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1740 Die Abschaffung der Folter
ОглавлениеAls er den preußischen Thron übernahm, waren die Erwartungen der Zeitgenossen hoch: Friedrich II. galt als Schöngeist, spielte Flöte und verkehrte mit Komponisten und Malern. Die in ihn gesetzten Hoffnungen schienen sich zu erfüllen: Schon vier Tage nach seinem Amtsantritt schaffte er am 3. Juni 1740 mit einem Federstrich die Folter ab.
Zu dieser Zeit war es in ganz Europa gang und gäbe, Delinquenten zur Erlangung von Geständnissen zu foltern. Ein Urteilsspruch bedurfte damals entweder zweier glaubwürdiger Augenzeugen oder des Geständnisses eines Beschuldigten. Eine Verurteilung nur aufgrund von Indizien kannte man nicht. Folter war zwar eigentlich nur bei kapitalen Verbrechen wie Mord oder schwerem Diebstahl zulässig. Doch scheinen – wie es im Wissenschaftsdeutsch heißt – »Gesetzesnorm und Gerichtspraxis häufig nicht übereingestimmt« zu haben. Im Klartext: Es wurde ohne Rücksicht auf Verluste gefoltert. Besonders bei den Hexenverfolgungen des 16. und 17. Jahrhunderts oder den sogenannten Ritualmordprozessen gegen Juden ging es weniger um Wahrheitsfindung, als vielmehr um falsche Geständnisse.
Die Sicht der Gesellschaft auf die Folter änderte sich erst mit der beginnenden Aufklärung. Die »peinliche Befragung« wurde jetzt zunehmend als barbarisch, unmenschlich und ungerecht empfunden. Friedrich, der auch mit dem französischen Philosophen Voltaire korrespondierte, sah sich als humaner, aufgeklärter Herrscher und setzte mit dem Folterverbot als erster deutscher Landesherr ein klares Zeichen. Wirklich abgeschafft war die Folter mit seiner Weisung jedoch keineswegs. Bei schwerer Majestätsbeleidigung, Landesverrat und Massenmord durfte sie nach wie vor angewandt werden – noch bis 1754. Auch das barbarische »Spießrutenlaufen« der häufig zwangsrekrutierten Soldaten des Preußenkönigs – »bis ihnen die blutigen Fetzen vom Rücken hingen« – wurde länger beibehalten.
Nur wenige Monate nach seiner Thronbesteigung zeigte Friedrich jedoch sein anderes Gesicht. Er fiel in Schlesien ein und raubte die Provinz von Österreich. Preußen wurde damit zur Großmacht. Erst am Ende seiner Amtszeit wurde aus dem Schöngeist Friedrich wieder ein Mann des Friedens. Als »Alter Fritz« war er da bereits zur Legende geworden.