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Zwölftes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Die Zeit verging Waltraut wie im Fluge. Ende November reiste der Justizrat ab. Schlüters, Jan und Waltraut begleiteten ihn nach Kandy. Doras Abschied von ihrem Vater war sehr schmerzlich. Der alte Herr musste gleichfalls mühsam um Fassung ringen. Ohne Jan wäre es einfach tragisch geworden. Aber er war mit seinen Späßen bei der Hand und mühte sich, Dora zu beruhigen.

»Sie sehen ja Vater und Mutter schon nächstes Jahr wieder, Frau Dora. Und dann kommt der Herr Justizrat wieder einmal nach Saorda. Dann müssen Sie Ihre Frau Gemahlin mitbringen, Herr Justizrat, Sie haben ja gesehen, dass wir hier allen Komfort haben. Auf dem Dampfer ist immer ein Arzt zugegen, und wir werden dann hier dafür sorgen, dass Ihre Frau Gemahlin einen tüchtigen Arzt vorfindet. Hier in Kandy gibt es gute englische Ärzte. Ich bin überzeugt, dass es Ihrer Frau Gemahlin sehr gut auf Saorda gefallen wird, und denken Sie sich Frau Doras Freude! Also nicht geweint, Frau Dora, wir malen uns aus, wie das Wiedersehen schön sein wird, dann vergessen wir alles Trennungsweh.«

So plauderte Jan, und Waltraut unterstützte ihn. Sie trug dem Justizrat Grüße auf an Vater und Bruder und hatte ihm auch eine Anzahl Fotos mitgegeben, von Saorda und auch von Larina für Doras Mutter. Denn sie hatte noch viele Aufnahmen gemacht. Leider war Mijnheer Werkmeester auf den beiden Aufnahmen absolut nicht zu erkennen, so gut die anderen alle getroffen waren. Dafür schalt Waltraut ihn im Scherze, weil er nicht stillgehalten habe. Sie hatte bei dem nächsten Besuch in Larina verlangt, dass er sich noch einmal aufnehmen lasse, aber er hatte energisch gestreikt.

»Geben Sie es auf, Fräulein Roland, mein Gesicht ist nicht so schön, dass es verewigt werden müsste. Ich sagte Ihnen schon, dass ich eine große Aversion gegen das Fotografieren habe, lieber gehe ich zum Zahnarzt nach Kandy. Und einer muss ja bei den Gesamtaufnahmen doch immer knipsen.«

»Aber gestatten Sie mir wenigstens, dass ich von Ihnen eine Separataufnahme mache«, bat Waltraut.

Er zog die Stirne kraus.

»Nein, bitte, quälen Sie mich nicht«, sagte er fast schroff.

Da sah sie ein, dass sie ablassen müsse, zumal ihr Jan heimlich ein Zeichen machte, nicht in den Vater zu dringen. Und als er dann einen Moment mit ihr allein war, sagte er: »Seien Sie nicht traurig, Fräulein Roland, dass Vater Ihnen nicht vor die Linse will. Ich werde ihn gelegentlich einmal heimlich knipsen und Ihnen dann das Bild schenken, damit Sie sich an seinen interessanten Zügen erfreuen können.«

Sie hatte ihm freudig zugenickt.

»Oh, das ist lieb von Ihnen. Ich möchte sein Bild nicht unter meinen Erinnerungen missen, wenn ich hier fortgehen werde. Er ist ein so lieber alter Herr!«

Jan warf sich in die Brust.

»Bei so einem Sohne? Also, ich verspreche Ihnen, ehe Sie von Saorda abreisen, bekommen Sie eine gute Aufnahme von meinem Vater, und wenn ich ihn mit dem Apparat beschleichen sollte wie ein Indianer auf dem Kriegspfad. Im Übrigen würde ich an Ihrer Stelle nicht so zuversichtlich von der Abreise sprechen.«

Sie seufzte ein wenig.

»Eines Tages wird es ja doch sein müssen.«

Ihr Seufzer freute ihn sehr, und er sagte:

»Kein Mensch muss müssen.«

Sie war nicht weiter darauf eingegangen.

Nun war der Abschied von dem Justizrat überstanden, der Zug fuhr davon, nach Colombo hinab. Dora weinte noch ein wenig, aber Harry, Jan und Waltraut suchten sie zu beruhigen und abzulenken. Sie fasste sich endlich und ließ sich von ihrem Gatten die letzten Tränen fortküssen.

Man begab sich in das Hotel, wo man auf zwei Tage Wohnung genommen hatte. Man speiste inmitten einer großen Gesellschaft, amüsierte sich über eine Truppe Amerikaner, die sich hier versammelt hatte und im Fluge alles Sehenswerte in sich aufzunehmen suchte und immer wieder versicherte, dass sie alles charming, beautiful und wonderful fand, ohne aber nur etwas richtig anzusehen. Es genügte ihnen, dass sie versichern konnten, auf Ceylon gewesen zu sein und alles gesehen zu haben.

