Читать книгу Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil III) - Hedwig Courths-Mahler - Страница 17

Vierzehntes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Rudolf Werkmeister hatte die Depesche erhalten. Sie war ihm durch seinen Pflegevater selbst überreicht worden. Rudolf war darauf vorbereitet, und als er sie gelesen hatte, sagte er, seinen Pflegevater fest ansehend:

»Das Telegramm ist von Waltraut, Vater.«

Unruhig sah ihn der alte Herr an.

»Von Waltraut? Es ist ihr doch, um Gottes willen, nichts zugestoßen?«

Rudolf sah noch einmal auf das eine Wort herab: Einverstanden! Dann reichte er dem Vater die Depesche.

Erstaunt sah der darauf nieder.

»Einverstanden? Was bedeutet das, Rudolf?«

Ernst und gefasst sah ihn dieser an.

»Hast du eine halbe Stunde Zeit für mich, Vater?«

»Ja, ja, aber so rede doch, was heißt das alles, weshalb telegrafiert dir Waltraut dieses ›Einverstanden‹?«

Rudolf rückte dem alten Herrn einen Sessel zurecht und drückte ihn sanft hinein. Dann setzte er sich ihm gegenüber nieder und fasste seine Hand.

»Ich will nicht große Umschweife machen, Vater, will dir kurz und bündig sagen, dass wir beide, Waltraut und ich, die Unmöglichkeit eingesehen haben, uns zu heiraten, wir können es nicht tun, wenn wir uns nicht an uns selbst versündigen wollen.«

Der alte Herr zuckte zusammen.

»Was heißt das, wollt ihr euer Spiel mit mir treiben? Habt ihr euch nur zum Schein verlobt, damit Waltraut erst fortreisen konnte und du dann mit mir darüber verhandeln solltest?«, fragte er heiser.

»Nein, Vater, wir waren beide ehrlich bemüht, deinen Wunsch zu erfüllen und dir zu ermöglichen, dein Gelübde zu erfüllen. Aber entsinne dich, dass ich dir gleich sagte, dass ich nur einwilligen würde, wenn keinerlei Zwang auf Waltraut ausgeübt werden würde. Wie die Dinge jetzt liegen, müsstest du sie zwingen. Wir haben beide eingesehen, dass es uns unmöglich ist, uns zu heiraten. Bei aller Liebe zu dir, es geht nicht.«

Der alte Herr bekam einen dunkelroten Kopf.

»So? Und alles das ist hinter meinem Rücken verhandelt worden. Während ihr mich in dem Glauben lasst, dass alles gut geht, verständigt ihr euch heimlich darüber, dass es nun plötzlich nicht gehen soll?«

Rudolf zog Waltrauts Brief hervor.

»Waltraut hat mir diesen einzigen Brief geschrieben, und ich habe ihr in einem einzigen Brief geantwortet und sie um ihre telegrafische Einwilligung gebeten, dass ich dir alles sagen und unsere Sache führen darf nach meinem eigenen Gutdünken. Bitte, lies diesen Brief erst, ehe wir weitersprechen.«

Der alte Herr griff hastig danach.

Während er las, wurde sein Gesicht immer röter, und dann erblasste er jäh. Als er zu Ende gelesen hatte, sprang er auf und schlug mit der geballten Faust auf seinen Schreibtisch.

»Ihr seid verlobt – und ihr bleibt es!«

»Vater!«

»Schweig! Ich lasse nicht mit mir spielen, ich will und muss mein Gelübde halten! Was Waltraut hier schreibt, sind Fantastereien. Mag Gott wissen, an wen sie ihr Herz verloren hat, sicher an einen Menschen, der nach dem Goldfisch geangelt hat. Sie schlägt dich aus, dich, einen Mann, für den sie Gott auf den Knien danken sollte.«

Das alles kam so heftig und so hart aus ihm heraus, wohl in der Angst, dass man ihn hindern könne, sein Gelübde zu halten, dass Rudolf im Moment nicht wusste, was er noch sagen sollte. Er wusste nur, dass er Waltraut decken, dass er dem Vater klarmachen müsse, dass er nicht nur Waltrauts wegen frei sein wollte. Und dass er Lores Namen jetzt um keinen Preis nennen durfte, stand auch bei ihm fest, denn sonst war ihre Existenz gefährdet, ehe er ihr eine neue bereiten konnte. Das durfte nicht sein. Und so wollte er sich jetzt darauf beschränken, dem Vater zu sagen, dass es auch sein Wunsch sei, frei zu werden.

»Lieber Vater, gestatte, dass ich dich zu überzeugen versuche, dass du ein Unrecht an uns begehen würdest, wolltest du uns zu einer Verbindung zwingen, die wir als eine Sünde wider unsere Natur ansehen müssen. Wir können einfach nicht anders als geschwisterlich füreinander empfinden. Ehrlich haben wir versucht, deinen Wunsch zu erfüllen, bis wir erkannten, dass unser Herz einen anderen Weg ging. Ich flehe dich an –«

Der alte Herr ließ ihn nicht weiterreden. Er hatte wie geistesabwesend vor sich hin gestarrt. Von einer Erfüllung seines Gelöbnisses hatte er eine Befreiung seines Gewissens von der wenn auch ungewollten Schuld am Tode seines Freundes erhofft. Diese Befreiung wollten zwei, nach seiner Ansicht törichte Kinder verhindern.

