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Zwanzigstes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Die beiden Jugendfreunde saßen oben in Hendrik Werkmeesters Zimmer zusammen. Jans Vater war rastlos auf und ab gelaufen, bis Georg Roland zu ihm eingetreten war. Starr und steif blieb er da mitten im Zimmer stehen und sah dem Eintretenden entgegen. Wortlos sahen sich die beiden Freunde an, und dann streckten sie zu gleicher Zeit die Hände nacheinander aus und hielten sich fest, Auge in Auge verharrend.

Lange waren sie beide nicht fähig, ein Wort zu reden, hielten sich nur krampfhaft fest und kämpften mit ihrer Bewegung. Endlich rang es sich über Georg Rolands Lippen:

»Dass du lebst, Heinrich, dass du lebst, ist eine Gnade des Himmels für mich.«

»Und dass du mich bei den Händen hältst und mich nicht voll Verachtung von dir stößt, das ist für mich ein Gnadengeschenk, Georg!«

»Wie sollte ich dich verachten, Heinrich? In der Not, in der du dich damals befandest, hätte wahrscheinlich auch ich getan, was du tatest. Leider war ich ja nicht da, um dir helfen zu können. Ich habe längst um diese deine Schuld gewusst und habe sie getilgt, damit dein Name rein bliebe für deinen Sohn.«

»Das danke ich dir mit jedem Atemzug, ich wusste, ahnte wenigstens, dass du meine Verfehlung gedeckt hattest. Und als ich die ersten zwanzigtausend Mark zusammenhatte, legte ich sie für dich an, mit Zins und Zinseszins, die Summe hat sich inzwischen fast verdreifacht, sie sollte nach meinem Tode dir oder deinen Erben zufallen. Nun kann ich sie dir noch bei Lebzeiten zurückerstatten.«

»Wenn es dich entlasten wird, mag es geschehen, ich habe sie längst verschmerzt.«

»Ich werde auch ohnedies ewig dein Schuldner bleiben, da du meinem Sohn ein Vater warst und ihn zu einem tüchtigen Mann erzogen hast.«

»Diese Tat trug ihren Lohn in sich selbst. Ich liebe Rudolf wie ein eigenes Kind, und du weißt, dass ich ihn zu meinem Erben machen wollte, ohne dass ich meine Tochter zu enterben brauchte. Lass mir ein wenig von seiner Liebe, das ist mir Dank genug.«

»Die wird er dir nie entziehen. Aber du weißt, dass Rudolfs und Waltrauts Herzen andere Wege gingen. Darf mein Sohn Jan nun hoffen, Georg, Jan, mein jüngster Sohn?«

Georg Roland atmete auf, wie von einer Last befreit.

»Gottlob, dass er dein Sohn ist! So brauche ich mein Gelübde nicht zu brechen und muss meine Tochter nicht zu einer Verbindung zwingen, die ihr kein Glück gebracht hätte, obwohl ich ihr wahrlich einen Prachtmenschen zum Manne ausgesucht hatte.«

»Ich glaube, dass dich auch mein Jan in diesem Punkte nicht enttäuschen wird. Lass ihn mit deiner Tochter glücklich werden.«

»Was aber soll mit Rudolf werden? Wenn er nicht mein Erbe wird, was bleibt ihm da?«

»Ich hoffe, ihn entschädigen zu können. Doch das werden wir alles später besprechen, wenn wir uns erst ein wenig gefasst haben.«

Sie saßen zusammen und tauschten ihre Gedanken aus, sagten sich, was sie beide gelitten hatten, und räumten fort, was trennend zwischen ihnen stand. Und dann sagte Hendrik Werkmeester bittend:

»Und wann werde ich meinen Sohn Rudolf sehen dürfen? Weiß er, dass ich lebe?«

»Alles weiß er, er hat dein Tagebuch gelesen und ist mit mir hierher ins Hotel gekommen, er wartet unten mit Jan, bis wir ihn rufen lassen.«

Wie ein junger Mann sprang Hendrik auf, klingelte und befahl dem Boy, die beiden jungen Herren heraufzurufen.

