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(2) Prägetheorie

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Ist nicht schon nach diesen allg Grundsätzen eine Verwechslungsgefahr als gegeben anzunehmen, sind die vom BGH herausgearbeiteten Grundsätze zur Prägetheorie anzuwenden. Hiernach ist von einer Verwechslungsgefahr auszugehen, wenn der übereinstimmende Bestandteil beider Marken den Gesamteindruck der jeweiligen Zeichen prägt. Die Prägetheorie stellt letztendlich eine Konkretisierung des Grundsatzes dar, dass der beim Publikum entstehende Gesamteindruck der Marken maßgeblich sein soll (Ingerl/Rohnke nehmen dagegen an, dass die Prägung durch einen Bestandteil Bestätigung und Ausnahmefall zur Regel der Maßgeblichkeit des Gesamteindruckes zugleich sei, § 14 Rn 1014). Die Prägetheorie darf jedoch nicht dazu führen, dass nur noch eine Beurteilung einzelner Bestandteile einer komplexen Marke erfolgt; vielmehr sind die Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen (EuGH MarkenR 2007, 315 – Limoncello/LIMONCHELO). Die Prägetheorie kommt mithin ausschließlich dann zur Anwendung, wenn einzelne Bestandteile für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. Auch nicht dominante (Bild-)Bestandteile dürfen bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht unberücksichtigt bleiben (EuGH 20.9.2007 – Rs C-193/06 P Rn 44 ff – QUICKY/QUICKIES).

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Ob eine Marke durch einen Zeichenbestandteil geprägt ist, bestimmt sich anhand der betreffenden Marke selbst, ohne Rücksicht auf die Vergleichsmarke (BGH GRUR 2002, 342, 343 – ASTRA/ESTRA-PUREN; GRUR 2000, 895, 896 – EWING; GRUR 1996, 198, 199 – Springende Raubkatze; BPatG GRUR 2012, 529, 530 – Fotografierter Schuh; MarkenR 2006, 77, 78 – BIG LEXX).

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Der BGH nimmt im Rahmen der Prägetheorie an, dass ein Zeichen durch einen Bestandteil geprägt wird, wenn die weiteren Bestandteile für den Verkehr in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling; GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT; WRP 2003, 889, 890 – Goldbarren; GRUR 2000, 1031, 1032 – Carl Link; GRUR 2000, 883, 885 – PAPPAGALLO; GRUR 2000, 233, 234 – RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 1999, 995, 997 – HONKA; so auch OLG Hamburg MMR 2007, 653, 654 – G-Mail/GMail). Tw stellt er darauf ab, dass hinreichende Anhaltspunkte aus der allg Lebenserfahrung vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, das Publikum werde andere Bestandteile bei der Wahrnehmung des Zeichens vernachlässigen (BGH GRUR 2002, 167, 169 – Bit/Bud). Nach einer Entsch reiche es sogar bereits aus, wenn das Publikum dem Bestandteil die maßgebliche kennzeichnende Bedeutung beimesse und den weiteren Bestandteilen weniger Beachtung schenke (BGH GRUR 2000, 1028, 1029 – Ballermann).

