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Christentum und frühe Kirchen?

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Seit dem Mittelalter bestimmen steinerne Kirchen das Bild der europäischen Stadt. Hoch ragen die Türme von Dom und Stiftskirchen auch in Worms über die Dächer. Da liegt es nahe, nach den ersten Christen zu suchen. Frühe christliche Gemeinschaften trafen sich in privaten Häusern. Es wäre mehr als ein glücklicher Zufall, fände man eine Ritzinschrift im Verputz eines Raumes oder gar eine frühe Altarplatte, die den Schluss auf christliche Verwendung zuließen. Als frühestes Zeugnis muss die eingepunzte Inschrift »Lupiane vivas« (Lupianus, du mögest leben) mit einem Chi-Rho-Zeichen (Christogramm) auf einer bronzenen Balkenkopfzier von einem Reisewagen gelten. Das Stück hat sich angeblich in der Baugrube eines Brunnens an der Koehlstraße gefunden. Im Brunnen lagen in der untersten Schicht Scherben von Keramik aus der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts (Bestimmung Lothar Bakker86). Nun besagt der Fund noch nichts über Christen in Worms, denn ein Wagen kann weit gereist sein, und das Objekt lag offenbar im Müll.

Von den beiden ältesten christlichen Gräbern der Pauta (1. Hälfte des 5. Jhs.) und des Ludino (Mitte 5. Jh.) verwahrt das Landesmuseum Mainz aus der Sammlung Bandel die Beigaben ebenso wie die zugehörigen Grabsteine. Ein seltener Fall, sind doch öfter die Steine als Baumaterial oder für eine andere Verwendung verschleppt worden. Die Grabsteine sind in lateinischer Sprache beschriftet, wenn auch die Namen eher germanisch anmuten: Der Pauta widmeten Leute wie Puasi, Quito, Siggo den Stein. Wer waren sie, woher kamen sie? Kein Sprachforscher kann hier deuten. Auch die Grabsteine des 7. Jahrhunderts sind noch lateinisch beschrieben87. Das heißt doch wohl, dass Romanen in der ortsansässigen Bevölkerung noch immer dominierten. Rätselhaft bleibt derzeit, warum wir keine romanischen Namen finden.

Gerne möchte man Kirchen in Worms auf frühchristliche Wurzeln zurückführen. Hat ein Bischof namens Victor aus Worms wirklich 346 an einem Konzil in Köln teilgenommen? Die Meinungen sind geteilt. Ein Bischof braucht eine Bischofskirche, und eine solche ist in der Mitte des 4. Jahrhunderts gar nicht in Sicht. Die ununterbrochene Bischofsreihe beginnt in Speyer wie in Worms erst mit dem Jahr 614. Der erste Dom ist offensichtlich um 600 direkt auf die Ruinen des römischen Forum gebaut worden.

Das nächste Problem bekämen wir mit Burgunden, wenn dieses Volk oder bedeutende Teile davon tatsächlich in Worms gelebt hätten. Im 5. Jahrhundert gehörten sie der Glaubensrichtung der Arianer an, während die Romanen den katholischen Ritus ausübten. Eine gemeinsame Kirche für beide ist völlig undenkbar, also müssten wir schon zwei Bischofskirchen finden, was bei allem Bemühen bis heute nicht im Ansatz gelungen ist. Wie steht es mit Memorien über oder bei Gräbern in den Friedhöfen? Fritz Reuter hat nachgewiesen, dass die frühchristlichen Grabsteine des Nordfriedhofs aus einem Grundstück an der Mainzer Straße und nicht aus der Umgebung von Liebfrauen stammen88. Die Liebfrauenkirche ist eine mittelalterliche Gründung ohne die Spur einer Vorgängerin.

Als 1987 Grabungen an der nachmaligen Stiftskirche St. Paulus begannen, hielt man es noch für möglich, dass die ältere Pfarrkirche St. Rupert wenig nördlich der Stiftskirche wenigstens bis in das 6. Jahrhundert zurückreichen könnte. Davon kann ebenfalls nicht die Rede sein. Man wird das Patrozinium nach dem Wormser Bischof Rupert, der das mittelalterliche Salzburg gründete, jedoch nach 716 zum Ende seines Lebens in sein angestammtes Bistum zurückkehrte und hier starb, ernst nehmen müssen und eine Datierung frühestens im 8. Jahrhundert ansetzen dürfen89.

