Читать книгу Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil III) - Hedwig Courths-Mahler - Страница 20
Siebzehntes Kapitel
ОглавлениеGeorg Roland hatte das Telegramm seiner Tochter erhalten, in dem sie ihm mitteilte, dass sie am 12. Februar von Colombo abfahren würde. Er atmete auf, weil sie gehorsam sein wollte. Und er hoffte, dass sie, stünde sie nur erst wieder unter seinem Einfluss, doch noch Rudolfs Frau werden würde. Rudolf hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ihm zu sagen, dass auch sein Herz einer anderen gehörte.
Zwischen Rudolf und seinem Pflegevater war kein Wort mehr in dieser Angelegenheit gewechselt worden. Als Rudolf noch einmal davon anfangen wollte, hatte der alte Herr bestimmt gesagt:
»Warte, bis Waltraut zurückgekommen ist, dann wird alles in Ordnung kommen. Bis dahin wollen wir nicht darüber reden.«
Rudolf sah ein, dass er vorläufig nichts tun konnte. Doch hatte er sich fest vorgenommen, die Angelegenheit auf seine Weise endgültig zu entscheiden, sobald Waltraut heimgekehrt war. Er wollte sich dann, ohne dem Vater vorher etwas davon zu sagen, mit Lore Lenz trauen lassen. Erst nach der Trauung wollte er dem Vater von seiner vollzogenen Vermählung Mitteilung machen. Dann stand er einer vollendeten Tatsache gegenüber. Freilich würde er sich durch diese Handlungsweise den ganzen Zorn des Vaters zuziehen, aber zugleich würde er dadurch Waltraut gründlich helfen und vor dem Zorn des Vaters schützen.
Lore schrieb er das alles, nachdem er mit sich im Reinen war, in einem ausführlichen Brief und legte diesen im Vorübergehen auf ihr Pult. In diesem Brief hatte er sie gebeten, eine Antwort für ihn bereitzuhalten, damit er sie an sich nehmen konnte, wenn er wieder durch das Vorzimmer kam.
Lore schrieb ihm als Antwort:
»Mein lieber Rudolf! Wenn ich auch nur mit Bangen einwilligen kann, so soll doch alles geschehen, wie Du es willst. Du wirst schon wissen, dass es so gut ist. Hoffentlich verzeiht Dir Dein Pflegevater Deine eigenmächtige Handlungsweise. Wenn Du Deiner Schwester gründlich helfen willst, geschieht es so am besten, das sehe ich ein. Hoffentlich verhilfst Du ihr damit zu ihrem Glück. Es tut mir sehr leid, dass ich Herrn Roland gegenüber Geheimnisse habe, aber mein Glück kann ich deshalb nicht opfern, dazu liebe ich Dich zu sehr. Mir ist noch immer, als träume ich nur einen lieben, schönen Traum. Dass Du mich liebst und mich zu Deiner Frau machen willst, ist für mich ein so märchenhaftes Glück, wie ich es nie zu finden hoffte. Es wäre fast beängstigend, wenn alles ganz glatt gehen würde und wir gar keine Hindernisse zu überwinden hätten. Mein ganzes Herz ist bei Dir, mein Rudolf! Gott erhalte uns unser Glück!
Deine Lore.«
Diesen Brief las Rudolf wieder und wieder, und er musste Lore gleich darauf antworten mit vielen lieben und törichten Worten, wie sie eben nur Liebende nicht überschwänglich finden.
Lore hatte nach wie vor mit Georg Roland zu arbeiten, und sie sah sehr oft, dass er mit verdüstertem Gesicht vor sich hin starrte. Dann fühlte sie tiefes Mitleid mit ihm, und all ihre Liebe war nötig, um sie darüber hinwegzubringen, dass sie dazu beitrug, ihm Kummer zu bereiten.
In diesen Tagen kam auch endlich der Justizrat dazu, Georg Roland einen Besuch zu machen, um ihm die Fotos von Waltraut zu bringen und ihm von Saorda zu erzählen. Nach seiner Rückkehr hatte er so viel dringende Arbeit vorgefunden, dass er es immer wieder hatte verschieben müssen. Er hatte natürlich keine Ahnung davon, dass Waltraut zurückgerufen worden war. In leuchtenden Farben schilderte er das Leben auf Saorda und Larina.