»Kein Wort weiter! Es bleibt alles, wie es ist! Du darfst nicht vergessen, dass ich dir alle Liebe erwiesen und dich wie einen Sohn gehalten habe, wie ich es deinem Vater versprach. Du sollst auch mein rechtmäßiger Erbe sein, und das kannst du nur, wenn du Waltraut heiratest, da ich sie nicht enterben kann. Waltraut zur Vernunft zu bringen, lass meine Sorge sein. Sie darf keinen Tag länger in Saorda bleiben, da ich nicht weiß, was sie für Torheiten treibt. Ich rufe sie nach Hause, depeschiere noch heute. Und dann werden wir weitersehen. Damit Schluss der Debatte, kein Wort will ich mehr davon hören. Wenn Waltraut zurückgekommen ist, werde ich diese Sache in Ordnung bringen.«

Er war so aufgeregt, dass Rudolf einsah, dass er vorläufig nichts weiter sagen durfte, um den Vater nicht in eine für seine Gesundheit schädliche Aufregung hineinzusteigern. Verloren gab er seine Sache nicht, aber erst musste er den Vater wieder ruhig werden lassen. Still ging er hinaus.

Er sehnte sich nach einem Menschen, mit dem er alles besprechen konnte, was ihm auf der Seele lastete, und diesen Menschen, das wusste er, brauchte er nicht lange zu suchen. Draußen im Vorzimmer trat er an Lore Lenz heran, sah sie mit großen, ernsten Augen an und sagte halblaut:

»Fräulein Lenz, ich müsste Sie in einer dringenden Angelegenheit ungestört sprechen. Das kann hier nicht geschehen. Wie und wo würden Sie mir erlauben, auf eine Stunde mit Ihnen zusammenzutreffen?«

Erschrocken sah sie zu ihm auf. Sie merkte, dass er schmerzlich erregt war. Impulsiv, immer darauf bedacht, sich nie etwas zu vergeben, wollte sie ihn abweisen, aber ein Blick in seine Augen ließ solche Bedenken kleinlich erscheinen. Und so sagte sie leise:

»Ich weiß nicht, wo ich mit Ihnen zusammentreffen könnte. Wenn es aber sein muss, so bitte, bestimmen Sie Zeit und Ort.«

Er überlegte eine Weile. Er wusste, dass ihm Lore ein Opfer brachte. Er wollte es ihr so leicht wie möglich machen. Schließlich sagte er:

»Morgen ist Sonntag, da sind Sie frei. Haben Sie morgen Nachmittag etwas Besonderes vor?«

»Meine freie Zeit steht Ihnen zur Verfügung, ich weiß, dass Sie nichts Unrechtes von mir verlangen werden.«

»Davon dürfen Sie überzeugt sein. Darf ich Sie also morgen Nachmittag um drei Uhr in der Allee vor dem Uhlenhorster Fährhaus erwarten? Ich will Sie nicht in die Lage bringen, mit mir irgendein Lokal aufzusuchen, wo wir doch vielleicht nicht ungestört sprechen könnten. Aber die Allee ist um diese Zeit ziemlich menschenleer, und wir könnten dort auf und ab promenieren und ungestört miteinander sprechen. Ich meine, so ist es am wenigsten peinlich für Sie, mir eine Zusammenkunft zu gewähren.«

Ein wenig bange, aber doch mit dem Ausdruck grenzenlosen Vertrauens sah sie ihn an.

»Ich werde pünktlich dort sein.«

»Ich danke Ihnen. Und bitte, sagen Sie meinem Vater vorläufig nichts davon, er wird es später selbst von mir erfahren.«

Sie atmete wie befreit auf.

»Das ist mir lieb, ich möchte keine Heimlichkeiten vor Herrn Roland haben.«

Ein Lächeln, ein gutes, vertrauenerweckendes Lächeln erhellte sein Gesicht.

»Sie müssen ganz fest davon überzeugt sein, dass ich Sie zu nichts veranlassen werde, was Ihnen irgendwelche Unannehmlichkeiten bereiten könnte.«

Ihre Augen leuchteten auf.

»Das weiß ich«, sagte sie schlicht.

»Also auf Wiedersehen morgen!«

Damit ging Rudolf hinaus und suchte sein Kontor auf. Hier gab er sogleich telefonisch ein Telegramm an Waltraut auf. Geduld! Dieses Wort depeschierte er. Aber mit schwerem Herzen dachte er daran, dass der Vater Waltraut telegrafisch nach Hause rufen würde. Dass er Waltraut helfen müsse, helfen werde, stand fest für ihn, aber nach der heftigen Aufregung des Vaters bei der ersten Auseinandersetzung in dieser Angelegenheit konnte er vorläufig nichts weiter tun. Er musste warten, bis der Vater sich beruhigt hatte.