Nach dem Tee wurde im Hotel getanzt, danach wurde ein Kino besucht und endlich wieder im Hotel gespeist. Was an Lustbarkeiten erreichbar war, wurde genossen, und die Stimmung der beiden jungen Paare ließ nichts zu wünschen übrig. Jan wurde ein wenig eifersüchtig, weil alle Herren Waltraut mit großem Interesse ansahen und sich mehr oder minder diskret auf ihre goldene Haarfarbe aufmerksam machten. Eine blonde Schönheit war hier selten.

Wie gesagt, man genoss die internationale Geselligkeit mit Eifer und Hingabe, aber als die beiden Tage vorüber waren, freuten sich alle sehr, nach Saorda zurückzukommen.

Der Dezember verging sehr schnell, denn man war allerseits mit geheimnisvollen Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt. Hauptsächlich die beiden Herren waren von einer Wichtigtuerei, die sehr drollig wirkte.

Und sie hatten wirklich ein reizendes, stimmungsvolles Fest arrangiert, an dem auch Hendrik Werkmeester teilnehmen musste.

Jan leitete das Weihnachtsfest ein, indem er tatsächlich auf Jumbo angeritten kam und trotz der Hitze in einen Pelz gehüllt war. Jumbo wurde dicht an die Veranda herangeritten, und dann musste er mit seinem Rüssel den beiden Damen allerlei geheimnisvolle Pakete überreichen, was sehr viel Vergnügen bereitete.

»Wenn ich jetzt aber nicht den Pelz loswerde und mich unter kaltes Wasser setzen kann, werde ich meinen Geist aufgeben«, sagte Jan schließlich lachend.

Es wurde ihm gestattet, und dann begann die richtige Feier mit Weihnachtsliedern und Kerzenglanz.

Von Waltrauts Vater waren verschiedene Briefe gekommen, und sie hatte dem Vater auch regelmäßig Nachricht gegeben. Schmerzlich empfand sie, dass die Post so lange hin und her brauchte, weil Rudolfs Anwort so lange ausbleiben würde.

Zu einem längeren Alleinsein mit Jan ließ es Waltraut nicht mehr kommen, sie konnten nur wenige Worte wechseln, die von den andern nicht gehört wurden. Aber jeder Blick, jeder Atemzug Jans war ein heimlich stilles Werben um Waltrauts Liebe. Sie fühlte das sehr wohl, und es trieb ihr immer wieder Tränen in die Augen, wenn sie ihn mit ihrer Zurückhaltung quälen musste. Sie zählte die Tage, bis Rudolfs Antwort eintraf.

Eines Tages, es war schon Ende Januar geworden, ohne dass Rudolfs Nachricht eingetroffen war, blieb Waltraut allein zu Hause, während Schlüters in das Eingeborenendorf fuhren, um bei einer Hochzeit als Ehrengäste zu fungieren. Das gehörte mit zu ihren Pflichten ihren Arbeitern gegenüber, und solche Pflichten durften nicht versäumt werden. Waltraut hatten sie aber nicht mitnehmen wollen, weil es durchaus kein Vernügen, sondern eine Strapaze war, so ein Fest mitzufeiern. Waltraut hatte auch von ihren verschiedenen Besuchen im Dorfe genug. Schon wenn das Auto der Herrschaft von Weitem zu sehen war, schrien sich die Frauen zu:

»Kubbardar! Mem Sahib! Ap ki kuski!« (Achtung, die Herrin! Der Wille des Beschützers der Armen geschehe.)

Damit machten sie sich darauf aufmerksam, dass die Herrin die Pflicht habe, sie zu beschenken. Und Frauen und Kinder hängten sich dann wie die Kletten an die Mem Sahib.

Waltraut hatte keine Lust gehabt, Schlüters zu begleiten. Sie wollte sich gern einmal ungestört in die Lektüre von Büchern vertiefen, die der Vater ihr gesandt hatte. Und so hatte sie sich, nachdem Schlüters abgefahren waren, auf die schattige Veranda in einen Liegestuhl niedergelassen. Schatten war jetzt auf der Seite, die dem Eingang des Bungalows gegenüberlag. Waltraut vertiefte sich in ein Buch, aber da es sehr heiß war und eine lautlose Stille um sie herrschte, wurde sie müde. Sie ließ das Buch in den Schoß sinken und schlief ein. Da sie an der Rückseite des Bungalows saß, merkte sie nicht, dass etwa eine Stunde, nachdem Schlüters fortgefahren waren, ein Auto vorfuhr. Jan hatte am Tage vorher zufällig vernommen, dass Schlüters zur Hochzeit ins Eingeborenendorf fahren wollten und dass Waltraut zu Hause bleiben würde. Er hatte sich den Anschein gegeben, das nicht zu hören, beschloss aber sofort, diese Gelegenheit zu ergreifen, um Waltraut endlich einmal ganz allein und ungestört sprechen zu können. Seine Liebe zu Waltraut war so übermächtig geworden, dass er es nicht länger ertragen konnte, ihr zu begegnen, ohne davon sprechen zu dürfen.

