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Einundzwanzigstes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Waltraut klopfte das Herz bis zum Halse hinauf, als sie die vier Herren aus dem Auto steigen sah. Mit blassen Wangen kam sie ihnen im Vestibül entgegen.

Georg Roland nahm sie in seine Arme.

»So blasse Wangen darf eine Braut nicht haben, Waltraut.«

Er küsste sie und schob sie Jan in die Arme, der sie ohne Umstände herzhaft küsste, sodass die blassen Wangen im Nu verschwunden waren. Sie sahen sich glückstrahlend in die Augen, dann fiel Waltraut dem Vater um den Hals und küsste ihn.

Danach kam Hendrik Werkmeester an die Reihe, und zuletzt bekam auch Rudolf einen schwesterlichen Kuss. Das konnte aber Jan nicht mehr mit ansehen, er zog sie wieder in seine Arme und sagte eifersüchtig:

»Das hört jetzt auf, jetzt gibt es für andere Männer keine Küsse mehr, ich kann sie selber alle sehr gut verwerten.«

»Du bist ja ein schöner Othello«, scherzte Rudolf.

»Warte nur ab, bis deine Lore hier der Reihe nach von uns Herren abgeküsst wird. Dann wollen wir mal sehen, wer von uns beiden der größere Othello ist«, erwiderte Jan prompt.

Sie waren nun alle in das große Empfangszimmer getreten. Und nun sahen sie auch schon ein anderes Auto vorfahren.

»Das ist Lore Lenz!«, sagte Georg Roland.

Rudolf wollte hinausstürmen.

»Hiergeblieben!«, kommandierte sein Pflegevater und hielt ihn am Ärmel fest. »Das ist gegen die Verabredung, erst habe ich mit ihr ein Wörtchen zu reden. Du darfst aber vom Nebenzimmer aus zuhören.«

Lore Lenz wurde in das Zimmer des Hausherrn geführt, wo ihr dieser sogleich entgegentrat. Rudolf stand hinter dem Türvorhang zum Nebenzimmer.

»Da sind Sie ja, Fräulein Lenz!«

»Ja, Herr Roland, ich habe mein Stenogrammheft mitgebracht. Bitte, wollen Sie mir Ihre Aufträge geben?«

»Hm! Das eilt nicht, ich habe etwas Privates mit Ihnen zu besprechen. Mir ist zugetragen worden, dass Sie ein Liebesverhältnis mit meinem Pflegesohn haben.«

Lore wurde blass, richtete sich aber stolz empor.

»Wer Ihnen das zugetragen hat, lügt, Herr Roland. Ich habe kein Liebesverhältnis mit Herrn Werkmeister, aber ich bin seine Braut. Wir lieben uns und werden uns heiraten.«

»So, so? Und ich werde gar nicht gefragt?«

»Verzeihen Sie mir, ich hätte das nicht so schroff sagen sollen, aber ich darf nicht dulden, dass auch nur der Schatten eines unlauteren Verhältnisses auf mich fällt. Und wenn wir Sie nicht gefragt haben, so lag das daran, dass die Verhältnisse es nicht gestatteten, bis alles geklärt war. Aus Freude an Heimlichkeiten haben wir es Ihnen sicher nicht verschwiegen. Mir ist es herzlich schwer geworden, es Ihnen verheimlichen zu müssen. Ich kann mir auch sehr gut denken, dass Sie sehr gegen unsere Verbindung sind, ich bin ja nur ein armes Mädchen. Aber ich liebe Rudolf viel zu sehr, als dass ich stark genug gewesen wäre, seine Werbung, seine ehrliche Werbung, abzuweisen. Wenn das ein Unrecht war, so muss ich es auf mich nehmen.«

»Sie können sich aber doch wohl denken, dass ich unter diesen Umständen Ihre Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen kann.«

Mit einem traurigen Blick sah sie ihn an.

»Ja, ich sehe ein, dass ich von Ihnen entlassen bin«, sagte sie müde.

»Selbstverständlich, ich kann doch unmöglich die Braut meines Sohnes als meine bezahlte Sekretärin beschäftigen. Aber vielleicht helfen Sie mir ohne Bezahlung noch ein Weilchen, bis ich eine andere Sekretärin gefunden habe. Oder soll die Hochzeit gleich sein?«

Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Ich habe einen so grausamen Scherz nicht verdient.«

Da nahm er sie ohne Umstände in seine Arme.