Die Reste der Lampertikirche bei St. Martin wurden ohne Dokumentation bei Anlage der Tiefgarage unter dem heutigen Ludwigsplatz beseitigt, doch stand sie hier nicht in antikem Friedhofsareal. St. Martin hat ebenfalls keinen Vorgängerbau offenbart, das Stift dürfte wie St. Andreas und St. Paulus auf Bischof Burchard (1000–1025) zurückgehen. Selbst wenn der Biograph des hl. Bischofs Martin von Tours erzählt, dieser sei bei oder auch in Worms auf Befehl des Kaisers Julian Apostata festgehalten worden – so war dieser Gewahrsam bei einem Heer auf dem Marsch oder am Tag vor der Schlacht sicherlich kein festes Gebäude, sondern eher ein bewachtes Zelt. Ob die Leute in Borbetomagus die Erinnerung an den Ort bewahrten und dann einen Kerker zur Verehrung bauten, oder ob nicht eher der mittelalterliche Bischof das Martinspatrozinium wählte?

St. Magnus hat ein ähnlich seltenes Patrozinium wie die Rupertikirche. Die in den 1930er Jahren unternommenen Grabungen ließen allenfalls auf das 8. oder 9. Jahrhundert schließen, doch sind wirklich gesicherte Aussagen hier nicht möglich. Sicher ist allein, dass die Kirche nicht in einem spätrömischen Gräberfeld situiert ist. Für das alte Kloster St. Andreas auf dem Berg, auf einem kleinen Hügel (?) westlich des Domes gelegen, ist kaum eine Aussage zu treffen. Zwar wird hier und in der Umgebung von römischen Gräber berichtet, auch das Fragment eines Grabsteines aus dem 7. Jahrhundert und andere Einzelfunde des Frühmittelalters wie Waffenbeigaben wurden hier aufgesammelt. Der eine oder andere Bodeneingriff in der Neuzeit hat allerdings nichts dergleichen ans Licht treten lassen. Es gibt einfach nichts, das für oder gegen ein frühes Entstehungsdatum spricht.

So bliebe allein der südliche Friedhof mit insgesamt drei Kirchen zu untersuchen. Das Kloster Mariamünster soll nach der mittelalterlichen Gründungstradition auf Ludwig den Frommen (um 838/9) zurückgehen. Hier findet man wohl keine spätrömische Wurzel. An der Südseite des Klosters standen aber auch noch St. Cäcilia und St. Meinhart. Über diese eher kleineren Kirchen ist wenig bekannt, doch haben sie innerhalb des römischen Gräberfeldes in etwa 25 m Abstand voneinander gelegen. Den Zwischenraum nahm ein ovaler Hügel (ein Grabhügel?) ein, in der Neuzeit für das Grab des »Hünen Siegfried« gehalten. Kaiser Friedrich III. ließ hier 1488 die ersten Ausgrabungen in Worms vornehmen, um die Gebeine des Riesen zu heben. Zu allgemeiner Enttäuschung brachten sie jedoch menschliche Gebeine von normaler Größe hervor. Überhügelte Gräber wären in der Römerzeit möglich. Sie sind bislang in der Stadt allerdings nirgendwo belegt, und sie hätten sich sicher nicht unbeeinträchtigt erhalten, weshalb das Frühmittelalter eher in Betracht kommt (wie z.B. in Langenlonsheim) – oder der Hügel hatte einen ganz anderen Ursprung, etwa von der Bautätigkeit an der äußeren Stadtmauer. Die Angelegenheit ist derzeit nicht zu lösen, es soll auch nicht der Anschein erweckt werden, als müsse man hier unbedingt mit der Entstehung der zwei längst vergangenen Kirchen in der Spätantike rechnen. Man sollte die Frage jedoch in Hinsicht auf Bauvorhaben in dem betreffenden Areal beachten.

Zusammenfassend ist von archäologischer Seite festzustellen, dass offenbar der Dom St. Peter die älteste Wormser Kirche aus dem frühen 7. Jahrhundert ist, gefolgt von St. Rupert, St. Magnus und vielleicht St. Lampertus, wohl im 8. Jahrhundert. Im 11. Jahrhundert erbaute man in ihrer unmittelbaren Nähe jeweils ein Stift, St. Paulus, St. Andreas und St. Martin.

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