Wenige Minuten später standen Vater und Sohn einander gegenüber und staunend sahen die beiden anderen, wie sehr ähnlich sie einander waren. Es war eine erschütternde Szene des Wiederfindens zwischen den beiden, und es wollte lange nicht ruhig werden in den vier aufgestörten Gemütern. Viel gab es noch zu sagen und zu fragen. Bis Jan schließlich mit seiner Munterkeit die Situation klärte. Er sagte lächelnd:

»Jetzt haben wir beiden Brüder jeder einen Bruder und jeder zwei Väter bekommen. Rudolf hat seinen rechten Vater gefunden, und Waltrauts Vater wird mich nun auch als Sohn in seinem Herzen aufnehmen müssen. Und indem ihr beide Väter teilt, gewinnt ihr doppelt. Aber das alles hindert mich nicht, in heißer Sehnsucht an meine Braut zu denken, die in Sorge und Unruhe daheim sitzt. Ich habe ihr vorhin telefonisch versprochen, dass ihr Vater mich und meinen Vater zum Mittagessen einladen wird, wenn ich ein wenig nachhelfe. Nachgeholfen habe ich nun ziemlich heftig, und ich hoffe, Herr Roland, dass Sie mich bei meiner Braut nicht wortbrüchig machen werden?«

»Nur unter der Bedingung, dass du, mein lieber Jan, auf der Stelle diese steife Anrede unterlässt. Einen Vater nennt man nicht Sie und Herr Roland.«

Jan umarmte ihn strahlend.

»Mit tausend Freuden, lieber Vater!«

»Und du willst mir meine Waltraut entführen – so weit weg soll mein Kind heiraten? Das will mir noch gar nicht in den Kopf, was soll ich ohne Waltraut anfangen?«

»Ich hoffe, lieber Vater, dass dir Rudolf einen Ersatz ins Haus bringt, soviel ich weiß, hast du viel Sympathie für seine künftige Frau.«

Georg Roland sah betroffen auf.

»Richtig, Rudolf hat ja auch sein Herz anderweitig vergeben. Aber ich weiß noch immer nicht, an wen. Wer ist die Glückliche, die diesen Prachtkerl zum Manne bekommt?«

Rudolf sah ihn mit großen Augen an.

»Es ist Lore Lenz, Vater!«

Fassungslos fiel der alte Herr in seinen Sessel zurück.

»Lore Lenz? Die also hat dein Herz gewonnen? Nun, das kann ich freilich verstehen, für so ein Mädel hätte ich in meiner Jugend auch allerlei Torheiten begangen. Und wenn mir eine für Waltraut Ersatz bringen kann, so ist es die. Ich bin heute einmal dabei, mir lauter Einwilligungen abnötigen zu lassen, so soll auch dir mein Segen nicht fehlen, mein lieber Junge. Ich bin viel zu froh und glücklich heute, dass ich keine trüben Gesichter sehen mag. Und da dein Vater dafür sorgen wird, dass du für das verlorene Erbe Ersatz finden wirst, so ist nichts dagegen einzuwenden, dass du dir den Luxus leisten willst, eine arme Frau heimzuführen. Und wenn die Lore Lenz auch kein Vermögen hat, so bringt sie dir doch allerhand Schätze mit in die Ehe, die nicht von Motten und Rost zerfressen werden.«

Rudolf fiel ihm um den Hals, und dann umarmte er seinen Vater, sodass auch dieser nicht zu kurz kam.

In schönster Eintracht und Harmonie brachen die vier Herren endlich auf, um zur Villa Roland zu fahren und Waltraut aus ihren Sorgen zu erlösen. Ehe sie das Hotel verließen, sagte Georg Roland:

»Ich muss erst noch einmal telefonieren.«

Die anderen warteten auf ihn, und als er aus der Telefonzelle herauskam, sagte er lächelnd zu Rudolf:

»Ohne die Braut können wir doch nicht Verlobung feiern. Ich habe Fräulein Lenz gesagt, dass ich sie sofort in meiner Wohnung erwarte, sie soll sich ein Auto nehmen. Ich hätte allerlei Wichtiges zu diktieren.«

Rudolf fasste seine Hand mit so festem Druck, dass er eine kleine Grimasse schnitt und lachend sagte:

»Sei so gut, Junge, und lass mich noch ein wenig am Leben. Jetzt möchte ich doch gern noch ein paar Jährchen bei euch bleiben und mich an eurem Glück freuen. Und das sage ich dir, mit der Lore Lenz rede ich selbst erst ein Wörtchen. Ich selbst will ihr beibringen, wozu ich sie animiert habe.«

»Aber lass mich dabei sein, Vater, sie ängstigt sich sonst. Wenn du wüsstest, wie bange sie war, als sie vor dir Heimlichkeiten haben musste.«

»Nun ja, das kann ich mir denken, es ist sonst ihre Art nicht. Aber ein wenig necken muss ich sie doch, Strafe muss sein.«

Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil III)

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