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Zur Anwendung der Prägetheorie muss sich die Marke in einzelne Bestandteile zerlegen lassen. Dies kommt insb bei Kombinationsmarken, aber auch beispielsweise bei Wortmarken, welche aus mehreren Einzelwörtern bestehen, in Betracht. Zunächst nahm die Rspr eine mehrgliedrige Marke zwar dann an, wenn einzelne Wörter durch Bindestriche getrennt sind, ging jedoch von einer einheitlichen Marke aus, sofern mehrere Wörter zusammengeschrieben (BGH GRUR 2013, 1239, 1242 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2008, 909 – Pantogast; GRUR 2008, 905 – Pantohexal) und durch groß geschriebene Mittelbuchstaben getrennt werden (BGH GRUR 2003, 963 – AntiVir/AntiVirus; auch in der Entscheidung BGH GRUR 2001, 1161, 1162 – CompuNet/ComNet ging der BGH von einem Einwortzeichen aus.) Gerade bei der zunehmenden Bedeutung von Domainstreitigkeiten ist zu berücksichtigen, dass bei der Registrierung einer Internetdomain eine Verwendung von Leerzeichen nicht möglich ist (OLG Hamburg MMR 2002, 682 – siehan.de; vgl § 14 Rn 256), weshalb die Zusammenschreibung verstärkt sowohl innerhalb als auch außerhalb der Verwendung in Domainbezeichnungen oder SMS-Handy- bzw -Smartphone-Kurzmitteilungen verwendet wird, so dass eine unterschiedliche Behandlung von zusammengesetzten Worten – sei es durch Abtrennung mit Bindestrichen oder durch Benutzung von großen Mittelbuchstaben (Binnenkapital) – willkürlich erscheint. Die Rspr wendet inzwischen die Prägetheorie ausdrücklich auch auf Einwortzeichen an, soweit sie erkennbar aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind (BGH GRUR 2008, 905 Rn 38 – Pantohexal; GRUR 1999, 735 – MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 1998, 924, 925 – salvent/Salventerol; BPatG GRUR 2002, 438, 440 – WISCHMAX/Max – dort iE abl; Fuchs-Wissemann GRUR 1999, 522). Ein einsilbiges Einwortzeichen wird regelmäßig nicht aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sein (EuG 5.10.2005 – Rs T-423/04, Volltext-ID: 3K267320, unter volltextservice.luchterhand.de – BK Rods/B.K.R.).

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Der BGH differenzierte seine Prägetheorie zwischenzeitlich in verschiedenen Fallgruppen aus. Danach sind zunächst schutzunfähige und kennzeichnungsschwache Elemente eines Zeichens als nichtprägend anzusehen. Gleiches soll für Bestandteile gelten, die in einen Gesamtbegriff einbezogen sind. Im Weiteren stellt er Grundsätze zur Bewertung auf, nach welchen das Publikum einen Gesamteindruck einer zusammengesetzten Marke gewinnt. Eine Sondergruppe sollen Firmennamen und Stammbestandteile darstellen, welche nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles zu bewerten sind. Dies kann dazu führen, dass der Gesamteindruck einer Marke ausschließlich durch einen Bestandteil geprägt wird (BGH GRUR 2002, 626, 628 – IMS).

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Im Einzelnen:

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Schutzunfähige und kennzeichnungsschwache Elemente

Auch kennzeichnungsschwache und schutzunfähige Elemente können im Rahmen einer mehrgliedrigen Marke eingetragen werden, sofern sich die Kennzeichnungskraft und Schutzwürdigkeit aufgrund der übrigen Elemente im Hinblick auf die Gesamtmarke und deren Gesamteindruck begründen lässt (vgl § 8 Rn 45). Bei der Prüfung, welcher Bestandteil einer Marke prägend ist und welcher nicht, erfolgt mithin eine Inzidentprüfung, ob einzelne Markenbestandteile schutzunfähig (vgl § 8) bzw kennzeichnungsschwach (vgl Rn 269) sind (BPatG GRUR 1996, 413).