Inzwischen hatte auch Georg Roland ein Telegramm an seine Tochter aufgegeben. Es lautete:

›Sofort heimkommen! Nächsten Dampfer benutzen. Drahtantwort. Vater.‹ –

Am nächsten Nachmittag um drei Uhr stand Rudolf Werkmeister wartend in der Allee vor dem Uhlenhorster Fährhaus. Um diese Zeit war es ganz menschenleer hier.

Lore Lenz war pünktlich. Er sah sie kommen. Sie trug einen glatt herabfallenden Tuchmantel, der ihre schlanke Gestalt vorteilhaft zur Geltung brachte. Ein kleiner, einfacher Hut bedeckte das Haar ganz und umrahmte das reizende Gesicht. Schnell, aber ohne Hast kam sie mit ihrem elastischen, zielsicheren Gang auf ihn zu. Er ging ihr entgegen, zog den Hut und reichte ihr die Hand.

»Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Fräulein Lenz.«

Ihr Gesicht rötete sich leicht.

»Ich hatte es doch versprochen, Herr Werkmeister.«

»Sie sehen, dass es hier ganz menschenleer ist, das ist mir Ihretwegen sehr lieb, denn ich möchte um keinen Preis, dass Sie Missdeutungen ausgesetzt werden. Sollte uns doch zufällig jemand hier sehen, so ist das ganz unverfänglich.«

»Wie immer sind Sie sehr rücksichtsvoll.«

Er sah sie lächelnd an.

»Ich weiß, dass Sie mir alle guten Eigenschaften zutrauen, und das möchte ich mir verdienen.«

»Oh, das haben Sie sich schon verdient, ich weiß, dass ich Ihnen rückhaltlos vertrauen kann.«

»Dieses Vertrauen dürfen Sie mir nie entziehen. Und nun lassen Sie uns langsam hier auf und ab gehen, und dabei hören Sie mir einmal ganz ruhig zu, was ich Ihnen zu sagen habe. Zuerst das Wichtigste: Meine Pflegeschwester, Herrn Rolands Tochter, und ich waren verlobt.«

Ganz leise nur zuckte Lore zusammen, aber sie wurde sehr blass. Beides entging ihm nicht. Und er merkte auch, dass sie vergeblich nach einer Antwort rang. So fuhr er fort:

»Ich sage ausdrücklich, dass wir verlobt waren«, und er erzählte ihr alles.

Mit zuckenden Lippen und leise bebender Stimme fragte sie: »Und warum sagen Sie mir das, Herr Werkmeister?«

»Weil Sie, gerade Sie das wissen müssen, Lore Lenz. Erinnern Sie sich des Tages, da ich nach meinem kurzen Urlaub aus den Bergen zurückgekommen war?«

»Ja«, erwiderte sie mit versagender Stimme.

»Ich sagte Ihnen an jenem Tage, dass ich eine sehr freudige Nachricht erhalten habe, die mich ganz übermütig machte. Diese Nachricht war von meiner Schwester, die mir mitteilte, dass sie unmöglich meine Frau werden könne, weil sie einen andern Mann lieb gewonnen habe. Das machte mich sehr glücklich; denn, wie gesagt, auch ich hatte inzwischen mein Herz anderweitig verloren. Wissen Sie, an wen, Lore Lenz?«

Sie schüttelte stumm den Kopf, sprechen konnte sie nicht.

Da schob er leise seine Hand unter ihren Arm.

»An dich, Lore Lenz, und ich weiß, dass auch du mir dein Herz geschenkt hast.«

Sie blieb mit einem Ruck stehen und sah ihn mit flammenden Augen an.

»Herr Werkmeister, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich mich selber beschützen muss und dass ich nicht anhören darf, wenn mir ein Mann aus Ihren Kreisen eine Liebeserklärung macht.«

Er sah in ihre Augen, in ihre stolzen, reinen Augen hinein.