Ein Diener, der sich die Abwesenheit der Herrschaft zunutze machte, um am Eingang des Bungalows ein Schläfchen zu machen, und nun gestört worden war, nahm ihn in Empfang und sagte bedauernd:

»Mem Sahib darwaza bund.« (Die Herrin ist nicht zu sprechen.)

»Warum nicht?«, fragte Jan, scheinbar ahnungslos, dass Schlüters nicht zugegen waren.

»Mem Sahib und Sahib sind ins Dorf zur Hochzeit.«

Jan schlug sich leicht an die Stirn.

»Ah, da werde ich lange warten müssen, bis sie wiederkommen. Aber die junge Sahiba ist doch zu Hause?«

»Ja, Sahib, sie befindet sich auf der Veranda hinter dem Hause und liest, ich werde Sahib melden.«

Jan hielt ihn fest.

»Störe die Sahiba nicht, ich will mich erst durch ein Bad erfrischen. Du kannst dann meine Sachen vom Staub reinigen lassen. Ich kleide mich um und melde mich dann selbst bei der Sahiba, wenn ich fertig bin.«

»Es wird geschehen, wie du befiehlst, Sahib.«

Jan beeilte sich nun, aus seinen staubigen Kleidern herauszukommen, sich zu erfrischen und in den Anzug zu schlüpfen, der in Saorda immer für ihn bereitlag.

In weißen Hosen und einem Hemd begab er sich dann auf die Veranda hinter dem Hause. Er vermied, großes Geräusch zu machen, weil er Waltraut überraschen wollte, und sah beim Heraustreten, dass sie schlummerte. Er wagte nicht, sie zu wecken, konnte es sich aber nicht versagen, sich ungestört in ihren Anblick zu vertiefen. Leise ließ er sich in einiger Entfernung von ihr nieder und betrachtete sie voll inniger Liebe. Wie ein friedlich schlummerndes Kind lag sie da. Wie schön und hold sie war in dieser wohligen Aufgelöstheit des Schlummers. Ein leises Rot lag auf ihren Wangen, und die langen Wimpern, die etwas dunkler als ihr Haar waren, breiteten sich wie zarte Halbmonde über ihren Augen aus. Ruhig hob und senkte sich ihre Brust. Auf ihrem Schoß lag das Buch, in dem sie gelesen hatte, die eine Hand ruhte auf dem Buch, während die andere schlaff herabgesunken war.

Es musste aber doch wohl eine magnetische Kraft in seinen Blicken liegen, denn nach einer Weile wurde Waltrauts Schlummer unruhiger, und dann schlug sie die Augen auf, obwohl ringsum feierliche Stille herrschte. Sie sah auf Jan, als sei er eine Traumgestalt, und lächelte ihm, noch vom Schlaf befangen, zu, wie sie ihn noch nie angelächelt hatte. Der Wirklichkeit noch nicht bewusst, schloss sie die Augen noch einmal, als wolle sie weiterschlafen, aber plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie wachte und dass da drüben wirklich Jan Werkmeester saß. Sie richtete sich nun mit einem Ruck aus ihrer halbliegenden Stellung auf.

»Mijnheer Werkmeester? Sind Sie das wirklich? Wie kommen Sie hierher?«, fragte sie verwirrt.

Er erhob sich und trat zu ihr heran.

»Wie immer, in meinem Auto«, sagte er lächelnd. »Ich hörte erstaunt, dass Schlüters nicht zu Hause seien und dass Sie hier bei Ihrer Lektüre sitzen. Ich wollte Ihnen Gesellschaft leisten, bis Harry und Frau Dora wiederkommen, und fand Sie schlummernd. Da wollte ich nicht stören und setzte mich ruhig hierher. Anscheinend habe ich Sie aber doch gestört.«

Sie strich sich das Haar aus der Stirn.

»Wahrhaftig, ich bin am hellen Tage ganz fest eingeschlafen. Das ist mir noch nie geschehen.«

»In den Tropen sollten auch junge Menschen nach Tisch eine Siesta halten.«

»Ja, Dora und ich ruhen auch jeden Tag nach Tisch, weil Harry Schlüter das unbedingt will, aber wir schlafen nie. Heute ist es das erste Mal geschehen.«

»Bei dieser Stille kein Wunder. Sie werden mir nun böse sein, dass ich Sie gestört habe.«

»Sie haben mich ja nicht gestört, ich wachte von selber auf. Lange kann ich übrigens nicht geschlafen haben. Wie spät ist es?«

Er sah auf seine Armbanduhr.