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Eine Verwechslungsgefahr ist aufgrund schutzunfähiger Bestandteile nicht begründbar (BGH GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder I; GRUR 2001, 1158, 1160 – Dorf MÜNSTERLAND; GRUR 2000, 608, 610 – ARD-1; OLG Jena MarkenR 2010, 500, 501 – Ovale Umrandung; OLG Köln GRUR-RR 2003, 42, 44 – Anwalts-Suchservice; EuG 17.10.2012 – T-485/10 – Miss B/Miss H; vgl aber EuG 9.3.2012 – T-172/10 – BASE-SEAL/COLAS, bei dem das EuG eine Zeichenähnlichkeit wegen der die Wortbestandteile umgebenden Rauten annahm; die letztgenannte Entscheidung begegnet erheblichen Bedenken, da eine Raute auch im dortigen Segment, dh chemische Erzeugnisse, nicht über eine übliche Gestaltung hinausgehen dürfte), unabhängig davon, ob das Publikum tatsächlich die gegenüberstehenden Marken verwechselt. Ein schutzunfähiger Bestandteil kann aus Rechtsgründen keine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke bewirken. Es ist jedoch zunächst von der Schutzfähigkeit der eingetragenen Marke auszugehen (BGH GRUR 2002, 626, 628 – IMS; GRUR 2000, 888, 889 – MAG-LITE; GRUR 2000, 608, 610 – ARD-1). Der BGH hebt zutreffend hervor, dass die Schutzfähigkeit der Marke in der eingetragenen Form ihr nicht abzusprechen sein darf. Diese geht allerding über den schutzunfähigen Bestandteil hinaus, weshalb der Schutz nur auf die konkrete Kombination beschränkt sein und nicht auf dem Umweg der Hinzufügung eines einzelnen, ebenfalls schutzunwürdigen Bestandteiles ein Schutz für freihaltungsbedürftige Bestandteile erreicht werden darf. Allerdings ist es möglich, dass eine jüngere Marke die Kennzeichenrechte der älteren Marke durch die Hervorhebung eines für sich genommen schutzunfähigen Bestandteiles verletzt; dies ist dann anzunehmen, wenn das angesprochene Publikum den Bestandteil zwar als beschreibend erkennt, ihn jedoch beispielsweise wegen der besonderen grafischen Gestaltung als dominierendes Element wahrnimmt (BGH MarkenR 2016, 46, 48 Rn 18 – BSA/DAS; EuGH MarkenR 2015, 543 Rn 20 ff – BGW). Gleichfalls kann die Übernahme der konkreten Kombination für sich genommen schutzunfähiger Bestandteile eine Zeichenähnlichkeit begründen. Dies nahm der BGH beispielsweise für die Begriffe Bio und Gourmet, die jeweils oval umrandet waren an, auch wenn die ältere Marke Bio vorweg-, die jüngere Marke diesen Bestandteil hintangestellt hat (BGH MarkenR 2016, 157, 162 Rn 37 – BioGourmet).

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Im nächsten Schritt sind kennzeichnungsschwache Bestandteile zu betrachten, die in aller Regel nicht als prägend anzusehen sind. Als solche sind zunächst rein beschreibende Elemente aufzuführen (BGH Beschl v 23.10.2014, I ZR 37/14, K&T 2015, 398 Rn 15, juris; GRUR 2002, 626, 628 – IMS; EuG MarkenR 2006, 431 – ECHINACIN/ECHINAID; HABM GRUR-RR 2006, 403, 406 – Oktobierfest/OKTOBERFESTBIER). Zu diesen gehören insb Rechtsformzusätze wie AG, GmbH, oHG, GbR pp. (BGH MarkenR 2015, 437, Rn 46 – IPS/ISP, juris; GRUR 2008, 258 – INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2002, 626, 628 – IMS zum Zusatz GmbH; dies gilt nach OLG Köln WRP 2007, 346 – W.I.S./WISAG jedoch nicht, wenn der Bestandteil AG ersichtlich nicht als Rechtsformzusatz angehängt ist, sondern Bestandteil des Gesamtzeichens ist) sowie Top Level Domains, nachdem verstärkt auch gesamte Domains inklusive der Top Level Domain (.de, .eu, .com, .net pp.) zur Eintragung angemeldet werden (OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 408, 411 – MÖBELIX/OBELIX zur Marke moebelix.de; Kur/v. Bomhard/Albrecht/Onken § 14 Rn 450). Ähnlich wie ein Rechtsformzusatz ist die Bezeichnung „Volksbank“ zu behandeln, da sie eine Bezeichnung zu einer in einer bestimmten Weise strukturierten Bank iSd § 39 Abs 2 KWG darstellt (BGH GRUR 1992, 865 – Volksbank; OLG Frankfurt WRP 2007, 671, 673 – Kollektivmarke Volksbank). Ferner können geografische Zusätze regelmäßig nicht als prägend anzusehen sein (BPatG MarkenR 2007, 524, 527 – Pit Bull FRANKFURT/Pitt Bull). Eine geografische Angabe kann jedoch dann den prägenden Bestandteil ausmachen, wenn er in der konkreten Zeichenverwendung nicht als Herkunftshinweis dient (OLG Frankfurt MarkenR 2011, 220, 221 – Buffalo; vgl auch EuGH GRUR 199, 723 – Chiemsee zur Eintragungsfähigkeit von geografischen Bezeichnungen, die nicht als Herkunftshinweis dienen), oder wenn er dem durchschnittlichen Verbraucher nicht als geografische Angabe erscheint (nicht zutreffend deshalb BGH MarkenR 2013, 397, 399 Rn 23 – Baumann – zum Zeichenbestandteil CAVAION für die gleichnamige italienische Stadt).

