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Worms unter Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen (814–843)

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Auch im frühen 9. Jahrhundert blieb Worms ein Ort von herausragender Bedeutung, wenn Ludwig auch wie sein Vater in der späten Zeit nur selten hierhin kam. 821 schickte er jedoch seinen Sohn und Mitkaiser Lothar nach dessen Hochzeit mit Irmingard nach Worms um zu überwintern, ein klarer Hinweis darauf, dass die Pfalz bewohnbar und leistungsfähig war. 828 befand sich Ludwig selbst kurz in Worms und hielt hier im August 829 eine Reichsversammlung ab. Dort empfing er die jährlichen Geschenke seiner Großen, traf sich mit Gesandten aus Rom und dem süditalienischen Herzogtum Benevent, aber auch aus weiter entfernten Ländern. Gemeinsam mit seinem Sohn Lothar stellte er am 11. September eine Urkunde aus, in der er der Wormser Kirche unter ihrem Bischof Folkwin den Zoll aller nach Worms kommenden Kaufleute, Händler und Friesen überließ74. Die Söhne Karl (»der Kahle«) und Ludwig (»der Deutsche«) waren ebenfalls anwesend, denn nach Thegan, Verfasser einer Vita Ludwigs, wurde dem jüngsten Sohn Karl, der zu diesem Zeitpunkt erst sechs Jahre alt war, ein Stück des Reichs zugesprochen. Anders als dessen Halbbrüder Lothar, Ludwig und Pippin, die mit Italien, Bayern und Aquitanien periphere Reichsteile bekommen hatten, sollte Karl hier mit Rätien, Alemannien und Burgund zentrale Teile des Reichs erhalten. Dies habe seinen Halbbrüdern ebenso wenig gefallen wie die Tatsache, dass nun ein weiterer Königssohn nach dem Tod des Vaters Ansprüche stellen würde75. Auch die zweite Vita Ludwigs berichtet, dass die Unzufriedenheit der älteren Söhne, die bald zum Aufstand gegen den Vater führen sollte, hier ihren Ausgang nahm76.

In dem seit dem Frühjahr 830 über den Tod Kaiser Ludwigs 840 hinaus geführten Bürgerkrieg kämpften der Kaiser und seine vier Söhne in ständig wechselnden Koalitionen und mit ebenso wechselndem Erfolg gegeneinander.

Im Jahr 833, als der Kaiser sich über Ostern und Pfingsten in Worms aufhielt, berief er alle Bischöfe des Reichs zu sich und zog von dort ins Elsass, wo ihn auf dem so genannten Lügenfeld sein Heer verließ und er sich seinen Söhnen vorläufig geschlagen geben musste. Im September 836, als wieder eine Reichsversammlung nach Worms berufen wurde, hatte der alte Kaiser die Oberhand, während der junge Kaiser Lothar es vorzog, unter dem Vorwand einer Krankheit fernzubleiben. Nach dem Tod Pippins 838 hatte sich das Blatt wieder gewendet: 839 wurde das Reich König Ludwigs auf Bayern beschränkt, während der inzwischen volljährige Karl und Lothar von ihrem schon 61-jährigen Vater jeweils eine Hälfte des gesamten restlichen Reichs erhielten; der Wormsgau sollte mit dem gesamten Ostteil an Lothar gehen. Als Lothar nach dem Tod des Vaters 840 im Einklang mit der ursprünglichen Reichsordnung von 817 seine Vorherrschaft über die jüngeren Brüder durchsetzen wollte, wehrten sich Karl und Ludwig. Lothar konnte schnell die rechtsrheinischen Gebiete unter seine Kontrolle bringen und sich in Mainz festsetzen. 841 gelang es ihm, von Worms aus den Rhein zu überqueren und nach Osten vorzudringen. Ludwig aber schlug ihn zurück und besiegte ihn vorentscheidend gemeinsam mit Karl bei Fontenoy im nördlichen Burgund in der angeblich blutigsten Schlacht, die jemals unter Franken geschlagen wurde. Dennoch konnte sich Lothar zunächst in Worms halten und dort die Hochzeit seiner Tochter feiern. Im folgenden Jahr, 842, wurde er von hier vertrieben. Die Heere Karls und Ludwigs trafen sich zunächst in Straßburg, wo die berühmten Straßburger Eide in romanischer (lingua romana) und deutscher (lingua theodisca) Sprache geschworen wurden, und zogen dann nach Worms, Ludwig den Rhein entlang, Karl über Weißenburg. Von Worms aus verhandelten die Könige mit Lothar. Schließlich wurde 843 in Verdun das Reich geteilt: Ludwig (»der Deutsche«) erhielt das Gebiet rechts des Rheins und die Bistümer Mainz, Worms und Speyer, »wegen der Menge an Wein«, wie der Chronist Regino von Prüm Jahrzehnte später notierte – wohl ein Versuch, einen Grund für die auffällige Abweichung von der Flussgrenze zu finden77.