»Noch nicht vier Uhr.«

»Oh, da sind Sie heute zeitig da, und Sie werden mindestens noch eine Stunde warten müssen, bis Schlüters wieder nach Hause kommen. Zum Tee wollten sie wieder da sein. Sie sind ins Dorf, um eine Hochzeit mitfeiern zu helfen. Wir haben Sie heute gar nicht erwartet, da Sie doch gestern hier waren.«

Und sie sah etwas unruhig an seiner hohen Gestalt empor, die in dem leichten Anzug so wundervoll zur Geltung kam.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«, bat er.

»Bitte!«

Er ließ sich ihr gegenüber nieder, und nun merkte sie sehr wohl, dass er nicht so ruhig war, wie er scheinen wollte. Das übertrug sich natürlich auf sie, und sie plauderte mit einer etwas nervösen Hast, als wolle sie verhindern, dass er etwas zu Worte kommen ließ, was sie doch um jeden Preis noch verschieben wollte.

Eine Weile tat ihr Jan den Gefallen, auf die belanglosen Themen, die sie anschlug, einzugehen, aber er hatte nicht Lust, diese seltene Gelegenheit zu verpassen. Plötzlich beugte er sich vor und fasste ihre Hand.

»Ich will ganz ehrlich sein, Fräulein Waltraut, ich habe gewusst, dass Schlüters nicht zu Hause sind, und gerade deshalb bin ich gekommen.«

Sie machte eine Bewegung, als wolle sie sich erheben und entfliehen, aber er hielt ihre Hand fest.

»Sie dürfen mich jetzt nicht verlassen«, sagte er ernst und dringlich, »Sie müssen doch wissen, begreifen, dass ich nicht länger so wie bisher mit Ihnen verkehren kann. Das geht über meine Kraft. Sie müssen doch wissen, Waltraut, wie es in mir aussieht. Ich liebe Sie, ich liebe Sie über alle Maßen und –«

Mit einem Satz war sie aufgesprungen und stand bebend und zitternd vor ihm, die Hände auf das wild klopfende Herz gepresst.

»Nicht weiter, o bitte, nicht weiter. Kein Wort darf ich mehr hören. Ich weiß ja alles, was Sie sagen wollen, o mein Gott, ja, ich weiß es. Aber ich darf Sie nicht anhören, bin Ihnen deshalb immer ausgewichen, ach, hätten Sie doch nicht gesprochen!«

Und sie sank in ihren Sessel zurück und barg das Gesicht aufschluchzend in den Händen. Er war sehr blass geworden und sah erregt zu ihr hinüber.

»Waltraut, warum soll ich nicht sprechen von dem, was in meiner Seele lebt und was ich auch in Ihren Augen lesen durfte. Weshalb gebieten Sie mir Schweigen?«

Sie ließ die Hände sinken und wandte ihm ihr blasses Gesicht zu. Ihre Augen blickten matt und erloschen.

»Das muss ich Ihnen nun sagen, Jan Werkmeester, und es wird mir weh tun, weil ich auch Ihnen weh tun muss. Ich darf Sie nicht anhören, weil ich verlobt bin.«

Als hätte der Blitz vor ihm eingeschlagen, so saß er da und starrte sie an. Wie im Krampf biss er die Zähne zusammen, und die Muskeln seines Gesichts zuckten. So saß er eine Weile, fassungslos, völlig verstört. Endlich rang es sich über seine Lippen:

»Sie, Sie sind verlobt – gehören einem andern – und sehen mich doch noch immer an, wie sonst – als gehöre Ihr Herz nur mir – mir?«

Sie presste die Hände zusammen.

»O Jan, ich bitte Sie, verurteilen Sie mich nicht, ehe Sie nicht alles gehört haben. Meine Augen haben nicht gelogen, ja, ja, ich liebe Sie, nur Sie, Jan, habe Sie geliebt vom ersten Augenblick an, da ich Sie auf dem Dampfer sah. Ja, ich liebe Sie, und der Mann, dem ich verlobt wurde, gegen meinen Willen, ist mein Pflegebruder Rudolf. Sie müssen jetzt alles hören, Jan.«

Und mit bebender Stimme erzählte sie ihm von dem Wunsch ihres Vaters und von seinem Gelübde, dass sie die Frau des Sohnes seines Freundes werden solle.

