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… und Burgunden, das Volk unter der Tarnkappe

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Auch Burgunden (oder Burgunder)82 hielten sich in Gallien auf, so wie andere Germanen. Junge adelige Männer dienten als Offiziere im römischen Heer und in höchsten Chargen am Trierer Kaiserhof. Der einzige Burgunde, dessen wir archäologisch habhaft werden können, nämlich der 20-jährige Hariulfus, Sohn des Hanavald, aus königlicher Familie, dem sein Onkel Reutilo den Grabstein in Trier setzen musste, starb schon vor dem Jahr 400. Er diente mit dem Titel protector domesticus als hoher Offizier am Kaiserhof, der gegen 395 Trier verließ und nach Mailand übersiedelte.

Im Jahre 411 könnten Burgunden (Teile des Volkes? Ein Teilstamm?) nicht allzuweit von den römischen Gebieten entfernt gewesen sein. Sie befanden sich zeitweise auch diesseits des Rheins und griffen in die Reichspolitik ein. Zusammen mit Alanen, Alamannen und Franken riefen Burgunden den Gallier Iovinus, einen Mann vornehmster Abkunft, zum Kaiser aus. Der Ort, in dem sie sich trafen, soll Moundiakon geheißen und sich in der Provinz Germania Secunda (demnach eher am Niederrhein) befunden haben. Man möchte dennoch für die Deutung des Ortsnamens als Moguntiacum, Mainz, plädieren. Zum Kaiser ließ man sich in einer Regierungsstadt erheben, denn für Akklamation und Umritt wurde Publikum benötigt. Befanden sich vielleicht germanische, namentlich burgundische Truppen unter ihrem Anführer Guntiar schon jetzt, 411, in großer Zahl auf der linksrheinischen Seite? Wir wissen es nicht. Für das Jahr 413 ist überliefert, dass Burgunden einen Teil Galliens am Rhein besetzten.

Der römische Heerführer Aetius versuchte in den Jahren seit 425 Ordnung und Ruhe für den jungen Kaiser Valentinian III. herzustellen. Auch die Burgunden bekamen es mit ihm zu tun: Der Zeitgenosse Prosper schrieb »Burgundiones qui rebellaverunt a Romanis duce Aetio debellantur«, die aufständischen Burgunden seien von den Römern unter dem Feldherrn Aetius völlig besiegt worden (wo? Es gibt dazu keine Ortsangabe). Der Chronist nannte Gundichar als den burgundischen König, dem Aetius die erbetene Gnade und Schonung gewährt habe. Zum Jahr 437 vermerkte er lakonisch »Zwanzigtausend Burgunden tot«. Vermutlich ersetzt man die Zahl am besten durch »sehr viele«. Endlich tauchen in der Chronica Gallica auch die Hunnen auf, die schließlich den burgundischen König und sein Volk vollständig ausrotteten.

Die komplett geschlagenen bzw. völlig ausgerotteten Burgunden vermehrten sich allerdings innerhalb von nur sechs Jahren dergestalt, dass sie 443 in die Sapaudia (heute etwa Savoyen) mit Genf als erster Kapitale umgesiedelt werden können, nun als römische Bundesgenossen und vermutlich mit dem Auftrag, die Alpenpässe zu kontrollieren und somit Italien einen gewissen Schutz zu geben.

Das Urteil darüber, was oder wie viel von den (ohnehin bloß sparsam überlieferten) historischen Ereignissen, die schon schwer genug zu interpretieren sind, in die frühmittelalterlichen Sagen und Heldenlieder einfloss, ist vom Temperament und dem Standpunkt des jeweiligen Bearbeiters abhängig. Da sich die antiken Autoren als unergiebig erweisen, muss das um 1200 aufgeschriebene Nibelungenlied, in welchem ein Königreich Burgund seinen zentralen Mittelpunkt in Worms hat, als »Beweis« dienen.

Wie andere germanische Völker haben auch die Burgunden ihre Gesetze zusammengestellt. Unter dem Titel Constitutiones, Verfassung, gibt es ein Konvolut, das 517/518 von König Sigismund, Sohn des Gundobad, herausgegeben wurde. Nach der hier aufgeschriebenen Liste seiner königlichen Vorfahren müsste die Erinnerung sogar bis in die Zeit eines ersten Königreiches irgendwo am Rhein zurückgehen, das der Sage nach so schrecklich in einem Blutbad endete. Doch kein Wort wird darüber verloren. Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (im Gebiet von Troyes – Châlons-sur-Marne) von 451, in der die Burgunden in einer römischen Koalition gegen die Hunnen antraten, wird als pugna mauriacensis nur einmal in einer Verordnung erwähnt: Alle Ansprüche aus Forderungen vor diesem Datum sollen als erledigt gelten83.

In burgundischen Selbstzeugnissen fand weder ein Aufenthalt »am Rhein« eine Erwähnung, noch wurde irgendwo ein erlittenes gewaltiges Gemetzel beklagt oder auch bloß erwähnt.

Archäologisch ist alles versucht worden, um Sachzeugnisse oder Bestattungssitten ausfindig zu machen und mit den Burgunden zu verbinden, bis heute jedoch ohne Erfolg. Und man wüsste ja auch gar nicht, was man denn eigentlich suchen sollte: Ostgermanisches, Donaugermanisches oder Elbgermanisches? Von allem kann man in Rheinnähe finden, doch was ist Burgundisch? Selbst im heutigen Burgund, der Landschaft, die ihren Namen trägt, ist archäologisch nichts »Burgundisches« aus dem 5. Jahrhundert zu identifizieren. Ein Volk auf der Wanderschaft verwendet Gebrauchsgegenstände der Umgebung und schafft sich somit keine eigene Identität durch signifikante Kleidungsbestandteile, die sich in Gräbern erhalten können.

Außerhalb der mittelalterlichen Sage nennt keine Quelle Worms und Burgunden zusammen, und es ist längst bekannt, dass der Dichter des Nibelungenliedes um 1200 auf ein seiner Zeit näher stehendes Burgund anspielte. Käme jemand ohne das Nibelungenlied auf die Idee, ein Burgunderreich in Worms zu suchen? Wohl nicht. Worms als Hauptstadt der antiken Burgunden ist ein weiterer Mythos, entstanden in einer national denkenden Zeit, genährt von einigen scheinbaren Parallelen zwischen dem Nibelungenlied und ein paar historischen Nachrichtenschnipseln.

Geschichte der Stadt Worms

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