Welches Schicksal Worms und sein Umland in diesen kriegserfüllten Jahren hatte, berichtet keine Quelle – mit Ausnahme der Xantener Annalen, die über Verwüstungen des Wormsgaus im Jahr 842 berichten. Auch wenn es hier zu keinen Schlachten zwischen den Brüdern gekommen war, so muss man doch davon ausgehen, dass Stadt und Region durch die häufigen und lang andauernden Königsaufenthalte und die durchziehenden Heere schwer belastet wurden. Die Nachrichten der Annalen78 sind daher ernst zu nehmen.

Außer den direkten Folgen der Kriegszüge sind die politischen Auswirkungen zu beachten, denn die sich ständig verändernden Machtverhältnisse und Koalitionen zwangen die Großen der Region zu schwierigen Entscheidungen. Wollten sie ihre Position ausbauen oder auch nur wahren, durften sie nicht auf den falschen Kandidaten setzen. Die »Rupertiner« zum Beispiel, die einst das Kloster Lorsch gegründet hatten und mehrmals als Grafen im Wormsgau und Oberrheingau tätig waren, verschwinden zwischen 837 und 840 aus den Quellen des Mittelrheingebiets. Dafür taucht um diese Zeit ein Rupert/Robert im westlichen Teil des Frankenreiches auf, wahrscheinlich der in einer Urkunde für Mettenheim von 83479 genannte Rubertus filius Ruberti comitis (Rupert, Sohn des Grafen Rupert). Trifft diese Identifikation zu, so liegt die Annahme nahe, dass er sich während der Bürgerkriege für Karl entschied und deshalb in dessen westfränkisches Reich abwanderte, wo er als Robert der Tapfere und Stammvater des späteren Königsgeschlechts der Kapetinger in die Geschichte eingehen sollte80.

Auch die Wormser Bischöfe mussten sich für eine Seite entscheiden. Bischof Bernhar (vor 799–826) war von den Kämpfen noch nicht tangiert. Er hatte gute Beziehungen zum Kaiser und zu dessen Söhnen und war unter Ludwig als missus (Königsbote – eine von Karl dem Großen institutionalisierte Kontroll- und Gerichtsinstanz) in der Mainzer Kirchenprovinz tätig81. Noch vom Totenbett aus schrieb er einen Brief an Einhard, den Biografen Karls des Großen, um Unterstützung für seinen Wunsch zu finden, Folkwin als seinen Nachfolger in Weißenburg – angeblich wünschten dies auch die Weißenburger Mönche – und wohl auch in Worms einzusetzen82. Der trotz seines Rückzugs vom Hof immer noch einflussreiche Einhard kam diesem Wunsch offenbar nach; jedenfalls wurde Folkwin (826–nach 830), wahrscheinlich ein Verwandter Bernhars, trotz seiner Jugend sein Nachfolger in Worms und Weißenburg83. Über ihn, der nach 830 gestorben (oder abgesetzt worden) sein muss, erfahren wir nur wenig. Sein Nachfolger Samuel (vor 840–856)84, der 837 Abt von Lorsch und wohl wenig später Bischof von Worms wurde, entschied sich dagegen wie sein Freund Hrabanus Maurus, der Abt von Fulda, zunächst für die Partei Kaiser Ludwigs und stand nach dessen Tod mit dem größten Teil der kirchlichen Würdenträger auf Seiten Kaiser Lothars85. Gewiss nutzten Karl und Ludwig daher 842 bei ihrem längeren Aufenthalt in Worms auch die Ressourcen des Klosters Lorsch und des Wormser Bistums, denen schließlich ein Parteigänger Lothars vorstand. Samuel war schon als Kind in dieses Kloster gegeben worden und hatte vor seiner Rückkehr in Fulda und in Tours gelebt und gelernt86. Samuels Distanz zu König Ludwig, die auch zahlreiche andere noch im karolingischen Großreich geprägte hohe Geistliche wie Hrabanus Maurus oder Erzbischof Otgar von Mainz zunächst bewahrten, zeigt sich deutlich in der Datierung der Urkunden des Klosters Lorsch: Sie zählten Ludwigs Regierungsjahre ab 84087 und nicht ab 832, wie es Ludwig selbst in seinen Urkunden tat88. Trotz seiner Vorgeschichte scheint sich Samuel, wie auch Hrabanus Maurus, der 847/48 Erzbischof von Mainz wurde, bald mit der neuen Situation arrangiert zu haben, womöglich im Umfeld der Mainzer Synoden von 847/48, und 852 erhielt er von Ludwig Immunitätsurkunden für das Kloster Lorsch und wohl auch für das Wormser Bistum89.

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