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5. Aristotelismus in al-Andalus
ОглавлениеWährend sich die Philosophie im Zweistromland und seinen Nachbargebieten vor allem in enger Verbindung mit theologischen Kontexten und unter starkem Einfluss Avicennas weiterentwickelte, erfuhr die philosophische Tradition im muslimischen Spanien eine andere Ausprägung. Hier wurde die stark neuplatonisch ausgerichtete Überformung, die so kennzeichnend für Avicennas philosophisches System ist, deutlich zurückhaltender aufgenommen. Stärker als Avicenna beherrscht hier die Interpretation des al-Fārābī die Wahrnehmung der aristotelischen Tradition. Diese Besonderheit der andalusischen philosophischen Tradition kann man vermutlich wenigstens zum Teil aus der Rezeptionsgeschichte erklären, die aufgrund der geographischen und auch politischen Randlage des umayyadischen al-Andalus einen besonderen Verlauf nahm.
In al-Andalus wirkten im 12. Jahrhundert drei bedeutende Denker, die sich in diesem Sinne als Fortführer der aristotelischen Tradition verstanden: Ibn Bāǧǧa, Ibn Ṭufayl und Ibn Rušd (Averroes). Der kulturelle Reichtum des muslimischen Spaniens wird zudem dadurch unterstrichen, dass auch der jüdische Denker Moses Maimonides (1138–1204) und die christliche Übersetzerschule, in der Autoren wie Dominicus Gundissalinus (ca. 1110–1190) arabische Philosophie ins Lateinische übertrugen, in diesem Kontext wirkten.
Diese philosophische Blüte war keineswegs langfristig absehbar gewesen. Unter dem rationalitätskritischen Einfluss der malikitischen Rechtsschule begann philosophische Aktivität in Spanien erst, nachdem der umayyadische Kalif ʿAbd ar-Raḥmān III. (gestorben 961) in Cordoba eine große Bibliothek errichtet hatte. Auf Basis der dort erhaltenen Werke beschäftigten sich bereits einige Zeitgenossen Avicennas und der letzten Baġdāder Aristoteliker mit logischen Fragen. Vor diesem Hintergrund beantwortete Ibn as-Sīd al-Baṭalyūsī (1052–1127) die Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Religion im Sinne al-Fārābīs durch den Verweis auf apodeiktisches und rhetorisches Wissen derselben Sachverhalte. Damit eröffnete er das Fragefeld, mit dem sich der ihm persönlich bekannte Ibn Bāǧǧa und seine Nachfolger besonders auseinandersetzen sollten.42