»Lore, liebe Lore, ich bin durchaus nicht aus einer anderen gesellschaftlichen Schicht als du. Mir gegenüber brauchst du nicht eine Kampfstellung einzunehmen, das habe ich dir schon am ersten Tag unserer Bekanntschaft gesagt. Wenn mein Pflegevater die Hand von mir abzieht, Lore, dann bin ich auch nur auf den Ertrag meiner Arbeit angewiesen. Aber ich kann arbeiten, Lore, um meiner Frau eine sorglose, wenn auch bescheidene Existenz schaffen zu können. Glaube nicht von mir, dass ich dich in eine leichtsinnige Liebelei verstricken will, dazu habe ich dich zu lieb und dazu stehst du mir zu hoch. Heiraten will ich dich, Lore, sobald ich Klarheit in meine Lage gebracht habe. Mein Pflegevater ist vorläufig noch ganz außer sich, weil ich ihm gestern erklärt habe, dass wir, meine Schwester und ich, uns nie heiraten werden. Es spielen da allerlei Gründe mit, die ich dir später einmal erklären werde. Aber heute muss es endlich klar zwischen uns beiden werden, Lore, ich kann nicht mehr mit ansehen, wie du dich quälst. Ja, Lore, ich weiß, dass du dich angstvoll mit deiner Liebe zu mir herumgeschlagen hast. Das muss aufhören, du sollst wissen, dass wir zusammengehören, so oder so. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zwischen meinem Pflegevater und mir zu einem Bruch kommen kann, denn ich muss auch für meine Schwester eintreten, nicht nur für mich. Ich hoffe freilich, dass es dazu nicht kommt, aber rechnen muss ich damit, und dann sollst du wissen, dass wir zusammengehören. Ich sehnte mich nach dieser Aussprache mit dir. Aber ich rede, als sei gar kein Zweifel möglich, dass du mich liebst. Nun sag mir erst einmal, Lore, ob du mich liebst, auch dann noch, wenn ich nichts als ein armer Schlucker bin, und ob du meine Frau werden willst.«

Sie sah zu ihm auf mit einem so warmen, innigen Blick, dass es ihrer Worte gar nicht bedurft hätte.

»Ich will nicht lügen, Herr Werkmeister, ja, ach ja, ich habe Sie lieb schon seit jenem Tage, da Sie mir so ritterlich geholfen haben. Und ob ich mein Geschick in Ihre Hand legen will?« Sie schluchzte auf vor tiefer Erregung. »Ach, lieber Gott, so ein Glück kann es doch gar nicht geben für ein armes Mädel, wie ich es bin. Aber eines muss ich Ihnen sagen, solange ich bei Herrn Roland Sekretärin bin, darf ich keine heimlichen Beziehungen zu Ihnen unterhalten. Ich könnte dem alten Herrn, der so gütig zu mir ist, nicht frei und offen in die Augen sehen. Deshalb bitte ich Sie, bis alles geklärt ist, nennen Sie mich Fräulein Lenz, auch wenn wir einmal allein sind, und lassen Sie alles zwischen uns beim Alten bleiben. Gerade weil ich ein armes Mädel bin, habe ich nichts als meine Ehre und meinen guten Ruf und den Stolz meiner Armut. Ich habe Ihnen nun gesagt, wie lieb – wie sehr lieb ich Sie habe, und wenn Sie erst ganz frei sind und sich offen zu mir bekennen können, dann – dann –«

Sie konnte nicht weiterreden, die Tränen saßen ihr in der Kehle.

Liebevoll und tief bewegt sah er sie an.

»Lore! Lore Lenz! Das kannst du doch nicht von mir verlangen, dass ich dir jetzt noch so fremd gegenüberstehen soll. Du bist doch meine Braut von dieser Stunde an, wenn ich es auch, in deinem Interesse, vorläufig noch geheim halten muss. Ich darf dir deine Existenz nicht nehmen, bevor ich dich nicht heimführen kann, aber sei beruhigt, bald soll alles klar sein. Mein Pflegevater hat meine Schwester telegrafisch sofort heimgerufen. Sie wird diesem Rufe Folge leisten müssen. In einem Monat ungefähr muss sie dann hier eintreffen, und dann wird sich schnell alles klären. Also sei vernünftig, Lore, dein Verlobter darf dich doch du nennen, wenn wir beide allein sind?«

Unsicher sah sie ihn an.

»Ach, Rudolf – lieber Rudolf«, hauchte sie, von seinem bittenden Blick und ihrem eigenen Herzen besiegt.

Er küsste ihre Hand.

»Meine Lore!«, sagte er voll heißer Zärtlichkeit. »Ich darf dich nicht einmal beim Kopf nehmen und dir den Brautkuss geben. Aber das holen wir nach, Lore – bald –, sehr bald. Im Geschäft und in Gegenwart anderer Menschen muss ich dich schon noch förmlich Fräulein Lenz nennen, was mir schwer genug fallen wird, aber wenn wir mal allein sind, dann will ich auch von dir das Du hören, sonst müsste ich glauben, du liebst mich nicht, du vertraust mir nicht.«

Mit feuchtschimmernden Augen sah sie zu ihm auf.

»Keinem Menschen vertraue ich so sehr wie dir, und lieb hab’ ich dich von Herzen, aber du musst bedenken, dass ich immer für mich habe einstehen müssen und dass ich auf mich halten musste …«

»Du sollst immer auf dich halten, meine tapfere Lore. Ich sorge schon selber dafür, dass meine Lore ein stolzes Mädchen bleiben darf, sei ganz ruhig. Ich will dich gar nicht anders, aber mein Recht als Bräutigam lasse ich mir nicht verkürzen, auch von meiner stolzen Lore nicht.«

Sie seufzte glücklich auf.

»Lieber – lieber Rudolf – stolz ist deine Lore nicht, aber – so glücklich – so unsagbar glücklich, dass mir bange davor werden könnte.«

Er lachte beseligt auf.

