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(1) Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks

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Ausgangspunkt jeder Überprüfung auf eine etwaige Verwechslungsfähigkeit ist nach der höchstrichterlichen Rspr der Gesamteindruck der Zeichen (BGH MarkenR 2016, 157, 162 Rn 37 – BioGourmet; MarkenR 2011, 36, 38 Rn 38 – Goldhase II; MarkenR 2007, 31, 34 – Goldhase I; MarkenR 2006, 402, 404 – Malteserkreuz; MarkenR 2005, 519 – coccodrillo; GRUR 2005, 326 – il Padrone/Il Portone; GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; GRUR 2003, 963 – AntiVir/AntiVirus; GRUR 2002, 1067, 1069 – DKV/OKV; GRUR 2002, 814, 815 – Festspielhaus; GRUR 2002, 809, 811 – FRÜHSTÜCKSDRINK I; OLG Frankfurt GRUR-RR 2008, 191 – Goldhase II mit krit Anm Hartwig/Kutschke, GRUR-RR 2008, 185; BPatG MarkenR 2006, 553, 554 – Drillisch ALPHATEL/ALCATEL; EuGH MarkenR 2012, 482 – TOFUKING/Curry King; MarkenR 2007, 315 – Limoncello/LIMONCHELO; MarkenR 2006, 527, 530 – Turkish Power/POWER; GRUR 2005, 1042 – THOMSON LIFE; GRURInt 2004, 843 – Matratzen Concord; GRUR 1998, 387 – Sabèl/Puma).

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Dieser zu beurteilende Gesamteindruck hinsichtlich der gegenüberstehenden Marken erfolgt dabei regelmäßig in zwei Schritten. Zunächst ist zu überprüfen, ob die Marken insg verwechslungsfähig sind (EuGH MarkenR 2007, 315 – Limoncello/LIMONCHELO), bevor die iRd vom BGH entwickelte Prägetheorie oder nach den vom EuGH entwickelten Grundsätzen über die selbstständig kennzeichnende Stellung eine Verwechslungsgefahr anhand einer Ähnlichkeit einzelner Markenbestandteile überprüft werden kann. In der Praxis ist eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der gesamten mehrgliedrigen Marke nur relativ selten anzutreffen, in aller Regel wird die Ähnlichkeit an der Gegenüberstellung der prägenden oder selbstständig kennzeichnenden Bestandteile zu bemessen sein. Bei der Beurteilung des Gesamteindruckes der Zeichen sind sämtliche Bestandteile einzeln und in ihrem Zusammenspiel zu bewerten. Die Gewichtung der einzelnen Bestandteile hängt nicht zuletzt davon ab, welche Kennzeichnungskraft sie aufweisen und inwieweit das Publikum im jeweiligen Bestandteil einen Herkunftshinweis erblicken kann (BGH MarkenR 2011, 36, 39 Rn 32 – Goldhase II); eine herkunftshinweisende Funktion kann dann ausscheiden, wenn das Merkmal nach Auffassung des Publikums nur ästhetischen Zwecken dienen soll (BGH MarkenR 2011, 36, 39 Rn 25 – Goldhase II für ein Bändchen mit Glocke; MarkenR 2006, 274 – Porsche Boxster). Doch auch kennzeichnungsschwache Bestandteile sind im Rahmen des Gesamteindrucks zu berücksichtigen (EuG 3.3.2010 – T-321/07 – A+/Air Plus International). Eine Verwechslungsgefahr ist aufgrund des Gesamteindruckes der Marke (unter Einbeziehung der nichtprägenden Bestandteile) dann denkbar, wenn gerade durch die Häufung ähnlicher nichtprägender Bestandteile der Gesamteindruck einer Verwechslungsgefahr begründet wird, bzw wenn ein prägender Bestandteil für sich genommen zwar nicht mit demjenigen der gegenüberstehenden Marke verwechslungsfähig wäre, dies jedoch durch einen identischen nichtprägenden Zusatz ausgeglichen wird (BGH GRUR 2005, 326 – il Padrone/Il Portone: Padrone und Portone wären möglicherweise für sich genommen nicht verwechslungsfähig, durch die Hinzufügung des italienischen Artikels nähern sich die gegenüberstehenden Marken einander an; vgl auch BGH GRUR 2004, 783, 784 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; BPatG GRUR 2000, 1052 – Rhoda-Hexan/Sota-Hexal).

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Ausnahmsweise kann ein Zeichen vernachlässigbare Elemente enthalten, die nicht den Gesamteindruck der Marke mitbestimmen (EuGH MarkenR 2010, 382 Rn 47 – Calvin Klein).

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Die nachfolgend unter lit bbb) dargestellte, vom BGH entwickelte Prägetheorie eignet sich, wenn mindestens bei einer der gegenüberstehenden Zeichen ein Bestandteil der Marke diese so dominiert, dass die übrigen Bestandteile beim Vergleich der Zeichen außer Acht gelassen werden können. Die vom EuGH entwickelte Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles (unten lit ccc) eignet sich für zusammengesetzte Marken, die aus mehreren für sich genommen kennzeichnungskräftigen Bestandteilen bestehen. Diese Theorien schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander und stellen eigene, nebeneinander stehende Fallgruppen innerhalb der Verwechslungsgefahr dar (so auch Fezer GRUR 2013, 209, 215). Teilweise wird vertreten, die Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles sei vorab dahingehend zu prüfen, ob der Verkehr von zwei selbstständigen Kennzeichen ausgehe (Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 419); der BGH scheint in einigen Entscheidungen die Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles als Sonderfall der Prägetheorie zu behandeln (BGH GRUR 2009, 772 – Augsburger Puppenkiste; GRUR 2008, 90, – SIERRA ANTIGUO), in anderen prüft er zunächst die Verwechslungsgefahr anhand der Prägetheorie, anschließend nach der Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles (BGH GRUR 2009, 484 – METROBUS). Andere halten eine Prüfung nach der Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles für einen nachrangigen Prüfungsschritt (Ströbele/HackerThiering/Hacker § 9 Rn 381). Die erstgenannte Ansicht schränkt mE den Anwendungsbereich der Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles zu weitgehend ein, indem sie nur in Fällen angenommen werden soll, in denen die selbstständig kennzeichnenden Bestandteile als nebeneinander stehende Zeichen angesehen werden (s auch Fezer GRUR 2013, 209, 246 lit dd). Für letztgenannte Ansicht spricht zudem der Umstand, dass im Rahmen der Prägetheorie die gegenüberstehenden Zeichen nach denselben Grundsätzen auf prägende Bestandteile zu prüfen sind, während bei der Theorie des selbstständig kennzeichnenden Bestandteiles nur innerhalb des jüngeren Zeichens geprüft wird, ob das ältere (oder ein damit ähnliches) Zeichen darin eine selbstständig kennzeichnende Stellung einnimmt (Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 381).

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