»So kam es, Jan, dass ich einwilligte, Rudolfs Frau zu werden, um meinem Vater zu helfen, sein Gelübde zu erfüllen. Wir haben immer nur wie Geschwister zueinander gestanden, der Wunsch meines Vaters überraschte uns, sodass wir gar nicht dazu kamen, ruhig zu überlegen. Ich kannte auch damals keinen Mann, der mir lieber gewesen wäre als mein Bruder Rudolf. Ich glaubte, wenn ich nur Zeit hätte, mich an den Gedanken zu gewöhnen, würde ich ihm doch eines Tages als Frau angehören können. Ich wusste ja nicht, was Liebe ist. Aber ich bat meinen Vater, mir ein Jahr Urlaub zu geben, damit wir, Rudolf und ich, uns erst anders zueinander einstellen könnten. Auch Rudolf wünschte das; denn auch er stand Vaters Wunsch fassungslos gegenüber, sah er doch in mir nur die Schwester, wie ich in ihm nur den Bruder sah. So reiste ich ab, Jan, mit dem festen Wunsch, meinem Vater zu helfen, sein Gelübde zu halten, und überzeugt, dass mein Geschick in keines Mannes Händen besser aufgehoben sein könne als in denen meines Bruders, dessen wertvollen Charakter ich kenne. Ich ahnte nicht, weil ich die Liebe nicht kannte, was ich mir aufgebürdet hatte. Aber es wurde mir bald klar. Sobald ich Sie kennenlernte, erwachte in mir das Bewusstsein, dass es unmöglich für mich sei, Rudolfs Frau zu werden, denn ich habe Sie geliebt, Jan, vom ersten Sehen an, und diese Liebe machte mir klar, was ich auf mich genommen hatte. Ich wehrte mich erst gegen diese Liebe – aber je mehr ich mich wehrte, desto lieber wurden Sie mir. Und als ich erst erkannte, dass Sie mich wiederliebten, da wurde der Wunsch in mir wach, mich von den Fesseln zu lösen, die man mir übergestreift hatte. Oft schon wollte ich Ihnen sagen, dass ich gebunden sei, aber ich brachte es nicht übers Herz, weil ich fühlte, dass ich Ihnen weh tun musste. Bitte, bitte, sagen Sie mir, dass Sie mir nicht zürnen, Jan.«

Er hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und sein Gesicht in den Händen vergraben. So blieb er lange sitzen. Endlich hob er das Gesicht, und sie erschrak, wie sehr es verändert war.

»Ja, Sie haben mir wehgetan, Waltraut, furchtbar weh, obgleich es so süß ist, von Ihnen zu hören, dass Sie mich lieben. Aber was hilft mir das? Wohin soll ich mit all meiner Liebe, wenn Sie nicht meine Frau werden können?«

Sie fasste zaghaft seine Hand.

»Jan, ich werde nie einem anderen Manne angehören als Ihnen«, sagte sie fest und ruhig.

Er sah sie an in tiefer Unruhe.

»Waltraut?«

Ein leises Hoffen lag in diesem Wort.

Sie atmete tief auf.

»Hören Sie weiter, Jan. Ich habe Rudolf geschrieben, schon nachdem ich etwa eine Woche hier war. Alles habe ich ihm vertrauensvoll gebeichtet, dass ich einen andern liebe und nun, da ich wisse, dass ich nie seine Frau werden könne. Auch wenn der andere mich nicht wiederliebte, könnte ich es nicht, nun, da ich wisse, was Liebe sei. Ich habe ihn gebeten, mich freizugeben und mir sofort zu antworten. Ich hoffte, Sie am Sprechen zu hindern, Jan, bis ich seine Antwort habe. Aber ich weiß, Rudolf wird nicht wollen, dass ich leide. Immer habe ich mich mit allen meinen kleinen Nöten zu ihm geflüchtet, er ist so gut, und er wird mich gewiss auch diesmal nicht im Stich lassen.«

»Aber er muss mit Ihnen, wie ich es übersehe, ein großes Erbe aufgeben«, sagte Jan bedenklich.

Sie lächelte leise.

»Oh, Sie kennen Rudolf nicht, das kommt bei ihm nie in Frage. Nein, nein, er wird mir helfen. Ich weiß ja auch, dass ich ihm im Herzen nicht weh tun werde, denn auch er hat nur eingewilligt, um Vater zu helfen, dem er so viel Dank schuldig ist. Und jedenfalls weiß ich, dass ich nie eines anderen Mannes Frau werden kann, Jan, dazu liebe ich Sie zu sehr.«

Dabei sah sie ihn mit so innigem Ausdruck an, dass er ihr glauben musste. Er fasste ihre Hände und legte sein Gesicht hinein, küsste ihre Handflächen wieder und wieder und sah sie dann voll Zärtlichkeit an.

»Ich weiß jetzt nur eines, Waltraut, dass Sie meine Frau werden müssen, wenn wir nicht beide unglücklich werden sollen.«

Sie erzitterte unter seinem Blicke.

»Ach, Jan, einen anderen Wunsch kenne ich nicht. Aber Sie müssen Geduld haben, Sie dürfen meines Vaters Gelübde nicht vergessen. Es wird nicht leicht sein, Vater klarzumachen, dass dieses Gelübde unerfüllt bleiben muss. Das wird noch Kämpfe kosten. Aber wenn ich nur erst Rudolf an meiner Seite weiß, dann werden wir Vater doch vielleicht dazu bringen, dass er mir seine Einwilligung zu einer Verbindung mit Ihnen gibt. Denn ohne meines Vaters Segen, Jan, nein, das darf nicht sein.«

Und sie barg ihr Gesicht wieder in den Händen.