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Als kennzeichnungsschwach und nicht prägend sind insb beschreibende Bestandteile zu betrachten (BGH MarkenR 2017, 412, 414 Rn 28 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; GRUR 2004, 775, 773 – EURO 2000; GRUR 2002, 167, 170 – Bit/Bud, dagegen EuG GRURInt 2006, 1024, 1028, da dem Bestandteil „American“ ein optisches Übergewicht zukomme; BPatG GRUR 2007, 1078 – MP3 Surround; KG MarkenR 2013, 149, 150 – Berliner Gauklerfest); Urt v 7.9.2006 – Rs T-133/05, Volltext-ID: 3K337411, unter volltextservice.luchterhand.de – PAM-PIM‚S BABY-PROP/PAM-PAM). Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn die beschreibenden Bestandteile in einer Fremdsprache in die Gesamtmarke einbezogen werden (BPatG MarkenR 2007, 353, 355 – 1860 ANTIGUO/SIERRA ANTIGUO: ANTIGUO = alt; EuG GRURInt 2007, 839 – FOCUS/MICRO FOCUS: Micro = klein) oder sie lediglich eine technische Entwicklung beschreiben (BPatG GRUR 2007, 1078 – MP3 Surround).

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Dabei sind beschreibende Bestandteile jedoch nicht von vornherein außen vor zu lassen. Auch wenn ihnen regelmäßig keine kennzeichnende Wirkung zukommt und auf sie alleine markenrechtliche Ansprüche nicht gestützt werden können, so kommt gleichwohl eine Mitprägung in Betracht (BGH GRUR 2004, 783, 752 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Nach Ansicht des BPatG kann eine beschreibende Angabe, die nur durch besondere grafische Gestaltung eine Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 2 erreicht, im Falle einer dominanten Herausstellung innerhalb des komplexen Zeichens prägend werden und damit eine Verwechslungsgefahr begründen (BPatG GRUR 2010, 441 – pn printnet/PRINECT); auf diese Weise ließe sich jedoch ein Schutz für nicht unterscheidungskräftige Bestandteile erreichen, der dem Markenrecht fremd ist. Der Schutz sollte sich deshalb nur auf die konkrete bildliche Ausgestaltung erstrecken: Nur wenn die jüngere Marke auch weitere Bestandteile der älteren Marke übernimmt, darf daher von einer Zeichenähnlichkeit auszugehen sein (so auch BGH MarkenR 2013, 185, 191 – AMARULA/Marulablu; MarkenR 2012, 384 – pjur/pure; BPatG GRUR 2012, 67, 68 – Panprazol/PANTOZOL, vgl unten Rn 222).