»Du wirst es auch nicht leicht haben! Schrecklich tyrannisieren werde ich dich, wenn du erst meine Frau bist.«

Nun musste sie auch lachen.

»Davor habe ich gar keine Angst.«

»Warte es erst ab! Aber jetzt darf ich mich dahinein noch gar nicht in meinen Gedanken vertiefen, sonst ist es aus mit meiner Ruhe. Also, eines weißt du nun, Lore, was auch kommen mag, wir gehören zusammen, vergiss das nicht.«

»Wie könnte ich das vergessen, Rudolf – mein Rudolf, ich bin ja so glücklich, so namenlos glücklich.«

Er presste ihren Arm an sich, während sie weitergingen.

»Lore – süße Lore! Herrgott, mein Mädel, wird das ein Leben werden, wenn wir erst für immer zusammen sein können. Lange darf das nicht mehr dauern, Lore! Und sollte etwas Unvorhergesehenes kommen, sodass wir uns vielleicht im Geschäft nicht sehen könnten – ich will auf alles gefasst sein –, dann schreibe ich dir in deine Pension. Also tapfer sein, Lore! Wir beide sind jung, und du wirst auch mit einem bescheidenen Lose zufrieden sein, nicht wahr?«

Ein wenig bange sah sie ihn an.

»Ich wohl, Rudolf, ich bin an ein bescheidenes Leben gewöhnt und war stets zufrieden. Aber du? Du wirst vielleicht manches entbehren müssen, und es ist gar nicht leicht, arm zu sein.«

Fest drückte er ihren Arm an sich.

»Kleine Lore, so arm werden wir nicht sein, dass wir darben müssen. Ich stehe schon meinen Mann, und so viel verdiene ich, das weiß ich bestimmt, dass wir sorgenfrei leben können, wenn wir nicht gar zu große Ansprüche stellen. Ein wenig besser als jetzt wirst du es als meine Frau schon haben, das lass meine Sorge sein, und was ich etwa aufgeben muss, dafür wirst du mich hundertfach entschädigen. Um meines armen Vaters willen hoffe ich ja, dass es nicht zum Äußersten kommt, ich bin ihm so viel Dank schuldig. Und wenn meine Schwester nicht selbst das befreiende Wort gefunden hätte, dann hätte ich vielleicht nicht den Mut gefunden, mich für dich frei zu machen. Deshalb war ich so glücklich, als ihre Nachricht eintraf. Also mache dir um nichts Sorge, meine Lore. Und nun lasse ich dich allein weitergehen, so schwer es mir jetzt auch fällt, mich von dir zu trennen.«

Er presste seine Lippen auf ihre Hand, den Handschuh zurückstreifend.

»Auf Wiedersehen, Rudolf, lieber Rudolf«, stammelte sie.

»Der Himmel mag geben, dass du nicht zu schwere Kämpfe hast. Gott mit dir!«

»Auf Wiedersehen, Lore – meine Lore!«

Waltraut war, nun, da sie sich mit Jan ausgesprochen hatte, viel ruhiger geworden. Es war ein unbeschreibliches Glück für sie, sich mit ihm eins zu wissen. Sie konnte und wollte nicht glauben, dass unüberwindliche Hindernisse sie von ihm trennen könnten.

Aber sie wartete voll Unruhe auf die versprochene Depesche von Rudolf. Ihr Telegramm an ihn musste längst in seinen Händen sein. Wenn er bald danach mit dem Vater gesprochen hatte, würde sie seinen telegrafischen Bescheid bald bekommen. Wie würde er lauten? Sieg – oder Geduld? Es quälte sie ein wenig, dass sie sich Dora nicht anvertrauen konnte, aber sie tat es nur aus Rücksicht auf ihre Gastgeber, nicht aus mangelndem Vertrauen.

Jan war gestern wieder da gewesen und hatte ihr, als sie eine Weile allein waren, berichten können, was sein Vater zu ihm gesagt hatte. Nur von der Schuld seines Vaters, die dieser ihm beichten wollte, sprach er nicht, dazu fühlte er sich nicht ermächtigt. Aber von seiner rätselhaften Versicherung, dass sie beide heiraten könnten, ohne dass Waltrauts Vater sein Gelübde brechen müsse, erzählte er ihr. Waltraut schüttelte verständnislos den Kopf.

»Was kann er nur damit meinen, Jan?«

»Das weiß ich auch nicht. Vielleicht war es nichts als eine seiner kleinen Schrullen, aber es klang so deutlich und so klar. Wir dürfen natürlich nicht allzu viel Hoffnung darauf setzen, aber eines ist sicher, depeschiert uns dein Bruder ›Geduld‹ – dann reise ich sofort nach Deutschland und führe unsere Sache selbst. Auf einen andern kann und will ich mich da nicht verlassen, und wenn dein Bruder noch so zuverlässig ist. Das habe ich heute auch schon meinem Vater gesagt, und was meinst du, was er darauf geantwortet hat?«

»Nun?«

»Er sagte sehr ruhig und bestimmt: ›Dann werde ich dich begleiten, mein Junge, denn dann werde ich wohl auch noch ein Wörtchen mit dem Vater deiner Waltraut zu reden haben.

