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Zur Einführung Erfahrungszuwachs

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Das Alter und das Altern

Herr Rilling, das Alter beschäftigt unsere heutige Gesellschaft sehr. Mögliche Folgen des allgemeinen Alterungsprozesses werden ignoriert oder mit Sorge erörtert.

Fragen zum Alter betreffen alle Menschen. Für die Gruppe, zu der wir beide gehören, werden sie ständig aktueller und auch bedrängender. Für mich persönlich enthält das Älterwerden ein Positivum: Ich blicke dankbar zurück auf das, was ich in meinem Leben machen durfte, auf die vielerlei Möglichkeiten, die sich mir geboten haben und sich mir weiter bieten. Meine Gesundheit ist einigermaßen stabil, und so habe ich die Kraft, um wichtige und vor allem für mich persönlich bedeutsame Dinge zu bewältigen. Was ich allein innerhalb des Jahres 2010 und bis 2012 weltweit machen durfte, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit – und ich muss sofort hinzufügen, dass mit dieser Dankbarkeit ein Pflichtgefühl einhergeht.

Pflichtgefühl gegenüber wem?

Gott hat mir, so empfinde ich es, Gesundheit in meinem Alter nicht dafür gegeben, dass ich mich zur Ruhe setze, sondern damit ich mit der mir verfügbaren Kraft lebenslang gesammelte Erfahrungen weitergeben kann, sogar weitergeben muss. Das erkenne ich als Pflicht. Dieses Weitergeben verläuft in zwei Richtungen: Einerseits präsentiere ich die von mir aufgeführte Musik einem Publikum, das meine Konzerte schätzt. Das schließt die Ensembles mit ein. Mit denen erarbeite ich eine handwerklich-sachliche Voraussetzung für die zur Aufführung anstehenden Werke. Darüber hinaus versuche ich, heute vielleicht noch bewusster als früher, sie zum Verständnis des jeweiligen Werks hinzuführen, indem ich den Sinn des Stücks erläutere. Ich lade Publikum und Ausführende ein, zu verstehen, was der Komponist gewollt haben mag, wie man seiner Musik gerecht werden kann. Die zweite Ebene, für die ich dieses Pflichtgefühl empfinde, und das ausgesprochen stark, betrifft die Weitergabe meiner Erfahrungen und Einsichten an jüngere Menschen.

Sie meinen junge Musiker.

Hauptsächlich, ja. Wenn ich zum Beispiel auf das Jahr 2010 zurückblicke, dann gab es sehr viele Orte, an denen ich unterrichtet habe. Ich denke an Meisterkurse in Taipeh mit Bachs Johannes-Passion. Ich denke an das Oregon Bach Festival, bei dem die Meisterkurse zum Alltag gehören, und an viele weitere Situationen. Die Weitergabe von Erfahrungen, bei denen es nur am Rande um die Dirigiertechnik geht, die sich aber mehr auf das grundsätzliche Verständnis von Musik beziehen, empfinde ich als vorrangig wichtig. Das ist die zweite Ebene, wo meine Dankbarkeit eine Verpflichtung beinhaltet.

Ein Leben mit Bach

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