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I. Zurechnung von Wirtschaftsgütern (§ 39 AO)

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Fall 13:

Unternehmer U möchte für sein Unternehmen einen Pkw anschaffen. Dafür schließt er mit L ein Leasingvertrag mit den folgenden Abreden: Die unkündbare Vertragslaufzeit (Grundmietzeit) soll acht Jahre betragen (dies entspricht der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Pkw). Nach Ablauf der Grundmietzeit soll U kein Recht auf Kauf des Pkw oder Verlängerung des Leasingvertrags zustehen. Der Pkw kostet in der Anschaffung 30.000 €. Die monatliche Leasingrate beläuft sich auf 320 €. U möchte wissen, ob es ihm bei dieser Vertragsgestaltung möglich ist, die Leasingraten als Betriebsausgaben abzuziehen.

Abwandlung: Der Vertrag enthält nur noch eine Grundmietzeit von vier Jahren, allerdings steht A nun die Möglichkeit zu, den Pkw nach der Grundmietzeit zum gemeinen Wert zu kaufen oder den Leasingvertrag zu den gleichen Konditionen um weitere vier Jahre zu verlängern. Ist der Fall anders zu beurteilen?

Rn 319

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Grds ist der bürgerlich-rechtliche Eigentümer auch der wirtschaftliche Eigentümer. Dementsprechend regelt § 39 Abs. 1 AO, dass die steuerrechtliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Regelfall der privatrechtlichen folgt. Hat jedoch ein anderer als der bürgerlich-rechtliche Eigentümer wirtschaftlich die Eigentümerposition inne, so ist gem. § 39 Abs. 2 Nr 1 AO ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Wirtschaftlicher Eigentümer ist nach dieser Regelung derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über ein Wirtschaftsgut dergestalt ausübt, dass er den nach bürgerlichem Recht Berechtigten im Regelfall auf Dauer von der Nutzung des Wirtschaftsguts ausschließen kann[96].

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Als wirtschaftlichen Eigentümer erkennt die Rspr aber auch denjenigen an, dessen Einwirkungsmöglichkeit zwar die Lebensdauer des Wirtschaftsguts unterschreitet, dem jedoch für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf den Ersatz des Verkehrswerts zusteht, der sich entweder aus Vereinbarung oder aus Gesetz ergibt[97]. Diese Rspr ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus § 39 Abs. 2 Nr 1 Satz 1 AO, entspricht aber der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. IÜ erfordert § 39 Abs. 2 Nr 1 AO eine wertende Zuordnung zu verschiedenen Fallgruppen, die stets daran auszurichten ist, ob dem Nichteigentümer eine eigentumsähnliche Rechtsposition eingeräumt wurde[98]. Regelmäßig ergibt sich die Reichweite der den rechtlichen Eigentümer „verdrängenden“ Rechtsposition aus den zugrunde liegenden Vereinbarungen[99]. Folge der Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer ist ua, dass dieser Schuldner derjenigen Steuern ist, die auf der Herrschaftsgewalt über das Wirtschaftsgut beruhen.

Bedeutung hat § 39 Abs. 2 Nr 1 Satz 1 AO vor allem im Bereich des Eigentumsvorbehalts, der Sicherungsübereignung (dazu Rn 320), des Nießbrauchs und des Leasings[100]. Grundsätzlich führt die Nießbrauchsbestellung nicht zur Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums, da der Nießbraucher nur abgeleiteten Besitz ausübt und den zivilrechtlichen Eigentümer nicht auf Dauer von Substanz und Ertrag ausschließen kann[101]. Allerdings kann die Vereinbarung eines sog. Vorbehaltsnießbrauchs bei der Übertragung eines Gesellschaftsanteils den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verhindern, wenn der Nießbraucher weiterhin alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann[102].

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Lösung Fall 13 (Rn 316):

Ob U die Leasingraten als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehen kann, ist davon abhängig, ob der Pkw dem U oder dem L zuzurechnen ist. Bei der Zurechnung von Wirtschaftsgütern geht § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich davon aus, dass diese dem Eigentümer zuzurechnen sind und meint damit allein den zivilrechtlichen Eigentümer. Nur wenn die besonderen Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO vorliegen, wird das Wirtschaftsgut abweichend dem sog. wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet, wenn dieser die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut in einer Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Dies ist grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. U steht der Pkw für die gesamte gewöhnliche Nutzungsdauer zur Verfügung. In der Grundmietzeit kann der Vertrag nicht gekündigt werden, sodass U den L für die gesamte Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Pkw ausschließen kann[103]. Somit ist U wirtschaftlicher Eigentümer. Als wirtschaftlicher Eigentümer muss U die Anschaffungskosten aktivieren (Rn 897 ff) und kann AfA vornehmen (Rn 938 ff).

