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4.1 Deklination – Genus – Sexus – Gender
ОглавлениеDie Genderlinguistik behandelt allenfalls die Genusklassifikation und fragt nach möglichen Bezügen zum Geschlecht der bezeichneten Person. Ist nur das biologische, meist an den GenitalienGenitalien orientierte Geschlecht gemeint (was auch für die hier ebenfalls zu berücksichtigenden TiereTiere gilt), spricht man von Sexus, während Gender die daran andockenden PraktikenKommunikative Aktivität der Geschlechterdarstellung (doing gender) meint (Kap. 1 und 2). Die linguistische Genusforschung, die hier rezipiert wird, praktiziert diese Sexus-Gender-Differenzierung jedoch nicht. Sie spricht fast ausschließlich von Sexus (engl. sex). Da viele Termini wie Genus-Sexus-Kongruenz fest etabliert sind, werden wir diesen biologistischen Terminus in diesem Kontext beibehalten.
Die meisten Menschen glauben schon lange an zwei Geschlechter und praktizieren sie hingebungsvoll. So nimmt es nicht wunder, dass dieses binäre Konzept tief in die deutsche Grammatik und Lexik eingesickert ist. Diese sedimentierten Strukturen beschreiben und analysieren wir im Folgenden. Das Genus- und das Flexionsklassensystem bilden besonders tiefe Schichten der Grammatik. Da wir ständig Substantive verwenden, die immer einem Genus und einer Flexionsklasse angehören, replizieren wir auch permanent die darin enthaltenen Geschlechterunterscheidungen und -ordnungen.
Wir beginnen mit dem linguistisch eher vernachlässigten Klassifikationssystem der Deklination. Hier fragen wir nach seinen Bezügen zum grammatischen (Genus), zum menschlichen und zum tierischen Geschlecht. Da Deklination und Genus partiell interagieren, sei schon hier vorausgeschickt, dass es einen sehr engen Bezug zwischen Geschlecht und Genus gibt: Fast alle Frauenbezeichnungen sind feminin und Männerbezeichnungen maskulin. Die Nominalklassifikation der Deklination wurde bislang von der feministischen Linguistik übersehen. Da diese sprachaktivistisch ausgerichtet ist, nimmt sie eher solche Phänomene in den Blick, die ‚kurier-‘ oder ‚justierbar‘ erscheinen. In diesen Bereich fallen Flexionsklassen nicht. Eine Genderlinguistik muss auch diesen sehr tief liegenden Bereich der Grammatik beleuchten. Denn die Grammatik bildet das Zentrum, den eigentlichen Stoff, die Identität einer Sprache.