Читать книгу Ein Leben mit Bach - Helmuth Rilling - Страница 17
Interesse an Theologie
ОглавлениеSie haben Absetzungsneigungen erwähnt …
Ja, ich begann um diese Zeit, mich für die evangelisch-theologischen Seminare zu interessieren.
Ein Fluchtgedanke?
Ein bisschen vielleicht.
Zu den evangelisch-theologischen Seminaren …
Ich wusste von deren Existenz. Die Württembergische Evangelische Landeskirche betrieb damals in ehemaligen Klöstern vier Internatsschulen: in Schöntal, Urach, Maulbronn und Blaubeuren. Sie boten begabten Kindern die Möglichkeit, ein Gymnasium mit angeschlossenem Internat zu besuchen. Als die Rilling-Familie 1948 nach Stuttgart zog, bin ich schon kurz darauf für vier Jahre in die Seminarschulen Schöntal und danach Urach eingetreten. Dort gab es eine vorrangig humanistische Ausbildung mit Latein, Griechisch, auch Hebräisch. Das hing mit dem Schwerpunkt Theologie zusammen. Die Seminaristen wechselten zu achtzig Prozent nach dem Abitur ins Tübinger Stift zum Theologiestudium. Die Württembergische Landeskirche bot für diese Seminare ihre besten Pädagogen auf, um eine künftige Theologengeneration gut zu erziehen. Der Unterricht war hervorragend.
Neigten Sie beruflich zur Theologie?
Als ich 1952 in Urach abging, war ich nicht sicher, was ich werden wollte. Ich war an Theologie interessiert, was durch meine familiäre Herkunft auch vorgegeben war, habe aber nie ernsthaft erwogen, Theologe zu werden. Mein Interesse ging doch in Richtung Musik. Sie wurde in den Seminaren in Schöntal und Urach sehr gefördert. Jeder musste ein Instrument spielen und in Chören singen. Und da die Lehrer nicht nur sehr gut, sondern auch erfindungsreich waren, unterstützten sie die Interessen ihrer Schüler. Ich erinnere mich an Aufführungen von Haydn-Sinfonien, für die instrumentale Voraussetzungen fehlten, zum Beispiel Holz- und Blechbläser. Also wurde improvisiert. Was fehlte, wurde auf dem Klavier umgesetzt, und als Ersatz für fehlende Pauken schlug der Musiklehrer mit seinem Stiefel an das Podium. Wir musizierten jedenfalls mit Begeisterung in dieser Art.
An einen professionellen Weg zur Musik hatten Sie noch nicht gedacht?
Nein, die Musik spielte sich bis dahin mehr im Liebhaberbereich ab. Ich war wohl damals ein ganz ordentlicher Klavierspieler. So erinnere ich mich gerne an die freien Sonntagnachmittage in Schöntal, die ich mit meinem Schulfreund Adolf Adam am Klavier verbrachte. Vierhändig spielten wir begeistert Sinfonien von Haydn, Mozart und Beethoven. Er war besser als ich, spielte deshalb oben, ich die leichteren Bässe. In Urach kam bei mir die Orgel dazu. Und beim Schlusskonzert nach dem Abitur durfte ich den Cembalopart in Bachs V. Brandenburgischen Konzert auf dem Klavier spielen – eine große Herausforderung. Am Ende meiner Schulzeit fragte ich unseren Uracher Musiklehrer Fritz Aichele, ob ich vielleicht Musik studieren könne. Seine Antwort: »Lieber Helmuth Rilling, dafür sind Sie nicht begabt genug.«