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Vom Wormser Reichstag zur Sickinger Fehde (1495–1518)

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Im Jahr 1495 war Worms Schauplatz eines bedeutenden Reichstages, der von deutschen Historikern vielfach als Epochenwende in der Verfassungsgeschichte des Reiches, ja sogar als Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit bewertet worden ist124. Doch soll hier nicht auf die vielfachen Probleme und Ergebnisse der Reichsreform von 1495 – zum Beispiel den »Ewigen Landfrieden«125, das Reichskammergericht126 oder die Reichssteuer des »Gemeinen Pfennigs«127 – eingegangen werden. Vielmehr wird der Versuch unternommen, eine Bilanz des Wormser Reichstages für die Geschicke der Stadt selbst zu ziehen128. Worms war zum einen Tagungsort des Reichstages, die Gemeinde nahm zum anderen aber auch als »Freie Stadt« und Mitglied der Städtekurie daran teil129. Eine umfängliche zwischen Rat und König Maximilian I. ausgehandelte Ordnung, die in der Stadt angeschlagen wurde, regelte praktische und organisatorische Fragen der Versammlung. Sie umfasste Bestimmungen zur Unterbringung der Teilnehmer, zu Feuerbekämpfung und Glücksspiel oder legte Nahrungsmittelpreise fest. Für die öffentliche Sicherheit sorgten die Wormser Stadtknechte zusammen mit königlichen Truppen. Die geschätzte Zahl der Reichstagsteilnehmer von rund 6000 Menschen reichte beinahe an die Einwohnerzahl der Stadt (um 7000) heran. Der König stieg wie üblich im Bischofshof ab, die Fürsten mieteten sich in der Regel in repräsentativen Patrizierhäusern ein, und für eine Vielzahl von Besuchern dienten die Wormser Klöster – vor allem die der Bettelorden und die Johanniterkommende – als Quartiere. Das Gros des Begleitpersonals und die etwa 2000 Pferde wurden wohl in den dünn besiedelten Vorstädten untergebracht. Die großen Versammlungen des Reichstages traten im Ratssaal zusammen, die Kurien tagten im Bürgerhof, und die Städtevertreter trafen sich zu ihren Beratungen im gegenüberliegenden Haus der Schuhmacherzunft. Die Wormser »Münze« stand für gesellschaftliche Anlässe zur Verfügung, Veranstaltungen im Freien – wie feierliche Belehnungen oder Turniere – fanden auf dem Obermarkt am Neutor statt130. Selbst die Synagoge wurde von manchen Teilnehmern besucht, so von Pfalzgraf Philipp I., der sich den berühmten Gesang der Wormser Juden anhörte131. Der Konflikt der Stadtgemeinde mit Bischof Johannes von Dalberg dauerte indes ungeachtet des Reichstages an. Bereits im Jahr 1494 hatten die Wormser den Rat ohne Mitwirkung des Bischofs besetzt. Im Oktober 1495 wiederholten sie – trotz der Präsenz des Königs und der führenden Reichsstände in der Stadt – diesen provokanten Akt132. Der Konflikt mit dem Dalberger zog sich, zeitweise unter Verhängung des Interdikts und mit ergebnisloser Einbeziehung von Speyerer Vermittlern, bis zum Tod des Bischofs im Jahr 1503 hin133.

