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4. Prüfungsreihenfolge bei Haftungsfällen

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A. 306 Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids I. Ermächtigungsgrundlage: § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AO II. Formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids: Zuständigkeit, Form (Schriftform, § 191 Abs. 1 Satz 3 AO; Begründung, § 121 AO), Verfahren (zB § 91 AO: Anhörung) III. Materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids: 1. Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AO („wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet“) a) Vorliegen einer Steuerschuld (Grundsatz der Akzessorietät: Ist die Steuerschuld nicht entstanden oder durch Erfüllung bzw Aufrechnung erloschen, entfällt die Haftung, § 44 Abs. 2 Satz 1–2 AO. Bei Erlass und Verjährung der Steuerschuld entfällt zwar nicht die Haftung, jedoch darf ein Haftungsbescheid wegen § 191 Abs. 5 AO grds nicht mehr ergehen.) b) Vorliegen eines Haftungstatbestands (§§ 69 ff AO, Einzelsteuergesetze und Zivilrecht) c) Haftung kraft Gesetzes: Bei Haftung kraft Vertrages (zB § 48 Abs. 2 AO, § 765 BGB) wäre eine Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid rechtswidrig; die Behörde ist insoweit auf den Klageweg vor den Zivilgerichten verwiesen, vgl § 192 AO. 2. Umfang der Haftung: Liegen Haftungsbeschränkungen vor? (zB § 74 Abs. 1 Satz 2, § 75 Abs. 1 Satz 2, § 76 AO) 3. Festsetzungsverjährung: § 191 Abs. 3 iVm §§ 169 ff AO 4. Rechtsfolge: Ermessen (§ 5 AO)
B. 307 Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme (Zahlungsaufforderung) I. Rechtsgrundlage: § 219 AO II. Vorliegen eines rechtmäßigen oder bestandskräftigen Haftungsbescheids III. Grundsatz der Subsidiarität nach § 219 Satz 1 AO: primäre Inanspruchnahme des Steuerschuldners, Ausnahmen: Aussichtslosigkeit (§ 219 Satz 1 AO oder § 219 Satz 2 AO) IV. Zahlungsverjährung: § 228, § 229 AO V. Rechtsfolge: Ermessen (§ 5 AO)

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Lösung Fall 11 (Rn 293):

Schuldner der Lohnsteuer ist grds der Arbeitnehmer, § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG, also kann A in Anspruch genommen werden[91]. Fraglich ist, ob auch U als Arbeitgeber in Anspruch genommen werden kann. Eine Zahlungsaufforderung nach § 219 AO könnte mit dem Haftungsbescheid verbunden werden. Dann müsste zunächst ein Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 1 AO rechtmäßig ergehen können. Vom Vorliegen der formellen Voraussetzungen ist auszugehen. Materiell müssten zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen des § 191 Abs. 1 AO vorliegen. Dazu müsste U kraft Gesetzes für die Lohnsteuer haften. U haftet nach § 42d Abs. 1 Nr 1 EStG für die Lohnsteuer, die er gem. § 38 Abs. 3 EStG einzubehalten und gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr 2 EStG abzuführen hat; A und U sind also Gesamtschuldner (§ 42d Abs. 3 Satz 1 EStG). Der Erlass eines Haftungsbescheids steht gem. § 191 Abs. 1 AO im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde nach § 5 AO. Dieses müsste die Behörde fehlerfrei ausüben. Für das Entschließungsermessen gilt insoweit, dass eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers dann von vornherein ausgeschlossen ist, wenn die Ursachen für die fehlerhafte Einbehaltung der Lohnsteuer in der Sphäre des FA liegen[92]. Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Bzgl des Auswahlermessens stellt sich die Frage, ob nicht zunächst A als der Schuldner der Lohnsteuer in Anspruch genommen werden muss. Nach § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG kann der Arbeitnehmer im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft nicht in Anspruch genommen werden, wenn er davon ausgehen kann, dass sein Arbeitgeber die einbehaltene Lohnsteuer auch ordnungsgemäß abgeführt hat. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können als Gesamtschuldner (§ 44 AO) in Anspruch genommen werden. Da der Arbeitgeber die Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer jedoch bewusst versäumt hat, ist seine primäre Inanspruchnahme ermessensfehlerfrei[93]. Aus dem Subsidiaritätsgrundsatz des § 219 Satz 1 AO kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, da dieser wg § 219 Satz 2 AO iVm § 38 Abs. 3 Satz 1, § 41a Abs. 1 EStG für den Fall der Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers nicht gilt. Wenn U die abzuführende Lohnsteuer beim FA angemeldet hat (Rn 533 f), bedarf es gemäß § 42d Abs. 4 Satz 1 Nr 1 EStG keines Haftungsbescheids, um U für die Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen. Gleiches gilt für die pauschale Lohnsteuer, § 42d Abs. 4 Satz 2 EStG.

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