»Wer scherzt denn, Lore Lenz? Sehen Sie sich nur einmal um, wer dort zitternd und bebend am Vorhang steht und mir drohende Blicke zuwirft. Er ist imstande, mich umzubringen, wenn ich Sie noch länger necke.«

Lore sah sich um, sah Rudolf mit ausgebreiteten Armen stehen.

»Lore! Lore!«

Sie flog in diese Arme hinein, in denen sie sich sicher fühlte vor der ganzen Welt.

Leise ging Georg Roland aus dem Zimmer. Rudolf erklärte Lore nun in Eile, was geschehen war und dass sie hierherbeordert sei, um Verlobung mit ihm zu feiern. Lore hörte halb beglückt und halb beklommen zu und sagte dann, was jede Frau in solch einer Situation gesagt hätte:

»Ach, Rudolf, ich bin doch nicht danach angezogen, ich habe doch mein Arbeitskleid an.«

Er lachte glücklich und küsste sie immer wieder.

»Lore, du bist schön wie eine junge Königin, so wie du bist, und dein Arbeitskleid gefällt mir besser als die herrlichsten Toiletten anderer Frauen.«

In diesem Moment trat Waltraut in das Zimmer.

»Waltraut, das ist meine Lore und denke dir, sie will nicht mit mir Verlobung feiern, weil sie kein Festkleid trägt.«

Waltraut zog Lore bei den Händen zu sich heran.

»Das ist also Lore Lenz!«

»Hab’ sie lieb, Waltraut.«

Herzlich umarmte Waltraut die glückliche, aber ganz benommene Lore.

»Wir müssen Schwestern sein, Lore, sonst machen wir Rudolf unglücklich. Und das willst du doch nicht?«

Lore schüttelte unter Tränen den Kopf.

»Nein, nein, o nein! Aber ich fasse das alles noch nicht, das Glück kommt zu plötzlich.«

»Wir sind heute alle ein wenig aus den Fugen, und alles geht bei uns arg durcheinander, aber um so leichter werden wir uns im Herzen zueinanderfinden. Ich habe gehört, dass du so ein tapferes Mädel bist. Das zeige uns heute einmal. Jetzt müssen wir endlich zu Tische gehen.«

Lore sah hilflos an sich herab.

»So kann ich doch nicht!«

Waltraut lachte.

»Es hilft nichts, Lore, vorläufig soll ja auch nur eine provisorische Verlobungsfeier stattfinden, es folgt noch eine nach, und da wirst du Zeit haben, dich noch schöner zu machen, als du ohnedies schon bist. Ich kann dich schon verstehen, aber was nicht zu ändern ist, musst du mit Ergebung tragen.«

Rudolf küsste Lore schnell noch einmal.

»Nun komm zu meinem Vater und meinem Bruder, Lore.«

Es ging bei dieser Mahlzeit noch sehr aufgeregt zu, aber die beiden jungen Paare waren jedenfalls sehr glücklich, und die beiden Väter nicht minder. Alle Schatten waren gewichen, leuchtender Sonnenschein des Glücks verklärte alle Gesichter. Nach der Tafel, als man im Nebenzimmer den Mokka nahm, wurde Lore erst einmal von allen liebevoll als Familienmitglied umarmt und geküsst, und Jan sah mit übermütigem Lächeln zu, wie Rudolf dabei wie auf Kohlen stand. Die beiden Brüder waren nun schon sehr vertraut miteinander, und Jan nahm sich, um Rudolf zu necken, sehr umständlich von Lore einen Bruderkuss. Lore fand sich schließlich mit viel Grazie und reizender Drolerie in die neue Situation, und die beiden Väter machten ihr abwechselnd ein wenig den Hof, was zu allerlei Neckereien Anlass gab.