Inzwischen grüße sie herzlich von mir und sage ihr, dass ich die Wahl meines Sohnes von Herzen billige.‹«

Erstaunt sah sie ihn an.

»Er will dich begleiten?«

»Ja. Ich sagte ihm: ›Aber, Vater, wir können doch nicht beide fort von Larina?‹ Darauf erwiderte er mir: ›Es wird gehen müssen. Es wird einmal eine Zeit geben, wo ich nicht mehr bin, dann musst du Larina auch allein lassen, wenn du zum Klimawechsel nach Europa gehst. Harry Schlüter wird dann schon zuweilen hier bei uns nach dem Rechten sehen, und einer von uns beiden kehrt dann so schnell wie möglich hierher zurück.‹«

»Wie gut, wie sehr gut von deinem Vater, dass er so viel für uns tun will.«

Jan lachte.

»Er hat sich eben darauf versteift, dich zur Schwiegertochter zu bekommen, du hast es ihm angetan. Offen gesagt, ich war auch etwas verwundert, dass er so bestimmt seine Mitreise in Aussicht stellte. Aber er hätte nächstes Jahr ohnedies einen Klimawechsel vornehmen müssen, so ist es nicht schlimm, wenn er das schon ein Jahr früher tut. Er kann dann gleich drüben bleiben. Ich aber kehre so schnell wie möglich zu dir zurück, und hoffentlich mit guter Botschaft.«

Waltraut seufzte.

»Dann müssen wir uns für lange Wochen trennen.«

Er seufzte noch viel tiefer.

»Leider, leider! Aber ich hoffe, dass wir uns dann nie mehr zu trennen brauchen.«

Als Waltraut heute mit Dora auf der Veranda saß, während Harry Schlüter unten in den Plantagen weilte, kam der Dak Wallah (Postbote) und brachte ein Telegramm für Waltraut. Sie fasste mit zitternden Händen danach und bat Dora, dem Boten zu sagen, er möge warten, falls eine Rückantwort nötig sei. Das tat Dora auch und sah die Freundin besorgt an. Ein Telegramm war hier immerhin eine wichtige Angelegenheit. Und sie sah, dass Waltraut erblasste, als sie das Telegramm las.

»Du hast hoffentlich keine erschreckende Nachricht bekommen, Waltraut?«

Diese hatte mit trüben Augen auf das Wort »Geduld« herabgesehen, das ihr Rudolf depeschiert hatte. Sie wusste somit, dass Rudolfs erster Versuch, dem Vater seine Zustimmung zur Lösung ihres Verlöbnisses abzunötigen, fehlgeschlagen war. Sich, so gut es ging, fassend, sagte sie:

»Es ist nichts Erschreckendes, Dora, aber doch etwas, das mir keine Freude, sondern schwere Sorgen macht, ich hatte meinen Bruder um etwas gebeten, was er mir vorläufig nicht erfüllen kann. Sieh, er depeschiert mir: ›Geduld!‹ Das soll heißen, dass ich mich mit der Erfüllung meiner Bitte gedulden muss. Bitte, verzeihe mir, wenn ich dir nicht offen sagen kann, um was es sich handelt, ich – ich kann noch nicht darüber sprechen. Später sollst du es erfahren.«

»Aber, Waltraut, ich dränge mich doch nicht in dein Vertrauen.«

»So darfst du nicht reden, Dora, ich würde dir auch in dieser Sache, wie in allen andern Dingen, rückhaltlos vertrauen, aber ich darf es nicht, es – es geht mich nicht allein an. Du bist mir nicht böse?«

Dora küsste sie.

»Ganz gewiss nicht, Waltraut, ich fühlte nur, dass du etwas Unangenehmes oder gar Schmerzliches erfahren hast, denn du bist sehr blass geworden. Und ich hätte dir gern helfen mögen, wenn es in meiner Macht gestanden hätte.«

»Leider steht das nicht in deiner Macht. Aber nun lass uns von etwas anderem reden, und sage dem Dak Wallah, dass eine Antwort nicht nötig ist.«

Dora schickte den Postboten fort, und nun saßen die Freundinnen eine Weile stumm einander gegenüber. Waltraut sehnte sich nach Jans Nähe. Aber heute würde er wohl nicht schon wieder kommen, da er erst gestern hier gewesen war. Freilich kam er jetzt fast jeden Tag.

Jan hatte sich jedoch ausgerechnet, dass heute schon ein Telegramm kommen könne, und er war unten am Fluss mit Harry Schlüter zusammengetroffen. Dieser rief ihm lachend zu:

»Komme doch mit hinauf zu uns, Jan!«

»Das lasse ich mir nicht zweimal sagen, ich komme mit«, hatte Jan vergnügt geantwortet.

