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Risiko-Faktoren für Alzheimer-Demenz

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Bisher wurde eine Reihe von (Risiko-)Faktoren identifiziert, die bei der Entstehung und Entwicklung der Alzheimer-Krankheit eine Rolle spielen. Dazu zählen:

I. Lebensalter

Das Alter ist unbestritten der größte Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit. Alzheimer tritt normalerweise bei Personen auf, die älter als 65 Jahre sind. Bei den unter 65-Jährigen sind lediglich 1-2% betroffen, im Alter von 80-85 Jahren ist es schon mindestens jeder Fünfte, bei den über 85-Jährigen leidet bereits mehr als ein Drittel an Alzheimer.

II. Genetik

Familiäre Form der Alzheimer-Krankheit

Die seltene familiäre Form der Alzheimer-Krankheit (etwa 2% aller Fälle), die meist vor dem 65. Lebensjahr auftritt, ist erblich bedingt.

Mehrere Alzheimer-Gene für diese Form wurden in der Vergangenheit identifiziert. Sie codieren für die Eiweiße Präsenilin 1/PS1 {beim Menschen lokalisiert auf Chromosom 14} und PS2 {beim Menschen lokalisiert auf Chromosom 1} und das Amyloid-Vorläufer-Protein (APP). Bei den Defekten in den Präsenilin 1- und 2-Genen handelt es sich um Muta-tionen, die sich mit absoluter Sicherheit durchsetzen und zu einem Ausbruch der Krankheit in einem frühen Lebensalter führen. Das Gen für das Amyloid-Vorläufer-Protein liegt auf Chromosom 21. Menschen mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) haben 3 anstatt 2 Chromosomen 21. Darum führt bei den Betroffenen die vermehrte Produktion von APP oftmals zu einem frühen Ausbruch der Alzheimer-Krankheit.

Späte Form der Alzheimer-Krankheit

Mehr als 98% der Alzheimer-Erkrankungen treten erst nach dem 65. Lebensjahr auf und haben keine eindeutige genetische Ursache. Allerdings gibt es genetische Risikofaktoren. Diese Risikofaktoren sind nach dem heutigen Kenntnisstand u.a. die Gene Apolipoprotein e4, SORL-1 sowie die Gene PICALM, CLU und CR-1. Da genetische Risikofaktoren nicht die alleinige Ursache der späten Form der Alzheimer-Krankheit sein können, wird das Zusammenspiel von Genen und Umweltfaktoren erforscht.

III. Metabolisches Syndrom (MVS) / Kardio-vaskuläre Faktoren

Als Metabolisches Syndrom wird ein Risikofaktoren-Cluster für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Arterienverkalkung und ähnliche Krankheiten bezeichnet. Kennzeichen für das Metabolische Syndrom sind: Übergewicht/ Adipositas + Bluthochdruck/Hypertonie + Fettstoffwechselstörungen + Insulin-Resistenz bzw. (Prä-)Diabetes mellitus.

Homocystein als Risiko-Faktor:

Im Gehirn kann erhöhtes Homocystein [] [d.i. eine alpha-Aminosäure; sie entsteht im Körper aus der Aminosäure Methionin. Vermehrtes Vorkommen von Homocystein gilt als „Risikofaktor für Blutgefässe“ und für Herzinfarkt und Schlaganfall] zu Stoffwechselstörungen der Nervenbotenstoffe (Neurotransmitter: wie z.B. Dopamin) und zu Plaque-Bildungen führen. Vielmals liegt bei Demenz-Kranken eine Durchblutungsstörung im Gehirn (zerebro-vaskuläre Insuffizienz/ Zerebralsklerose) vor. Diese Durchblutungsstörung verstärkt die Demenz-Defizite. Gesichert ist zudem, dass unter hohen Homocystein die Gehirnmasse schneller schrumpft. Zudem steht Homocystein-Erhöhung in engem Zusam-menhang mit Depressionen.

[Anmerkung: s. Therapie]

Ein hoher Homocystein-Spiegel und das Rauchen tragen ebenfalls zu einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen bei. Diese Krankheiten und die Alzheimer-Krankheit tragen zu einem geistigen Abbau bei und scheinen sich sogar gegenseitig zu verstärken.

Man vermutet, dass Menschen mit Herz-Kreislaufproblemen eher einen „stillen Schlaganfall“ bekommen. Studien zeigten, dass diese Personen wiederum ein erhöhtes Risiko haben, an einer Demenz zu erkranken.