Er streichelte ihr Köpfchen, war schon glücklich, dass sie es sich gefallen ließ und dass nach der ersten, furchtbaren Enttäuschung doch eine Hoffnung blieb, sie sich zu erringen.

Entschlossen richtete er sich auf.

»Ihr Vater muss uns seinen Segen geben, Waltraut. Wenn es sein muss, werde ich nach Deutschland reisen und ihm sagen, wie unglücklich er uns beide machen würde, wenn er auf seinem Willen bestehen wollte. Ich werde ihm mitteilen, dass Sie keinesfalls die Frau Ihres Pflegebruders werden. Dann muss er einsehen, dass er sein Gelübde nicht halten kann. Wie kann überhaupt das Gelübde Ihres Vaters für Sie bindend sein? Ein Mensch kann wohl ein Gelübde ablegen und sich selber dadurch gebunden fühlen, aber doch nicht eines, das ein anderer Mensch für ihn erfüllen müsste.«

»Sie haben recht, Jan. Aber mein Vater muss seinen Jugendfreund sehr geliebt haben. Hat er doch deshalb Rudolf an sein Herz genommen, dass mir oft schien, als hätte er ihn lieber als mich, sein eigenes Kind.«

Jan sah eine Weile sinnend vor sich hin. Dann nahm er wieder Waltrauts Hände in die seinen und sah sie mit zärtlichem Blick an.

»Wie Sie mich erschreckt haben, Waltraut, als Sie mir sagten, dass Sie mit einem andern verlobt sind. Nun bin ich viel zuversichtlicher, und die Hauptsache für mich ist, dass ich weiß, Sie lieben mich. Ich denke nicht daran, Sie aufzugeben. Sie müssen meine Frau werden, und wenn ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen sollte.«

Ein mattes Lächeln huschte um ihren Mund.

»Ich bin von Herzen froh, dass Sie nun alles wissen und dass ich Ihnen nicht noch weher tun musste, als es schon geschehen ist.«

Er presste seine Lippen auf ihre Hände, wieder und wieder.

»Du liebst mich, du liebst mich, das ist so viel Seligkeit für mich, dafür nehme ich auch gern einige Schmerzen mit in Kauf.«

Sie ließ ihm ihre Hände.

»Nur ein wenig Geduld noch, Jan, nur bis ich Antwort von Rudolf habe. Dann wollen wir weiter darüber sprechen, was wir tun müssen. Rudolfs Antwort muss bald eintreffen, ich erwarte sie jeden Tag. Bitte, nur wenige Tage noch Geduld.«

Er sah sie mit einem brennenden Blick an.

»Geduld? Ach, Waltraut, das ist nie meine Stärke gewesen, Geduld? Diese Augen haben mir gesagt, dass Sie mich lieben, lange schon, ehe es der Mund aussprach, und ich darf sie nicht küssen. Dieses ganze holde, liebe Geschöpf ist mein, mit jedem Atemzug, und ich darf es nicht in meine Arme nehmen. Sind das nicht Tantalusqualen?«

Unter Tränen lächelnd strich sie leise und zaghaft über seinen Kopf.

»Ich bin nur eine schwache Frau, Jan, und muss dieselben Tantalusqualen ertragen. Sollte ein starker Mann dazu nicht imstande sein?«

Er sprang auf und ging einige Schritte von ihr fort.

»Ach ihr Frauen, ihr seid so stark im Dulden und Entsagen. Wir nicht – wir nicht! Muss ich mich darauf beschränken, dich anzusehen, während ich mich doch in Sehnsucht nach dir verzehre?«

Sie hob bittend die Hände zu ihm auf.

»Jan!«

Da kam er wieder heran, ließ sich in seinen Sessel nieder und barg das Gesicht in ihren Händen.

»Liebe, süße, schöne Frau! Ich bin ja schon wieder ruhig. Du machst mit mir, was du willst, wenn du mich so ansiehst.«

Wieder strich sie leise und sanft über seinen Kopf. Er hielt ganz still, und als sie ihre Hand fortzog, bat er:

»Tue das noch einmal und sage mir: Ich liebe dich, Jan!«

Sie streichelte nochmals über sein Haar und sagte mit tiefer Innigkeit:

»Ich liebe dich, Jan, liebe dich von ganzem Herzen und von ganzer Seele und werde nie einem andern angehören, das gelobe ich dir.«

Da hielt er ganz still und sah sie zärtlich an.

»Das ist doch wenigstens ein kleiner Trost.«

»Sag das nicht, Jan. Ist es nicht schön, wunderschön, dass wir nun wissen, dass wir uns lieben? Muss uns das nicht stark machen, alle Hindernisse zu besiegen?«

Er warf den Kopf zurück.

»Ja, wenn ich nur erst gegen diese Hindernisse anrennen kann, dann wird mir wohler sein. Sag mir nur, was wir jetzt tun wollen, tun können?«

»Erst muss ich Rudolfs Brief abwarten. Dann, wenn ich weiß, dass er mich freigibt, werden wir weitere Pläne machen. Du hörst sofort von mir, wenn diese Nachricht eingetroffen ist.«

»Aber wie? Sollen wir Schlüters einweihen?«

Sie überlegte und schüttelte dann den Kopf.