Noch an diesem Nachmittag ging auf Waltrauts Bitte ein Telegramm an Schlüters ab:

»Mit väterlichem Segen glücklich. Waltraut, Jan.«

»So«, sagte Jan, als er das aufgesetzt hatte, »nun wird Frau Dora ein großer Stein vom Herzen fallen, und sie wird in Larina das Oberste zuunterst kehren, um alles zu deinem Empfang herzurichten.«

Es gab bald eine Doppelhochzeit im Hause Roland. Jan und Waltraut wollten nicht zu lange zögern, nach Larina zurückzukehren. Hendrik Werkmeester sollte noch ein halbes Jahr in Deutschland bleiben, um dem Freunde und seinem ältesten Sohne noch für eine Weile nahe zu bleiben.

Lore und Rudolf, so hatte sich Georg Roland ausgebeten, wohnten mit ihm in Villa Roland, damit er sich nicht so einsam fühlte. Waltraut war mit dieser Anordnung ein Stein vom Herzen gefallen, sie wusste nun, dass der Vater nicht allein bleiben würde. So konnte sie leichteren Herzens scheiden.

Rudolf trat mit einem Kapital, das ihm sein Vater zur Verfügung stellte, als Teilhaber in die Firma Roland ein, so wurde Georg Roland auch die Sorge los, was später mit der Firma werden sollte. Rudolf sollte sie später zugleich für Waltraut mitverwalten.

Lore Lenz brachte ihre Dankbarkeit für ihren ehemaligen Chef dadurch zum Ausdruck, dass sie ihn hausmütterlich verwöhnte und ihm eine liebevolle, sorgsame Tochter wurde.

Waltraut und Lore waren sich rasch sehr nahegekommen und fühlten sehr schwesterlich füreinander. Die Wochen vor der Hochzeit waren sie täglich zusammen gewesen und hatten sich herzlich lieb gewonnen.

Als Jan und Waltraut am Tage nach der Hochzeit abreisten, wurden sie von allen Familienmitgliedern an den Dampfer begleitet. Sie hatten das Versprechen erhalten, dass Georg Roland Hendrik Werkmeester bei dessen Heimkehr nach Larina begleiten und daselbst einige Monate verweilen wolle. Lore und Rudolf sollten im nächsten Jahre eine verspätete Hochzeitsreise nach Ceylon machen und ebenfalls einige Zeit in Larina bleiben. Und Georg Roland hatte gefordert, dass Waltraut mit ihrem Gatten mindestens jedes dritte Jahr für längere Zeit nach Europa käme. So hoffte man allerseits im steten Verkehr zu bleiben.

An Bord des Dampfers gab es einen bewegten Abschied, aber die Augen blickten dabei froh und zuversichtlich, sollte es doch für alle keine gar zu lange Trennung werden.

Als sich der Dampfer in Bewegung setzte, standen Jan und Waltraut umschlungen an der Reling und winkten die letzten Grüße zurück. Und an Land standen Rudolf und Lore ebenso eng umschlungen und ließen ihre Tücher flattern. Hendrik Werkmeester aber und sein Freund Georg Roland hielten einander fest bei den Händen und blickten mit ernsten Augen hinter ihren Kindern her.

Zum dritten Mal nun innerhalb eines Jahres legten Jan und Waltraut die Reise zwischen Ceylon und Deutschland zurück, und sie gingen so ineinander auf, dass sie sich nicht einsam fühlen konnten. Ein reiches, volles Glück begleitete sie auf dieser Fahrt und blieb ihnen auch im fremden Lande treu.

Als sie sich nach einer herrlichen Seereise in Colombo wieder an Land begaben und dann in Kandy eintrafen, wurden sie von Schlüters empfangen. Dora flog Waltraut jubelnd um den Hals, und die beiden Männer drückten sich fest und warm die Hände.

In Larina hatte Dora Wunderdinge vollbracht, das Haus glich wirklich einem Märchentraum, und es war kein Wunder, dass das Glück für alle Zeit hier weilte.

Als Jan und Waltraut zum ersten Mal in ihrem Heim allein waren, zog Jan sie in seine Arme und sah seine junge Frau mit seinen zärtlichen Augen an.

»Wirst du nie Heimweh bekommen, mein geliebtes Herz?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Meine Heimat ist an deinem Herzen, mein Jan, wie sollte ich Heimweh nach einem Lande bekommen, in dem du nicht weilst.«

Ihre Lippen fanden sich in inniger Glückseligkeit.

Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil III)

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