Читать книгу Festschrift für Jürgen Taeger - Группа авторов - Страница 68
2. Das Koppelungsverbot des Art. 7 Abs. 4 DSGVO
ОглавлениеDie Möglichkeit der Einwilligung im Kontext von Verträgen ist durch das sogenannte Koppelungsverbot des Art. 7 Abs. 4 DSGVO eingeschränkt. Ausgangspunkt hierfür ist zunächst Art. 4 Nr. 11 i.V.m. Erwägungsgrund 43 DSGVO: Die Einwilligung muss „freiwillig“ erfolgen, um wirksam zu sein. Diese Anforderung geht nach h.M. über das Erfordernis einer wirksamen Willenserklärung und auch über das Fehlen von Anfechtungsgründen nach deutschem Recht (z.B. § 123 Abs. 1 BGB) oder der fehlenden Sittenwidrigkeit wegen Ausbeutung einer Zwangslage22 hinaus: Die Einwilligung muss vielmehr Ausdruck einer „echten Wahl“ des Betroffenen hinsichtlich des Ob, des Umfangs und des Adressaten der Datennutzung sein.23 Abgeleitet wird das Einwilligungserfordernis der DSGVO letztlich aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 8 Abs. 2 EU-GRCh),24 das wiederum eine Ausprägung des Rechts auf Privatleben (Art. 7 EU-GRCh) ist. Diese Grundrechte schützen die Betroffenen vor jedem Zwang zur Preisgabe personenbezogener Daten – auch vor einem solchen, der in der Durchsetzung einer früher gegebenen vertraglichen Vereinbarung besteht –, weil sie dem Betroffenen das Recht geben, zu jeder Zeit darüber zu bestimmen, wer welche personenbezogenen Daten von ihnen zu welchem Zweck verarbeiten darf.
Art. 7 Abs. 4 DSGVO bestimmt in der Folge, dass bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, im größtmöglichen Umfang dem Umstand Rechnung getragen werden muss, ob die Erfüllung eines Vertrages von der Einwilligung in die Verarbeitung von Daten abhängig gemacht wurde, die für die Erfüllung nicht erforderlich sind. Etwas strenger formuliert der Erwägungsgrund 43 der DSGVO: „die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, wenn ... die Erfüllung eines Vertrags ... von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist.“ Würde man dies eng verstehen, würde jede vertragliche Verpflichtung zur Erteilung einer datenschutzrechtlichen Einwilligung diese zugleich unwirksam machen, weil die Einwilligung dann nicht mehr freiwillig erteilt würde, sondern unter dem Eindruck der rechtlichen Pflicht. Der Anbieter hätte dann keine Möglichkeit sicherzustellen, dass er die Daten des Kunden tatsächlich rechtmäßig verarbeiten darf. Bei dieser Auslegung würde Art. 7 Abs. 4 DSGVO die datengetriebenen Geschäftsmodelle, bei welchen die von den Nutzern überlassenen Daten nicht nur unmittelbar der Vertragserfüllung dienen, datenschutzrechtlich ausschließen.25 Denn dort ist die Erteilung der Einwilligung gerade nicht für die bloße Erfüllung des Vertrags erforderlich, sondern dient darüber hinausgehenden Zwecken, etwa der Refinanzierung des Angebots durch gezielte Werbung, der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, die wiederum niedrigere Angebotspreise ermöglichen,26 oder der Optimierung der angebotenen Dienstleistungen anhand der Nutzerpräferenzen.27
Diese strenge Auslegung des Art. 7 Abs. 4 DSGVO ist allerdings aus gesetzessystematischen Gründen nicht überzeugend: Dürfte die Vertragserfüllung nicht von einer Einwilligung abhängig gemacht werden, wenn die Einwilligung zur Erfüllung nicht erforderlich ist, wäre die Einwilligung im vertraglichen Kontext neben Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO sinnlos. In allen Fällen, in denen die Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung erforderlich ist, ergibt sich die Befugnis zur Datenverarbeitung ohnehin bereits aus Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO, ohne dass es auf das Vorliegen einer Einwilligung ankäme. Der Sinn einer Einwilligung im vertraglichen Kontext kann nur darin bestehen, die Befugnisse des Unternehmers zur Datenverarbeitung gegenüber dem gesetzlichen Erlaubnistatbestand zu erweitern. Allein dieser Umstand darf daher nicht dazu führen, dass die Einwilligung ihrerseits unwirksam wird. Der Kern des Art. 7 Abs. 4 DSGVO dürfte – auch im Lichte des Erwägungsgrunds 43 zur DSGVO – vielmehr darin liegen, dass lediglich der Druck auf den Kunden missbilligt wird, der darin liegt, dass die Erfüllung eines bereits abgeschlossenen Vertrages, also einer bestehenden Rechtspflicht, zusätzlich von einer (zur Abwicklung nicht erforderlichen) datenschutzrechtlichen Einwilligung abhängig gemacht wird. Nur eine dergestalt „erpresste“ Einwilligung wäre unwirksam.
