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4.2.2 Starke Maskulina

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Eine andere Klasse bilden die starken Maskulina und Neutra mit s-Genitiv und e-Plural. Dabei lauten die Neutra niemals um, die Maskulina unter bestimmten Bedingungen, die viel mit Belebtheit zu tun haben. Dies ist eine junge Entwicklung, denn diese Maskulina speisen sich aus ursprünglich zwei Klassen im Ahd. (die Neutra traten erst später bei).1 Bei den Maskulina hat anschließend (seit dem Mhd.) eine Umsortierung nach Belebtheit stattgefunden: Maskulina mit menschlichem bzw. belebtem Denotat (Ärzte, Äbte, Generäle, Füchse, Frösche, Wölfe) haben eine ungleich höhere Wahrscheinlichkeit umzulauten als solche mit unbelebtem Denotat (Tage, Farne, Gutturale, Busse, Monde, Dolche). Doppeldeutiges Bund zeigt schön, dass zur Bezeichnung von Menschengruppen (Geheimbünde, Staatenbünde) Umlaut eintritt, nicht aber von Objektbezeichnungen (Schlüsselbunde). Köpcke (1994) hat von allen einsilbigen Maskulina dieser Klasse (940 Types) die umlautfähigen (400) herausgegriffen (d.h. solche mit a, o, u oder au als Wurzelvokal), um zu erfahren, ob und wann Umlaut ausgelöst wird. Von diesen 400 lauten 48 % um. Dabei steuert eine sog. „anthropozentrische Weltsicht“Anthropozentrismus (ebd., 83) das Umlautverhalten: Menschen(gruppen) lauten zu 79 % um (Ärzte, Päpste, Köche), Säugetiere zu 66 % (Füchse, Wölfe), Vögel zu 44 % (Hähne, Käuze), Fische, Reptilien, Amphibien und Insekten nur zu 14 % (Frösche) und Pflanzen (Bäume) zu 9 %. Mit der Nähe zum Menschen nimmt also der Pluralumlaut zu. Da Frauen unter den Maskulina nicht vorkommen, kann man auch sagen: Mit der Nähe zum Mann nimmt der Pluralumlaut zu, es liegt weniger eine anthropozentrische als eine androzentrische WeltsichtAndrozentrismus vor. Die seltenen (ca. 35) Feminina mit Umlaut im Plural spezialisieren sich nicht auf Frauen (sondern auf rein phonologische Merkmale des Nomens, Köpcke 2000b, 158f.; Nübling 2008, 304).

Interessanterweise befinden sich unter den 21 % der nicht-umlautenden Menschen- bzw. Männerbezeichnungen solche, die negative oder nicht ernstzunehmende Gestalten bezeichnen: Schufte, Strolche, Protze, Prolle, Schalke, Trolle, Faune. ‚Ehrenhafte‘, d.h. sozial anerkannte und einflussreiche, handlungsmächtige (agentive) Männer wurden dagegen im Laufe der Sprachgeschichte durch analogischen Umlaut erhöht (SalienzzuwachsSalienz): Päpste, Äbte, Ärzte, Pröbste, Vögte, Köche, Räte (Klein 2017, demn.).

Dies zeigt: Belebtheit, Geschlecht, soziales PrestigePrestige und Handlungsmacht sind Humankategorien, die tief in die Organisation von Flexionssystemen diffundiert sind und tagtäglich so häufig wie subtil reaktiviert werden. Deklinationsklassen erweisen sich als Speicher sozialer Verhältnisse (dabei durchaus historischer, siehe die an der sozialen Spitze stehende Geistlichkeit) und gleichzeitig als wirkungsvolle Reproduzenten derselben. Wahrscheinlich haben die Neutra an dieser Umlautklasse deswegen keinen Anteil, weil Neutra fast keine Lebewesen bzw., noch konsequenter, keine Männer bezeichnen. Darauf kommen wir in Kap. 4.2.6 ausführlich zurück.

Genderlinguistik

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