Und so kamen die beiden Herren hintereinander hergefahren und trafen zu gleicher Zeit in Saorda ein. Waltraut atmete erleichtert auf, und bald fand sich eine Gelegenheit, dass sie Jan mitteilen konnte, was Rudolf depeschiert hatte. Er zog die Stirne kraus, und seine Augen blitzten.

»Also dein Vater hat sich vorläufig geweigert, euren Wunsch zu erfüllen?«

»So ist es, Jan.«

Jan warf den Kopf zurück.

»Geduld kann ich jetzt weniger üben als je, Liebling. Wer weiß, wie lange man uns noch quälen wird. Das ertrage ich nicht. Und so bitter es jetzt für mich ist, mich von dir zu trennen, so ist es doch das Beste, ich reise sobald wie möglich nach Deutschland, um unsere Sache selber bei deinem Vater zu führen. Alle Achtung vor der Energie deines Bruders, aber wie die Sache liegt, kann ich nur auf mich selber bauen.«

Waltraut fürchtete sich vor einer Trennung von Jan und sagte ein wenig verzagt:

»Rudolf führt doch mit unserer Sache auch die seine, und er ist sehr energisch und zuverlässig.«

»Trotzdem, mein Liebling, selbst ist der Mann. Dies tatenlose Abwarten halte ich nicht aus. Ich rede noch heute Abend mit meinem Vater.«

Sie konnten jetzt nicht ungestört weiterreden. Als sie dann mit Schlüters beim Tee auf der Veranda saßen, kam abermals ein Dak Wallah mit einem Telegramm für Waltraut. Sie riss es auf und wurde blass bis in die Lippen.

»Sofort heimkommen. Nächsten Dampfer benutzen. Drahtantwort. Vater.«

Fassungslos sah sie auf diese Worte hinab und sank wie kraftlos in ihren Sessel zurück.

»Mein Gott, Waltraut, was ist dir?«, fragte Dora entsetzt.

Waltraut sah Jan mit einem unbeschreiblichen Blick an und reichte ihm stumm das Telegramm, als sei er der Nächste dazu. Das gab nicht nur Dora, sondern auch ihrem Gatten zu denken.

Jan las und sah Waltraut an. Und dann gab er Schlüters die Depesche. Beide waren sehr erschrocken.

»Das kann doch nicht sein! Waltraut, was mag da geschehen sein, dass dein Vater dich jetzt schon heimruft?«, rief Dora.

Jan und Waltraut hatten Auge in Auge dagesessen. Nun richtete sich Waltraut plötzlich auf und sagte mit bebender Stimme:

»Nun müsst ihr alles wissen, und nun darf ich euch auch alles wissen lassen, denn da mein Vater mich heimruft, müsst ihr erfahren, warum es geschieht.«

Und sie fasste mit krampfhaftem Druck Jans Hand und sagte erregt:

»Sprich du, Jan!«

Schlüters hörten schon aus diesen wenigen Worten, dass zwischen Jan und Waltraut etwas geschehen war. Jan nahm ihnen dann auch allen Zweifel, indem er sagte:

»Liebe Freunde, außer unsern Vätern sollt ihr die Ersten sein, die es erfahren, Waltraut und ich haben uns verlobt.«

Jubelnd fiel Dora Waltraut um den Hals, und Harry schüttelte dem Freunde die Hand. Aber er jubelte nicht, denn er merkte, dass nicht alles in Ordnung war. Waltraut küsste Dora und schob sie dann sanft von sich. Sie sah noch sehr blass aus.

»Es ist noch keine Veranlassung zum Jubel, Dora, unserer Liebe türmen sich große Hindernisse entgegen. Die Antwort meines Vaters auf mein Geständnis, dass ich mein Herz verschenkt habe, ist, dass er mich heimruft. Ihr sollt jetzt alles wissen, denn jetzt bringe ich euch nicht mehr in die fatale Lage, meinem Vater gegenüber meine Partei nehmen zu müssen.«

Und sie erzählte von ihrem Verlöbnis mit Rudolf, davon, dass sie es wieder gelöst und dass Rudolf ihrem Vater davon Mitteilung gemacht habe.

»Dies Telegramm meines Vaters ist die Antwort darauf, die nicht schroffer hätte ausfallen können. Darauf war ich nicht vorbereitet. Dass mich Vater so energisch heimruft, ist schlimm, sehr schlimm.«

»Aber du kannst doch die Reise nicht allein machen!«, sagte Dora.

»Das wird für Vater kein Grund sein, mich länger hierzulassen, da er sich denken kann, dass ich hier mein Herz verloren habe. Ich habe ihm auch damals, als ich meinen Besuch bei euch durchsetzen wollte, ehe ich wusste, dass ich mit deinem Vater reisen könnte, klargemacht, dass ich sehr gut allein reisen könne, wenn ich mich unter den Schutz des Kapitäns stellen würde. Ach, Jan, was soll nun werden?«

Er legte wie schützend den Arm um sie, glücklich, dass er das jetzt tun durfte.

