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1871 Die Gründung des deutschen Kaiserreichs
ОглавлениеVor den Toren von Paris, im Schloss von Versailles, jubelten deutsche Fürsten, Minister und Militärs dem preußischen König Wilhelm I. zu. Noch während deutsche Geschütze die französische Hauptstadt beschossen, feierten sie am 1 8. Januar 1871 im prunkvollen Spiegelsaal von Versailles die Geburtsstunde des zweiten »Deutschen Reiches«.
Der entscheidende Schrittmacher dieses aus »Blut und Eisen« geschmiedeten Reiches hieß Otto von Bismarck. Als preußischer Ministerpräsident hatte er die Vormachtstellung Preußens im Deutschen Bund durchgesetzt. 1867 hatte er den »Norddeutschen Bund« gegründet, der fast alle Gebiete nördlich des Mains umfasste und als Etappenziel auf dem Weg zu einem geeinten »kleindeutschen Reich« – unter Ausschluss Österreichs – galt. Mit den süddeutschen Staaten schloss er Verträge zum gegenseitigen Beistand im Kriegsfall ab.
Frankreich sah diese preußisch dominierten Einheitsbestrebungen mit wachsender Sorge. Vor allem der französische Kaiser Napoleon III. wollte die neue Macht der deutschen Nachbarn wieder einschränken. Mit einem Trick, einem verkürzt an die Presse gegebenen Telegramm – der berühmt gewordenen »Emser Depesche« -, brachte Bismarck Frankreich dazu, am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg zu erklären. Bismarcks Kalkül ging auf: Da Preußen mit allen anderen deutschen Staaten Beistandsverträge hatte, stand Frankreich plötzlich mit allen Deutschen im Krieg. Überall in Deutschland fühlte man sich als Nation einig – war man doch überzeugt, im Recht zu sein.
Weil die deutschen Truppen rasch angriffen, wurden die entscheidenden Schlachten auf französischem Boden geschlagen. Schon am 2. September 1870 kapitulierte die französische Armee, Napoleon III. wurde gefangen genommen. Im Friedensvertrag mussten die Franzosen Gebiete abtreten und eine Entschädigung von fünf Milliarden Francs zahlen. Diese maßlosen Forderungen sollten die deutsch-französischen Beziehungen noch lange belasten. Noch unter dem Eindruck des Krieges beschlossen die süddeutschen Staaten, Gespräche über einen Beitritt zum »Norddeutschen Bund« aufzunehmen. Bismarck verhandelte geschickt, die deutsche Einheit wurde Wirklichkeit. Die Krönungszeremonie im berühmten Spiegelsaal von Versailles schuf das Deutsche Kaiserreich und machte Wilhelm I. zum deutschen Kaiser.
Das neue Kaiserreich hatte gute Startchancen: Die hohen Kriegsentschädigungen brachten viel Geld ins Land, eine einheitliche Währung und die Abschaffung der Zollschranken innerhalb Deutschlands machten den Handel leichter und schufen neue Absatzmärkte. Doch das Kaiserreich war keine moderne Demokratie. Der Reichstag hatte wenig Einfluss – und Bismarck regierte als »Eiserner Kanzler«.