Читать книгу Genderlinguistik - Helga Kotthoff - Страница 31
3.1 Prosodie
ОглавлениеDie eingangs geschilderte Erfahrung macht deutlich, wie konstruiert weibliche und auch männliche StimmenStimme sind. Dies betrifft nicht nur Stimmen im öffentlichen Raum, auch die individuellen StimmenStimme enthalten weitaus mehr Kultur als Natur. Kaum etwas anderes an der Sprache hält man für so stark biologisch festgelegt wie die Stimme. Man muss sich jedoch nur in andere Gesellschaften begeben, um schnell festzustellen, dass die Menschen dort per se höhere, tiefere, rauhere, feinere, engere, sonorere, lautere etc. Stimmen bzw. modulierendere oder monotonere Stimmverläufe haben können als in Deutschland. Auch ein und dieselbe Person kann an sich selbst feststellen, dass sie beim Gebrauch einer anderen Sprache (z.B. Französisch) ihre Stimme anhebt (oder senkt). Selbst innerhalb Deutschlands gibt es Unterschiede: Eine StimmeStimme aus Bayern klingt anders als eine aus Hamburg. Niemand würde dafür Gene, Berge oder Meeresnähe verantwortlich machen. Man braucht auch nur 50 oder 80 Jahre zurückzugehen, um festzustellen, dass die StimmenStimme damals anders klangen. Frauenstimmen waren „nachgerade neurotisch“ hoch (Slembek 1995, 113). Diese kulturelle Stimmgestaltung umfasst ebenso die Genderisierung der StimmeStimme (Graddol/Swann 1989, 18–40). Es deutet vieles darauf hin, dass der größte Anteil an Stimm‚beschaffenheit‘ auf das Konto des sozialen Geschlechts (Gender) geht, also erlernt wird. Da Stimmen die Sprache nicht nur begleiten, sondern maßgeblich tragen, vermelden sie beständig die Geschlechtsinformation. Mehr noch als eine genderisierte Grammatik und Lexik prozessiert die Stimme permanent die Geschlechterdifferenz.1
Nach Geissner (1991, zit. in Slembek 1995, 110) entfallen bei der Wirkung einer SprecherIn nur 30 % auf Wörter und Sätze und 70 % auf das Wie des Sprechens. Das heißt, der Prosodie ist höchste Relevanz bzgl. der Glaubwürdigkeit des Gesagten beizumessen.