»Nein, Jan, ich darf sie nicht in die Lage versetzen, dass sie uns gegen meines Vaters Willen helfen. Sie würden es tun, aber es würde ihnen peinlich sein, weil Vater mich doch ihrem Schutze anvertraute. Dora würde sich darüber hinwegsetzen, mir zuliebe, aber Harry Schlüter hat so viel Verantwortungsgefühl, und ich möchte ihn damit nicht in einen Zwiespalt bringen, solange ich es vermeiden kann. Lass mich den Zeitpunkt bestimmen, wo wir sie einweihen werden. Sag doch, wann kann die nächste Post aus Europa hier sein?«

Jan zog ein kleines Notizbuch hervor und blätterte darin.

»Übermorgen kommt die nächste Post.«

Waltraut seufzte.

»Wenn sie mir doch meine Freiheit brächte. Nur erst wieder frei sein, dann werde ich alles leichter ertragen. Ich hoffe, dass Rudolf sofort geantwortet hat.«

»Ich werde übermorgen wiederkommen und die Post für Saorda aus dem Dak-Bungalow (Posthaus) mit heraufbringen. Hoffentlich kann ich dir den erwarteten Brief mitbringen.«

»Wenn nicht, dann müssen wir bis zur nächsten Post warten, die ihn dann bestimmt bringen wird.«

»Aber wie verständigen wir uns, wenn Schlüters nicht eingeweiht werden sollen?«

Waltraut strich sich über die Stirn.

»Wir werden schon Gelegenheit haben, allein miteinander zu sprechen, wenn ich dir nicht mehr absichtlich ausweiche.«

Mit zärtlichem Vorwurf sah er sie an.

»Ja, das hast du oft getan, ich habe es bemerkt und war darüber oft ganz verzweifelt.«

»Nun weißt du, warum ich es tat. Wäre es mir nur noch kurze Zeit gelungen, dann hätte ich dir nicht so weh tun müssen. Darum allein wich ich dir aus.«

Er presste seine Lippen auf ihre Hand, die einzige Zärtlichkeit, die er sich erlaubte, da sie noch nicht frei war.

»Du! Liebe, Süße, ich ertrug es ja nicht mehr, dass du mir auswichest. Wenn es auch ein wenig wehgetan hat, nun weiß ich doch, dass du mich liebst. Ich konnte nicht länger warten, obwohl auch mein Vater mir immer wieder predigte, ich solle dir Zeit lassen.«

Überrascht sah sie ihn an.

»Dein Vater weiß!«

»Dass ich dich liebe und dich zu meiner Frau machen will, ja, das weiß er, seit ich heimgekommen bin.«

»Und wie stellt er sich dazu?«

Er lachte ein wenig.

»Nun, ich denke, du hast gemerkt, wie viel du ihm bedeutest. Aber ein wenig wunderlich ist er auch in dieser Beziehung. Zuweilen redet er mir zu, mir mein Glück zu sichern, zuweilen bittet er mich, noch zu warten. Ich soll dir Zeit lassen, ihm Zeit lassen. Aber an dem Tage, an dem er dich kennengelernt hatte, sagte er mir: ›Die halte dir fest, mein Sohn, und wenn es eine Welt voll Hindernisse geben würde, die halte dir fest.‹«

Waltraut lächelte gerührt.

»Wie lieb von ihm. Ach, Jan, Hindernisse wird es leider genug geben.«

»Aber ich werde tun, was mein Vater mir geraten hat, festhalten, ganz fest und allen Hindernissen zum Trotz.«

Sie sprachen noch über mancherlei, berieten dies und das und hatten sich wenigstens leidlich gefasst, als Schlüters nach Hause kamen. Jan ging ihnen scheinbar unbefangen entgegen.

»Ich warte auf den Tee, Frau Dora, aber ich werde mich gedulden, bis Sie sich erfrischt und ein wenig von der anstrengenden Hochzeitsfeier erholt haben.«

»Das müssen Sie auch, Jan. Sie wissen ja, was so eine Hochzeit auf sich hat. Puh, war das ein Lärm! Und diese Umständlichkeiten, bis der Mann endlich zu seiner Frau kam. Ihr habt es doch bedeutend leichter, Ihr Europäer. So viele Prüfungen würde bei uns mancher Mann nicht aushalten, ohne davonzulaufen und seine Braut ihrem Schicksal zu überlassen.«

»Ich danke, mir genügen die Schwierigkeiten, bis ich mal zu einer Frau komme, vollkommen«, meinte Jan, der nun seine gute Laune wiedergefunden hatte.

Dora warf einen schnellen, prüfenden Seitenblick auf Jan und Waltraut. Sie sagte aber nichts, erzählte nur, dass die Frauen im Dorfe sie bald vor Begeisterung über die gestifteten Hochzeitsgeschenke in Stücke gerissen hätten.

