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1829 Die Uraufführung von Goethes »Faust«
ОглавлениеAls »Faust. Eine Tragödie« am 19. Januar 1829 in Braunschweig uraufgeführt wurde, existierte das Stück bereits mehr als zwanzig Jahre. Genauso lange sollte das Publikum nur die gekürzte und zensierte Fassung zu sehen bekommen: Erst 1849 kam schließlich der originale »Faust I« auf die Bühne.
In Goethes Werk schließt der Universalgelehrte Heinrich Faust einen Pakt mit dem Teufel Mephisto: Verzweifelt als ruheloser Wissenschaftler wie als unzufriedener Mensch, verspricht Faust dem Teufel seine Seele, wenn er ihn aus dieser Lage befreit. Mephisto führt den Gelehrten auf eine Reise durch die Welt, verschafft ihm Einblick in Räusche und Lustbarkeiten und verstrickt ihn in die schließlich tragisch endende Liebschaft mit Gretchen.
Goethe hatte sich schon seit seiner Kindheit mit dem »Faust«- Stoff beschäftigt und mehrere Werke geschaffen, die um das Thema kreisten: Der seit 1887 bekannte »Ur-Faust« entstand zwischen 1772 und 1775, 1790 veröffentlichte der Dichter »Faust, ein Fragment«. »Der Tragödie erster Teil« schließlich entstand zwischen den Jahren 1797 und 1806. Schon kurz nach Fertigstellung des Dramas dachte Johann Wolfgang von Goethe über eine Aufführung nach. 1810 schrieb er: »Schließlich melde, dass uns ein seltsames Unternehmen bevorsteht, nämlich den Faust aufzuführen, wie er ist, sofern er nur einigermaßen möglich werden will.« Dies zeigte: Er zweifelte selbst an der Bühnentauglichkeit des Stücks. So wurden in Weimar und später in Berlin nur einige Szenen gebracht – zwanzig Jahre lang galt der »Faust« als unspielbar.
August Klingemann, der es dann im Januar 1829 wagte, die Tragödie auf die Bühne des Braunschweiger Hoftheaters zu bringen, fragte Goethe vorab um Rat. Doch der Dichter winkte nur resigniert ab: »Machen Sie mit meinem Faust, was Sie wollen.« Tatsächlich war es nicht das Original von Goethe, das in der Löwenstadt gezeigt wurde: Der Text war radikal zusammengestrichen und mit dem Zensor abgestimmt worden, man verzichtete auf alle Angriffe gegen die Kirche. Im Mittelpunkt stand nicht die Gelehrten-, sondern die Gretchentragödie.
Dennoch war die Inszenierung ein großer Erfolg. In Goethes Wahlheimat Weimar wurde »Faust I« bereits einige Monate später gezeigt, auch hier um sämtliche anzüglichen und kirchenkritischen Passagen sowie Verweise auf Gott bereinigt. Goethe war verärgert und blieb den Vorbereitungen ebenso fern wie den zwei Aufführungen im August und im November 1829. Bis zu seinem Tod drei Jahre später sollte er keine Vorstellung des ganzen Stücks erleben, denn erst im Jahr 1849 wurde »Faust I« weitgehend original in Dresden gezeigt. Heute gilt der Text als literarischer Höhepunkt der deutschen Klassik – und als eines der bedeutendsten Werke der gesamten deutschsprachigen Literatur.