Georg Roland erwähnte vorläufig nichts von Waltrauts bevorstehender Rückkehr, forschte aber den Justizrat gründlich aus, mit wem Waltraut auf der Reise und in Saorda in nähere Berührung gekommen war. Und harmlos gab der Justizrat Auskunft. Immer wieder tauchte in seinem Bericht der Name Jan Werkmeester auf. Und so kam Georg Roland die Erkenntnis, dass nur dieser es sein konnte, der das Herz seiner Tochter gewonnen hatte. Er interessierte sich natürlich auch für die Aufnahmen am meisten, auf denen Jan Werkmeester zu sehen war. Jan war, im Gegenteil zu seinem Vater, auf allen Bildern famos getroffen und seine sympathischen Gesichtszüge waren gut zu erkennen. Georg Roland musste sich eingestehen, dass dieser Mann wohl dazu geschaffen war, ein junges Mädchenherz zu erobern.
Nach dem Fortgang des Justizrates starrte Georg Roland auf eine besonders gute Aufnahme von Jan Werkmeester herab und sagte:
»Du willst alle meine Pläne zunichtemachen? Das leide ich nicht – sie wird dich vergessen und vernünftig sein. Ich muss mein Gelübde halten, störe meine Kreise nicht!«
Wie eine angstvolle Beschwörung klang das.
In fieberhafter Unruhe erwartete er die Heimkehr seiner Tochter. Er war in einer rastlosen, bedrückten Stimmung. Sicher ging es ihm sehr nahe, dass Waltraut und Rudolf sich plötzlich ablehnend verhielten gegen sein Heiratsprojekt. Und seltsamerweise grollte er Waltraut deshalb mehr als Rudolf, erstens, weil er annahm, dass Rudolf nur Waltraut zuliebe zurückgetreten sei, und dann auch, weil sie durch ihre Weigerung gewissermaßen Rudolf um das ihm zugedachte Erbe bringen wollte. Er hatte Rudolf mindestens ebenso lieb wie seine Tochter, und dann hatte er schon immer in Rudolf seinen Nachfolger in der Firma gesehen, wusste er doch, dass Rudolf diese ganz in seinem Sinne weiterführen würde.
So war dem alten Herrn gar nicht wohl in seiner Haut, zumal er fühlte, dass er nun den beiden jungen Menschen als hartherziger Vater erscheinen musste. Und doch war er durchaus nicht hartherzig, er beging nur den Fehler vieler Menschen, die andere nach ihrem Sinne beglücken wollen und nicht einsehen, dass jeder Mensch sein Glück auf seine eigene Art finden muss.
In all den trüben Gedanken erschien ihm Lore Lenz immer wie ein Lichtblick. Es ging etwas so Helles, Strahlendes und Lebensfrisches von diesem jungen Geschöpf aus, dass es nicht ohne Einfluss auf ihn blieb. So sehr hatte er sich schon daran gewöhnt, alles mit Lore zu besprechen, dass er ihr am liebsten auch mitgeteilt hätte, was ihm jetzt das Herz bedrückte, aber das ging natürlich nicht an. Sie hätte ihm ja auch nicht helfen können. Er ahnte nicht, dass sie in innigem Zusammenhang mit dem allen stand.
Aber er freute sich jedes Mal, wenn sie in sein Kontor kam, ihm mit ihrer weichen, dunklen Stimme guten Morgen wünschte und ihn mit ihren schönen samtbraunen Augen so lieb und bittend ansah, als wolle sie sagen: Mach dir doch das Leben nicht zu schwer, es muss doch alles wieder gut werden.
Lore und Rudolf blieben in ständiger Korrespondenz, und dieser Briefwechsel musste vorläufig ihr ganzes Glück ausmachen. Denn persönlich konnten sie nur immer einen kurzen Gruß tauschen oder einige zärtliche Worte einander wie im Fluge zuflüstern. Damit mussten sie sich begnügen, aber das war gar nicht so schwer, da sie doch wussten, dass sie einander bald angehören würden.
So vergingen die Wochen bis zu Waltrauts Ankunft.