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I. Das Internet der Verträge oder Trierer Weinversteigerung 4.0

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Der Vertragsschluss im Internet ist im heutigen Leben zur absoluten Regel geworden. Die allermeisten Geschäfte des Alltags kommen über das Internet zustande. Auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr ersetzt das Internet immer mehr den persönlichen oder fernmündlichen Geschäftskontakt.

Mit der zunehmenden Kommerzialisierung der internetbasierten Kommunikation gehen nicht unerhebliche Schwierigkeiten einher. Der Vertragsschluss ist ubiquitär. Die Nutzer des Internets müssen darauf zumindest hingewiesen werden. Das Recht darf seine ordnende Funktion nicht im Digitalen aufgeben. Ob es dafür gleich eines Updates1 des BGB bedarf, mag bezweifelt werden. Es kommt vielmehr auf einen zeitgemäßen Umgang mit dem positivierten Recht an. Die Jurisprudenz war schon immer und ist auch heute, wie in der Zukunft darauf angewiesen, auf den technologischen Fortschritt zu reagieren. Nicht zuletzt, um Akzeptanz in das Recht und den Rechtsstaat zu erhalten und bestenfalls zu steigern. Natürlich darf die Rechtswissenschaft dabei nicht zum Getriebenen des technologischen Fortschritts verkommen. Code is law2 darf in demokratischen Gesellschaften nicht gelten! Die Rechtsanwender:innen müssen eine aktive, eine antizipierende Rolle einnehmen.

Es ist daher umso begrüßenswerter, das bereits jetzt Themen der Künstlichen Intelligenz Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung sind.3 Zum ersten Mal, so scheint es, ist das Recht schneller als die tatsächlichen Entwicklungen. Besonders hervorzuheben ist, dass der Ruf nach neuen Gesetzen diesmal weniger laut erklingt, als es in anderen Bereichen des Rechts der Fall war. Es wird sich dabei vielmehr auf die Grundlagen des Zivilrechts und seiner rechtshistorischen Wurzeln besonnen.4

Prof. Dr. Prof. h.c. Jürgen Taeger kann mit Fug und Recht zu einem der Vorreiter der Rechtswissenschaft im Digitalen bezeichnet werden. Schon in seiner Habilitationsschrift im Jahre 1995 stellte er fest, dass mit der Informationstechnologie ganz andere und vermutlich auch weit größere Risiken einhergehen werden, als die Erfindung des Dampfkessels als Wegbereiter der industriellen Revolution nach sich zog.5 Diesen Risiken gilt es nun zu begegnen. Dafür ist es jedoch notwendig, sich von herkömmlichen Denkweisen und Mustern zu lösen. Auf „disruptive“ Technologien muss gleichermaßen reagiert werden.

Das darf jedoch nicht bedeuten, das Handwerkszeug der Rechtswissenschaft „über Bord“ zu werfen. Wortlaut, Systematik, Historie und Sinn und Zweck bilden nach wie vor das Grundgerüst der Auslegung des Gesetzes. Vielmehr müssen vermeintlich in Stein gemeißelte, vom Gesetzestext unmittelbar abgeleitete Rechtssätze hinterfragt werden. Das ist die vornehmste Aufgabe der Rechtswissenschaft. Sie kann ohne den Druck konkreter Einzelfallgerechtigkeit abstrakte Lösungen entwickeln.

Dieser Beitrag will sich genau dessen annehmen. Bisher ging man davon aus, dass der Rechtsbindungswille nur unter bestimmten Voraussetzungen angenommen werden darf. Die Rechtsprechung hat hierzu eine beeindruckende Kasuistik entwickelt.6 Es soll kritisch hinterfragt werden, ob die im Rahmen des nunmehr schon über hundert Jahre alten Übungsfalls der „Trierer Weinversteigerung“7 entwickelten Grundsätze noch immer zeitgemäß und auf neue Technologien, insbesondere der Blockchain, anwendbar sind. Dort hieß es schon 1899 zu den Tatbeständen einer Willenserklärung:

„Willenserklärung einer Person ist dasjenige (in einigen Fällen ihr gesetzlich vorgezeichnete) Verhalten, welches nach der Erfahrung unter Würdigung aller Umstände regelmäßig – ohne Rücksicht auf Richtigkeit im einzelnen Falle – den Schluß auf einen bestimmten Willen gestattet, und bei welchem sie sich dieser Schlüssigkeit bewußt war oder bewußt sein mußte.“8

Die Rechtsprechung hat diese Formel im Grunde unverändert übernommen:

„Trotz fehlenden Erklärungsbewußtseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, daß seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefaßt werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat.“9

Festschrift für Jürgen Taeger

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