Darüber hinaus kann bei den oben dargestellten Geschäftsmodellen sogar argumentiert werden, dass die Datenverarbeitung erforderlich ist, um die angestrebte Qualität des Dienstes – einschließlich ihrer Orientierung an individuellen Nutzerpräferenzen – sicherzustellen: Ein soziales Netzwerk etwa ist für seine Benutzer gerade dann attraktiv, wenn aus der Vielzahl der vorgehaltenen Inhalte gerade diejenigen angezeigt werden, an denen der jeweilige Benutzer (mutmaßlich) besonders interessiert ist; das ist wiederum nur auf der Grundlage einer Einwilligung in die Datenverarbeitung möglich. Insofern ist die datenschutzrechtliche Einwilligung jedenfalls für den Betrieb des Dienstes in seiner konkreten Gestalt erforderlich und wäre in dieser Auslegung immun gegen Art. 7 Abs. 4 DSGVO. Soweit die Datenverarbeitung der Refinanzierung des Angebots durch Werbung dient, kann die Einwilligung ebenfalls als „für die Erfüllung erforderlich“ angesehen werden, weil nur so das Angebot nachhaltig aufrechterhalten werden kann.28
Gegen diese großzügigeren Auslegungen wird allerdings angeführt, dass es dem Vorrang der Privatautonomie, wie er im Einwilligungserfordernis zum Ausdruck kommt, eher entspräche, in derartigen Fällen dem Nutzer die Entscheidung darüber zu belassen, ob er eine weitreichende Einwilligung in die Datenverarbeitung erteilt oder lieber – im Fall der Werbefinanzierung – ein Entgelt für die Leistung bezahlt oder – im Fall der Orientierung der Dienstleistung an den Nutzerpräferenzen – auf ebendiese Orientierung verzichtet.29 Freilich kann die entsprechende Wahlfreiheit des Betroffenen in der Regel auch durch die Auswahl zwischen verschiedenen Anbietern sichergestellt werden; dann verlagert sich die Problematik auf die eher wettbewerbsrechtlich gelagerte Frage, ob das Verlangen entsprechend weitreichender Einwilligungserklärungen durch monopolartige Anbieter einen Missbrauch marktbeherrschender Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV darstellt,30 was zusätzlich zur fehlenden Freiwilligkeit der Einwilligung i.S.v. Art. 7 Abs. 4 DSGVO ggfs. auch zu deren Unwirksamkeit gemäß § 134 BGB führen würde.31 Gleiches wird man in Bereichen essenzieller Grundversorgung annehmen müssen (Alters- und Krankheitsvorsorge, Telefonanschluss, Girokonto, ...), jedenfalls solange dort am Markt nicht auch Vertragsmodelle ohne entsprechend weite Einwilligungserklärungen angeboten werden.32 In anderen Fällen ohne existenzielle Bedeutung, bei denen eine Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Anbietern besteht oder auch der Verzicht auf die jeweilige Dienstleistung (z.B. bei sozialen Netzwerken) eine zumutbare Option darstellt, dürfte es einer im Zusammenhang mit dem Vertrag erteilten Einwilligung aber kaum je an der Freiwilligkeit fehlen.