»Harry musste mich buchstäblich auf seinen Armen aus dem Gewühl tragen«, sagte sie lachend und ging davon, um sich umzukleiden.

Als sie dann sauber und erfrischt wieder erschien, sagte sie lachend: »Wie haben wir es hier oben schön und friedlich! Jetzt bin ich wieder Mensch. Und mein Harry sieht auch wieder ganz menschlich aus. Aber sagen Sie, Jan, wann sind Sie denn gekommen?«

Er machte ein harmloses Gesicht.

»Eine Viertelstunde warte ich sicherlich schon. Zu meinem Erstaunen fand ich keinen Menschen hier zu Hause, und Fräulein Roland, die ich endlich auf der hinteren Veranda entdeckte, war über ihrer Lektüre eingeschlafen. Was sollte ich tun als wohlerzogener junger Mann? Ich setzte mich bescheiden in respektvoller Entfernung nieder und bewachte ihren Schlummer. Als euer Auto hupte, wachte sie endlich auf und sah mich sehr erstaunt und durchaus nicht besonders gastfreundlich an.«

Waltraut wurde bei diesen seelenruhig hervorgebrachten Unwahrheiten ein wenig rot, flüchtete sich aber gleichfalls hinter einen Neckton und sagte:

»Ich habe meines Wissens hier weder ein Recht noch eine Pflicht, Gastfreundschaft zu üben.«

Dora hatte Waltrauts Erröten aber doch bemerkt und dachte sich ihr Teil. Aber sie sagte nichts. In Liebesangelegenheiten muss man zart und diskret sein, damit man nichts verdirbt. Und sie wollte doch so gern die Freundin hierbehalten.

Harry sah Jan kopfschüttelnd an.

»Ich hatte keine Ahnung, dass du heute kommen würdest. Du weißt doch, dass es unten im Dorf eine Hochzeit gab und dass man da nicht fernbleiben darf.«

Jan zuckte gemütsruhig die Achseln.

»Daran habe ich natürlich nicht gedacht. Ihr hättet mir gestern etwas davon sagen können.«

»Wir dachten doch nicht, dass du heute schon wieder kämest.«

Jan sah anklagend zum Himmel.

»Schon wieder? Das nennst du vielleicht Gastfreundschaft? Durch dieses ›Schon wieder‹ fühle ich mich direkt an die Luft gesetzt. Fräulein Roland, ich bewundere Ihren Mut, dass Sie ein Jahr lang bei diesen Leuten bleiben wollen.«

»Du, vergraule mir meine Gäste nicht«, drohte Harry lachend.

»Nun, jedenfalls wird mir dein ›Schon wieder‹ noch nächtelang in den Ohren klingen.«

»Was dich aber hoffentlich nicht hindern wird, bald wiederzukommen.«

»Das tue ich nur, um deiner Frau das Herz nicht zu brechen.«

Lachend legte Dora die Hand aufs Herz:

»Brich, o Herz, was liegt daran«, deklamierte sie pathetisch.

Jan wandte sich lachend an Waltraut:

»Was sagen Sie zu dieser gastfreundlichen Familie, Fräulein Roland? Wollen Sie nicht lieber Ihre Koffer packen, ehe es Ihnen geht wie mir, und lieber nach Larina übersiedeln?«

Waltraut errötete unter seinem Blick, der ihr heimlich viel Liebes und Süßes sagte, und erwiderte lachend:

»Es gefällt mir sehr gut hier in Saorda.«

Jan nickte in scheinbar düsterer Ergebung.

»Das ist ja eben das Elend, man fühlt sich zu wohl hier, würde ich sonst fast täglich den weiten Weg zurücklegen, um einige Stunden hier verbringen zu können?«

»Lass uns nicht weich werden, Jan. Ich kann Rührung nicht vertragen, und es rührt mich, dass du so anhänglich bist.«

So flogen wie gewöhnlich die Neckereien hin und her. Auch Waltraut beteiligte sich, freieren Herzens als sonst, daran. Wenn auch die beiden Liebenden durchaus nicht beruhigt sein konnten über das Schicksal ihrer Liebe, so wussten sie nun doch, dass sie alles gemeinsam tragen würden und dass sie einander liebten.

Als Jan sich an diesem Tage verabschiedete, sagte er wie beiläufig: »Übermorgen komme ich wieder und bringe gleich die Post mit herauf. Frau Dora kann doch schon Nachricht über die Heimkehr ihres Vaters erwarten.«

Dora zuckte die Achseln.

»Ich glaube, mit dieser Post noch nicht, Jan, aber es ist natürlich sehr lieb, wenn Sie die Post mit heraufbringen. Dann brauchen wir nicht zu dem Dak-Bungalow extra hinunterzuschicken.«

Jan sah Waltraut noch einmal bedeutungsvoll an, als er sich von ihr verabschiedete.

Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil III)

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