Ein weiterer Todesfall im selben Jahr, das Ableben Herzog Georgs von Bayern-Landshut im Dezember 1503, löste eine Krise aus, die auch Stadt und Bistum Worms in Mitleidenschaft ziehen sollte. Im Landshuter Krieg von 1504/05 kämpften die wittelsbachischen Linien Kurpfalz und Bayern-München, unterstützt von ihren Verbündeten, um das Landshuter Erbe134. Kriegsschauplätze am Rhein waren hauptsächlich die Bergstraße und Rheinhessen. Worms wurde zum Zufluchtsort für die Flüchtlinge aus pfälzischem und leiningischem Gebiet. Der Rat der Stadt unterstützte die landgräflich-hessischen Truppen gegen Kurpfalz. Diese zerstörten Biblis, Nordheim und die Strahlenburg bei Schriesheim. Im September 1504 belagerten sie über einen Monat lang erfolglos das pfälzische Kaub. Auch die Klöster Limburg an der Haardt und Disibodenberg fielen dem Krieg zum Opfer. Der neue Wormser Bischof Reinhard Rüppurr, dessen Residenz Ladenburg als wormsische Enklave mitten in pfalzgräflichem Gebiet lag, hatte sich auf die Seite von Kurfürst Philipp I. und dessen Sohn Ruprecht geschlagen. Der Rat der Stadt Worms nahm diese Parteinahme zum Anlass, die vor den Kampfhandlungen in die Stadt geflohenen Geistlichen auszuweisen. König Maximilian, der auf Seiten der Bayern stand und die Reichsacht über den Pfälzer Ruprecht verhängt hatte, unterstützte die Wormser. Am 29. August 1504 befahl er ihnen zunächst, das dem Pfalzgrafen im Schirmvertrag von 1483 zugesprochene jährliche Schutzgeld fortan dem König abzuliefern. Am 25. Februar 1505 übertrug er der Stadt die Rechte des ebenfalls geächteten Bischofs Reinhard an der Besetzung der Rats- und Gerichtsämter. Auch nach dem Waffenstillstand im Landshuter Krieg von 1505135 dauerten die Auseinandersetzungen zwischen den Wormsern und ihrem Bischof weiter an. Die inneren Kämpfe dieser Zeit brachten der Stadt im Jahr 1515 obendrein eine Fehde mit dem äußerst streitlustigen Reichsritter Franz von Sickingen ein136. Nach der Niederschlagung eines Aufruhrs gegen den Rat hatte einer der Rädelsführer, der bischöfliche Notar Balthasar Schlör, auf der Sickinger Ebernburg Zuflucht gefunden. Von dort aus betrieb er eine geringfügige Geldforderung gegen die Stadt. Dabei wurde er von Franz von Sickingen unterstützt, der 1515 und 1516 das Wormser Umland so unsicher machte, dass die Pfingstmesse in diesen Jahren nicht abgehalten werden konnte. Allein dies verursachte der Stadt einen Schaden von rund 4000 Gulden. Erst 1518 kam mit Hilfe Kaiser Maximilians ein Ausgleich zu Stande, jedoch ohne dass die Wormser eine Entschädigung für die erlittenen Verluste erhielten.

Die Geschichte der Wormser Außenbeziehungen spiegelt die wichtigsten politischen und sozialen Fragen des deutschen Spätmittelalters wider: das Ringen der Dynastien Luxemburg, Wittelsbach und Habsburg um die Krone, die Machtverteilung im Reich zwischen Kaiser und Kurfürsten, der Kampf der Territorialherren um regionale Hegemonie und schließlich die innerstädtischen Auseinandersetzungen zwischen Bischöfen und Gemeinde, Klerus und Laien, Ratsgeschlechtern und Zünften. Von all diesen Fragen war die Stadt Worms existenziell betroffen. Wichtigstes Mittel der Wormser zur Durchsetzung ihrer Interessen nach außen war dabei ihre Bündnispolitik. Vom Beginn der städtebündischen Epoche im frühen 13. Jahrhundert bis zu ihrem Höhepunkt in den 1380er Jahren war Worms stets an führender Stelle an den Städtebünden beteiligt. Grundlegend für die Wormser Außenbeziehungen war dabei der unbefristete Bund mit den engsten Partnerstädten Mainz und Speyer von 1293. In ihm wurde unter anderem eine gemeinsame Königspolitik der drei Städte grundgelegt, die sich in den Thronkämpfen des 14. Jahrhunderts bewährte. Gemeinsam mit ihren Bundesgenossen erzielten die Wormser zahlreiche militärische Erfolge, besonders gegen die Adelsherren des Umlandes. Das gemeinsame Interesse an politischer Stabilität innerhalb ihrer Mauern veranlasste die Räte immer wieder zu Vermittlertätigkeiten in den Verfassungskämpfen der Partnerstädte. Ziel war dabei aber keineswegs die einseitige Unterstützung der jeweiligen Ratspartei, sondern vielmehr ein tragfähiger innergemeindlicher Frieden. Durch die katastrophale Niederlage der rheinischen Städte gegen den Pfalzgrafen bei Pfeddersheim im Jahr 1388 wurden diese Bundesbeziehungen jedoch dauerhaft beeinträchtigt. In den Auseinandersetzungen mit der Kurpfalz und mit dem eigenen Bischof während des 15. Jahrhunderts waren die Wormser zunehmend auf sich gestellt. Der Schirmvertrag mit Pfalzgraf Philipp I. von 1483 und die empfindlichen Verluste der Sickinger Fehde werfen ein Schlaglicht auf die geschwächte Position der Stadt Worms am Ausgang des Mittelalters.

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