor allem zur Bedeutung des Dombezirks für die Rechts- und Verfassungsgeschichte während des hohen und späten Mittelalters16. Für die Verfassungsgeschichte des 13. Jahrhunderts ist die Arbeit von Keilmann (1985) über den »Kampf um die Stadtherrschaft« grundlegend, die auch die reichsgeschichtlichen Bezüge und die Stellung der Bischöfe und der Geistlichkeit eingehend würdigt17.

Die Problematik der Ministerialität und Zensualität als wesentliche Triebfedern der Stadtentwicklung wurde seit den 1960er Jahren in einer Reihe grundlegender und weit über Worms hinaus für die Stadtgeschichtsforschung wegweisender Studien vor allem von Knut Schulz untersucht. Ihm verdankt die Forschung eindringliche Analysen zentraler Fragen der hochmittelalterlichen Wormser Geschichte18. Einige wichtige Axiome der Forschung über den Charakter der Ministerialität in Bischofsstädten sind in letzter Zeit, darunter in der Arbeit von Sabine Happ (2002), wieder stärker in die Diskussion geraten19. Wichtige Beiträge zur Frage nach der Herausbildung und den Besonderheiten der bischöflichen Dienstmannschaft verdanken wir Arbeiten von Thomas Zotz (1977) und Helge Seider (1978)20. Eine jüngere Untersuchung fragt – unter anderem am Wormser Beispiel – nach den Beziehungen zwischen südwestdeutschen Reformklöstern der Zeit um 1100 und den entstehenden bürgerlich-ministerialischen Führungsschichten in den rheinischen Kathedralstädten21. Die Wormser Bischöfe – auch und gerade in ihrer überaus engen Verbindung zur salischen und noch mehr zur staufischen Königsherrschaft – wurden für das 12. Jahrhundert 1995 sehr eingehend von Hubertus Seibert in den Blick genommen22. Andras U. Friedmann hat im selben Jahr eine materialreiche Untersuchung über die Beziehungen zwischen Bischöfen und Reich von ottonischer Zeit bis etwa 1125 vorgelegt, die für zahlreiche Detailfragen der Bischofsherrschaft und quellenkritische Aspekte der ottonischen und salischen Epoche wichtig ist23. Für die Beziehungen der Stadt zum Reich sei für die Zeit des 12. Jahrhunderts auf die Studien von Ferdinand Opll aufmerksam gemacht24. Zur Geschichte von Bistum und Hochstift während des hohen Mittelalters liegt seit 1997 neben der älteren, immer noch wichtigen Arbeit von Schaab (1966) eine zuverlässige handbuchartige Überblicksdarstellung bis zu dessen Ende 1801 vor25. Zu den Biografien der Bischöfe sei neben den genannten Arbeiten von Friedmann und Seibert jetzt auf einschlägige Handbuchartikel von Burkard Keilmann verwiesen26. Die im behandelten Zeitraum so reiche Baugeschichte spiegelt sich in einer umfangreichen kunstgeschichtlichen Literatur wieder, auf die an anderer Stelle eingegangen wird27. Wenig Beachtung haben – allerdings auch quellenbedingt – Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, des Handelslebens und Münzwesens für die Stadt und das mit ihr verflochtene fruchtbare, dicht besiedelte und von Weinbau geprägte Umland der Stadt28 gefunden29. Auf starkes Interesse stieß dagegen die bemerkenswerte Entwicklung der blühenden, weit ausstrahlenden, mit den Nachbargemeinden Mainz und Speyer auf das engste verwobenen Wormser jüdischen Gemeinde, deren hochmittelalterliche Geschichte in der Stadt vor dem Hintergrund der jüdischen Geschichte insgesamt angesichts zahlreicher ungeklärter Fragen und neuer Erkenntnisse über die größeren Zusammenhänge jüdischer Geschichte im mittelalterlichen Deutschland eine neue Gesamtdarstellung verdient hätte30.

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