Lösung der Abwandlung:. Die Grundmietzeit beträgt nur 50 % der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. U kann L somit nicht für die gesamte Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Pkw ausschließen. Allerdings steht U die Option zu, den Leasingvertrag zu verlängern oder den Pkw zu kaufen. Dies allein genügt allerdings nicht für die Zurechnung des Pkw zu U[104]. Zusätzlich muss der für den Fall der Ausübung des Optionsrechts vorgesehene Kaufpreis niedriger sein als der unter Anwendung der linearen AfA ermittelte Buchwert oder der niedrigere gemeine Wert im Zeitpunkt der Veräußerung[105]. Daher ist zusätzlich zu fordern, dass mit der Optionsausübung zu rechnen ist. Da weder eine Verlängerung des Vertrags noch der Kauf als „wirtschaftlich“ günstig anzusehen ist, ist nicht von vorherein von der Inanspruchnahme des Optionsrechts auszugehen, sodass der Pkw dem L zuzurechnen ist. A kann in diesem Fall, die Leasingraten als Betriebsausgaben abziehen.

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§ 39 Abs. 2 Nr 1 Satz 2 AO betrifft Treuhandverhältnisse, Sicherungseigentum und Eigenbesitz. Diese Norm, die auf die tatsächliche Sachherrschaft abstellt[106], hat vor allem Bedeutung bei der Bilanzierung von Betriebsvermögen. Die Einräumung einer Treuhand oder eines Sicherungseigentums führt also grundsätzlich nicht zur Verlagerung des wirtschaftlichen Eigentums, da die rechtliche Eigentümerstellung regelmäßig nur eine formale Position ist[107].

Beispiel:

U übereignet seiner Bank B sein Warenlager zur Sicherung der gegen ihn bestehenden Forderungen und kauft von V einen Lkw unter Eigentumsvorbehalt. Rechtlich ist die Bank B Eigentümerin des Warenlagers geworden, wirtschaftlich betrachtet hat sie jedoch nur ein (besitzloses) Pfandrecht. Das Warenlager bleibt gem. § 39 Abs. 2 Nr 1 Satz 2 AO im Betriebsvermögen des U. Was den Lkw angeht, so bleibt V bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises (vgl § 449 BGB) Eigentümer. Solange U seine Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllt, hat er jedoch ein Recht zum Besitz an dem Lkw gem. § 986 Abs. 1 BGB und kann den V von der Einwirkung auf den Lkw ausschließen. Daher ist nach § 39 Abs. 2 Nr 1 Satz 1 AO auch der Lkw dem Betriebsvermögen des U zuzurechnen.

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Anders als § 39 Abs. 2 Nr 1 AO, der Wirtschaftsgüter steuerrechtlich einer anderen Person als vom Zivilrecht vorgesehen zurechnet, ist § 39 Abs. 2 Nr 2 AO eine Aufteilungsvorschrift.

Diese setzt sich über das zivilrechtliche Prinzip der Gesamthand, das bei Personengesellschaften (GbR, OHG, KG), Erbengemeinschaft sowie Gütergemeinschaft gilt, hinweg, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (§ 39 Abs. 2 Nr 2 aE AO). Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn nicht die Gesamthandsgemeinschaft als solche, sondern die einzelnen Gesamthänder der Steuer unterworfen sind. Im Bereich der Einkommensteuer wird für die Besteuerung der Mitunternehmer einer Mitunternehmerschaft der § 39 Abs. 2 Nr 2 AO durch den spezielleren § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr 2 EStG verdrängt[108]. Jedoch ist § 39 Abs. 2 Nr 2 AO im Einkommensteuerrecht für vermögensverwaltende Personengesellschaften anzuwenden (Rn 1166 ff). Obwohl auch hier (zivilrechtlich) das Gesamthandsvermögen den Gesamthändern gemeinsam zusteht und der einzelne Gesamthänder weder über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen kann (§ 719 Abs. 1 BGB iVm § 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB; § 1419 Abs. 1 BGB; teils abweichend § 2033 Abs. 2 BGB), wird das Gesamthandsvermögen in diesen Fällen für die Besteuerung so behandelt, als ob es den Gesamthändern nach Bruchteilen (vgl §§ 741 ff BGB) gehörte. Dagegen ist eine getrennte Zurechnung wiederum nicht gem. § 39 Abs. 2 Nr 2 aE AO erforderlich, wenn die Gesamthandsgesellschaft als solche Steuersubjekt ist. Dies ist insb bei der Umsatzsteuer (§ 13a Abs. 1 Nr 1, § 2 Abs. 1 UStG), bei der Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG) und bei der Grunderwerbsteuer (§ 13 Nr 5 lit. a, Nr 6 GrEStG) der Fall.

Zu beachten ist, dass § 39 AO unmittelbar nur die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, nicht die persönliche Zurechnung von Einkünften (dazu Rn 594) betrifft. Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der sie erzielt (vgl Rn 240), also zB die steuerpflichtige Tätigkeit ausübt (s. Einkunftsarten, Rn 699 ff).

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