»Sei nicht so erschrocken, Liebling, das sieht schlimmer aus, als es ist. Ich bin sehr zufrieden, dass ich mich nicht von dir zu trennen brauche, denn du wirst natürlich reisen, aber in meiner Begleitung.«

Dora hob beschwörend die Hände:

»Das geht doch nicht, Jan, das darf ich nicht zulassen. In Hamburg würde ja alles kopfstehen, wenn ihr beide zusammen angereist kämet.«

Jan hatte seine gute Laune wieder.

»Das würde ja vielleicht ganz nett aussehen, aber Hamburg wird uns nicht das Vergnügen machen. Denn wenn auch Waltraut unter meinem Schutze so sicher ist wie in Abrahams Schoß, so würde ich sie doch nicht in eine so prekäre Lage bringen, dass man in Hamburg kopfstehen müsste. Waltraut wird einfach unter dem Schutze meines Vaters reisen, wie sie unter dem Schutze von Frau Doras Vater hergekommen ist, und ich werde meinen Vater begleiten.«

Schlüters staunten ihn an, und Harry sagte:

»Dein Vater? Das wirst du wohl schwerlich durchsetzen, dass er mitreist.«

Energisch schüttelte Jan den Kopf.

»Ist schon alles abgemacht. Eigentlich wollten wir zwei, Vater und ich, allein reisen, ohne Waltraut, aber nun ist es mir um so lieber. Waltraut, Kopf hoch, freue dich, dass wir uns nicht trennen müssen.«

Sie fasste seine Hand und lächelte tapfer. Und Jan erzählte Schlüters nun alles Weitere, was sie noch wissen mussten. Dora atmete auf.

»Dann reist du freilich mit starker Ehrengarde, Waltraut, aber dass ich dich schon hergeben soll, ist sehr schmerzlich für mich.«

»Geben Sie sich zufrieden, Frau Dora, Sie werden Waltraut bald auf immer zurückbekommen, denn ich kehre ohne sie nicht wieder nach Larina zurück.«

Waltraut hielt ihm den Mund zu.

»Ach, Jan, sei nicht so sicher!«

Er küsste ihr die Hand.

»Willst du mich etwa aufgeben, wenn dein Vater Nein sagt?«

»Ach, Jan, Jan, mir ist das Herz so schwer!«

»Das mag ich nicht! Gleich machst du wieder ein frohes Gesicht. Es wird schon alles gut gehen. Dein Vater wird doch kein Ungeheuer sein, das uns unglücklich machen will. Zur Not riskiere ich einen Kniefall.«

Sie musste ein wenig lachen.

»Darauf sollte es mir auch wahrlich nicht ankommen, aber du kennst meinen Vater nicht, er kann sehr hart sein.«

»Das haben Väter zuweilen so an sich, aber es sieht meistens viel schlimmer aus, als es ist. Mache keine Sorgenaugen, Liebling, es wird alles gut gehen. Und jetzt wollen wir erst mal die Schiffsliste nachsehen und feststellen, welchen Dampfer wir benutzen können, damit der Dak Wallah gleich das Antworttelegramm an deinen Vater mitnehmen kann. Er wird sich inzwischen in der Küche gütlich getan haben, da wir ihn so lange vergessen haben.«

Mithilfe des Fahrplans stellten sie fest, dass ein sehr guter Dampfer am 12. Februar von Colombo abginge.

»Gut, reisen wir am zwölften Februar. Da haben wir noch sechs Tage Zeit, uns vorzubereiten«, sagte Jan und fertigte den Dak Wallah mit dem Antworttelegramm ab. Und dann schob er seinen Arm unter den Waltrauts und sagte lachend zu Schlüters:

»Ihr lieben Leute könnt vielleicht verstehen, da es noch nicht gar so lange her ist, dass ihr Brautleute waret, dass ich mit meiner Braut noch allerlei zu besprechen habe, wobei ihr überflüssig seid. Ich habe noch nicht einmal einen Verlobungskuss bekommen. Bitte, beurlaubt uns eine Stunde, wir gehen hinüber in den Pavillon.«

Und er führte Waltraut einfach davon. Schlüters sahen ihnen halb lächelnd, halb beklommen nach.

»Nun, Harry, was habe ich gesagt?«, fragte Dora.

Er küsste sie.

»Du bist eben eine eminent kluge Frau. Aber Gott mag geben, dass alles gut geht. Von allem anderen abgesehen, schon dass Waltraut für immer nach Ceylon gehen will, wird ihrem Vater nicht recht sein. Und dann sein Gelübde. Wenn ein Mann sich mit solchen Dingen das Leben beschwert, dann hat es in der Regel einen besonderen Grund.«

Dora atmete tief auf.

»Wunderschön wäre es aber, wenn Waltraut für immer hierherkäme, denke doch, welch ein Glück für mich.«

Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht.

»Dorle, um dich glücklich zu machen, wird Herr Roland seiner Tochter nicht seinen Segen zu dieser Verbindung geben.«

Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil III)

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