IV. Diabetes mellitus Typ 2

Alzheimer wird von einigen Forschern auch „Typ 3-Diabetes“ genannt. Mit dieser Bezeichnung möchte man auf den Zusammenhang zwischen Insulin-Stoffwechsel und kognitiver Leistungsfähigkeit aufmerksam machen. Die Alzheimer-Krankheit ist durch einen niedrigen Insulinspiegel im Blut und eine Insulin-Resistenz im Gehirn gekennzeichnet. Die Beeinträchtigung des zerebrovaskulären Systems, also die Schädigung der Blutgefäße im Gehirn, ist ein weiterer Faktor, der Diabetes und Demenz bestimmt und sie in Zusammenhang bringt.

Wer bereits im mittleren Lebensalter an Diabetes erkrankt ist, hat im Alter ein höheres Risiko für eine Demenzerkrankung. Dies ist für die beiden häufigsten Demenzerkrankungen, die Alzheimer-Krankheit und die vaskuläre Demenz, nachgewiesen. Das Risiko wird durch Faktoren wie Überzuckerung, Insulin-Resistenz und Bluthochdruck verstärkt. Diabetes, gemeinsam mit einem stark erhöhten Blutdruck, steigert ebenfalls das Risiko an vaskulärer Demenz zu erkranken. Insulin-Resistenz erhöht das Alzheimer-Risiko und ist ein Risikofaktor von mehreren, der ausgeschlossen bzw. behandelt werden sollte. Generell gilt: Eine gute Diabetes-Therapie ist immer auch eine wichtige Demenz-Vorbeugung.

V. Oxidativer Stress

„Freie Radikale“ sind kurzlebige, aggressive, Sauerstoff-haltige Verbindungen. Sie stören bestimmte Vorgänge in den Zellen und schädigen Substanzen, Zellmembranen und Zellkerne. Wenn der Körper freie Radikale nicht ausreichend abbauen kann - das passiert vor allem im Alter oder durch Krankheit - spricht man von oxidativem Stress. Das Gehirn verbraucht viel Sauerstoff uns ist deswegen be-sonders anfällig für oxidativen Stress. Freie Radikale spielen bei der Bildung schädlicher Ablagerungen im Gehirn eine Rolle. Da Beta-Amyloid Plaques selbst freie Radikale produzieren, tragen sie zusätzlich zur Erhöhung des oxidativen Stresses bei.

VI. Entzündungen

Wenn sich im Gehirn Beta-Amyloid Plaques bilden, entstehen im Bereich der Plaques Entzündungen. Ob diese Entzündungen ein Teil der Alzheimer-Krankheit sind oder eine Gegenreaktion des Immunsystems, ist noch unklar. Auch wird angenommen, dass Entzündungen im Körper, die über einen langen Zeitraum bestehen, Gehirnzellen zerstören und die Bildung von Plaques und Fibrillen begünst-igen könnten.

Inwiefern entzündungshemmende Medikamente bei Alzheimer eingesetzt werden können, wird derzeit wissenschaftlich geprüft.

VII. Andere Risikofaktoren

Zu weiteren möglichen Risikofaktoren, die derzeit genauer untersucht werden, zählen Kopf-/Hirn-Verletzungen, ein niedriges allgemeines Bildungsniveau, eine Erhöhung autoimmuner Antikörper mit höh-erem Alter und eine Gehirninfektion durch Viren.

! Hoch-aktuelle neue Erkenntnisse !

Eine neue und „heiße“ Spur hinsichtlich eines Auslöse-Faktors für die Demenz vom Alzheimer-Typ/Alzheimer-Demenz könnte aus der Zahn-Heilkunde kommen: Parodontitis [d.i. eine bakteriell bedingte Entzündung, die sich in einer weitgehend irreversiblen Zerstörung des Zahnhalteapparates (Parodontium) zeigt] ist neben anderen Faktoren ein möglicher Auslöser.

Weiter:

Hemmstoffe gegen die Parodontitis sollen „Bakterien permeabilisierende Proteine“ (BPIP) – Gen-Name „BPI – [d.s. Lipid-bindende und porenbildende Proteine; sie sind wichtiger Teil der angeborenen ‚Immun-Antwort‘ auf gram-negative Bakterien. Neben der Bakterien-tötenden Funktion liefert BPIP einmal einen wichtigen Beitrag bei der hochsensitiven Erkennung gram-negativer Bakterien, zum anderen kann es durch die Neutralisation von Lipopolysaccharid die Ausbildung eines septischen Schocks durch eine überschießende Immun-Antwort verhindern. BPIP wird in den Granulae polymorphonukleärer Leukozyten gebildet und ausgeschüttet] regelrecht „schachmatt“ gesetzt werden.

Einige Forschergruppen sehen nämlich im ‚Parotitis-Keim‘ – Porphyronomas gingivalis – einen möglichen Auslöser der neuro-degenerativen Alzheimer-Krankheit.

Neben der Ursachenforschung haben die Forscher gleichzeitig einen ‚innovativen Hemmstoff‘ für den Keim getestet.

Übrigens:

Der Verdacht auf einen (Mit-)Auslöser für die Alzheimer-Demenz im „Mund-Zahn-Bereich“ ist nicht neu. Schon seit 2013 vermuten Forscher einen Auslösefaktor in ‚schlechter Mundhygiene‘, so u.a. Yukio Hirata.

Ein weiteres Mosiak-Steinchen fand Sophie Poole (University of Central Lancashire, Preston):

Sie infizierte Mäuse mit verschiedenen pathogenen Keimen – u.a. Porphyromonas gingivalis – und sie fand bei Kontrolluntersuchungen in nahezu allen Gehirnen der Mäuse „bakterielles Erbgut“. Bei P. gingivalis wurde das Komplement-System aktiviert und es kam zu Schäden an Neuronen (Nervenzellen). Das war noch kein Beweis, dass dies wirklich zu M. Alzheimer führt, es ist aber Beweis dafür, dass Bakterien aus der Mundhöhle tatsächlich das Gehirn erreichen. Diese Befunde wurden bestätigt vom Team um Naoyuki Isida (Matsumoto Dental University, Shiojiri/Japan). Ein weiterer Befund war, dass bei allen Mäusen, die mit P. gingivalis infiziert waren, im Gehirn mehr Beta-Amyloid nachgewiesen wurde! Naoyuki vermutet, dass eine durch P. gingivalis hervorgerufene Parodontitis eine Verstärkung der Beta-Amyloid-Ablagerung im Gehirn bewirkt und so ein Risiko-Faktor für eine Alzheimer-Demenz sein kann.

Bei seinen Forschungen stieß Stephan S. Dominy (University of California, San Franciso und im Biotech-Unternehmen Cortexyme) bei ca. 90% der Gehirne verstorbener Alzheimer-Patienten auf den Keim P. gingivalis und er fand in diesem Bakterium ein Enzym namens „Gingipain“. Es gehört zu den Proteasen (= Eiweiß-spaltende Enzyme). Dominy vermutet, Gingipain wäre in der Lage, körpereigene Zytokine (d.s. „Entzündungs-Botenstoffe“) herunter zu regeln. Diese Zytokine sind aber unerlässlich, damit unser Körper P. gingivalis angreifen kann.

Im Gehirn von Patienten mit durch P. gingivalis-induzierter Parodontose fanden sich hoche „Gingipain-Spiegel“ u.a. mit viel „Tau-Proteinen“.

Letztere führen zu „Tau-Fibrillen“ und diese zählen neben Beta-Amyloid-Plaques zu den pathologisch nachweisbaren Auffälligkeiten be M. Alzheimer!

Außerdem synthetisierten Nervenzellen bei Infektion mit P. gingivalis verstärkt Beta-Amyloid-Proteine. Und zuletzt erwies sich Gingipain als nachweislich „neuro-toxisch“.

In einer weiteren Versuchsreihe gab Dominy den Mäusen einen ‚niedermolekularen Hemmstoff‘; mit dem Resultat, dass 1. die bakterielle Kolonisation im Gehirn zurückging und 2. die Syntheserate von Beta-Amyloid sank und 3. Entzündliche Gehirn-Prozesse gehemmt wurden. Fazit: „Gingipain-Hemmer (Inhibitoren) könnten hilfreich/wirkungsvoll sein für die Therapie der Gehirn-Besiedlung von P. gingivalis und der Neuro-Degeneration bei der Alzheimer-Krankheit.

Zwei Phase-I-Studien des Biotech Unternehmens Cortenzyme mit dem niedermolekularen Gingipain-Hemmer „COR388“ sind seit Januar 2019 abgeschlossen.

Ab Spätherbst 2019 läuft nunmehr bei einem grösseren Klientel eine Phase-II/III-Studie mit einer Laufzeit von 1 Jahr.

Dann sollen die Ergebnisse publiziert werden.

[Quelle: DocCheck Nwes vom 05.02.2019 – Autor: Dipl.Chem. Michael van der Heuvel]

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