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Eine Mitprägung kann auch fremdsprachigen Artikeln beizumessen sein, da ihnen die Funktion zukommt, die gesamte Marke in einen fremdsprachigen Kontext zu setzen (BGH GRUR 2005, 326 – il Padrone/Il Portone).

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Des Weiteren kann eine Werbeaussage als beschreibend einzustufen sein (OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 408, 411 – MÖBELIX/OBELIX zum Zusatz „KOST FAST NIX“). Auch der Verweis auf eine Sportveranstaltung kann ausschließlich beschreibend sein (BGH WRP 2006, 1121 – FUSSBALL WM 2006; BPatG GRUR 2005, 948 – FUSSBALL WM 2006), insb wenn er mit der älteren Marke nicht identisch ist (OLG Hamburg 31.3.2004 – 5 U 121/03, zitiert bei Wittneben/Soldner WRP 2006, 1175, 1179). Einer sprachüblichen Bezeichnung für das Ereignis eines Sportevents, die der Verkehr wegen ihrer allg Bekanntheit und ihrer begrifflichen Eindeutigkeit stets mit dem Ereignis/Event in Verbindung bringt, fehlt nach der Rechtsprechung des BGH die Eignung, als Unterscheidungsmittel Waren und Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen (BGH WRP 2006, 1121 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2004, 775 – EURO 2000; vgl auch BPatG GRUR 2007, 61 – Christkindlesmarkt; zur Eintragungsfähigkeit von sogenannten Eventmarken vgl § 8 Rn 38; zur kennzeichenmäßigen Nutzung § 14 Rn 116).

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Als nicht beschreibend können jedoch fremdsprachige Begriffe aufzufassen sein, soweit dem Publikum deren Verwendung nicht alltäglich gebräuchlich ist (EuG Urt v 10.10.2006, Rs T-172/05, Volltext-ID: 3K312420, unter volltextservice.luchterhand.de – ARMAFOAM/NOMAFOAM). Beschreibende, dem Publikum geläufige fremdsprachige Begriffe prägen die Gesamtmarke hingegen regelmäßig nicht (BPatG MarkenR 2006, 77, 78 – BIG LEXX; vgl auch OLG Hamburg 31.1.2007 – 5 U 110/06 – OFF ROAD zum beschreibenden Charakter des Begriffes Off Road für Geländewagen).

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Der maßgebliche Zeitpunkt für diese Inzidentprüfung ist dabei nicht der Tag der Eintragung der älteren Marke, sondern die Beurteilungslage zur Zeit der Überprüfung einer Verwechslungsgefahr, ggf bis zur letzten mündlichen Verhandlung. Eine ehemals gegebene Schutzfähigkeit kann folglich auch noch nachträglich entfallen mit der Folge, dass der Inhaber der älteren Marke eine Verletzung nicht auf die Eintragung dieses schutzunfähigen Bestandteiles stützen kann (KG GRUR 1984, 201, 203 – Die Weißen; OLG Frankfurt GRUR 1984, 876, 877 – Rollerball).

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Einbeziehung in einen Gesamtbegriff

Eine prägende Wirkung eines Bestandteiles liegt nicht vor, wenn dieser in einen Gesamtbegriff einbezogen ist. Hierbei muss es sich um einen eigenständigen, konkreten Gesamtbegriff handeln, der ohne Weiteres für sich genommen verständlich ist (BGH GRUR 2013, 1239, 1242 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; MarkenR 2007, 501, 502 – Kinder II zur Zusammensetzung Kinder Kram; GRUR 1999, 735, 736 – MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 1999, 586, 587 – White Lion; BPatG 19.1.2011 – 26 W (pat) 61/10 – Bunte Zeit/BUNTE; abgelehnt in BPatG 10.8.2009 – 27 W (pat) 88/09 – Kulturkraftwerk/Kraftwerk). Gleiches soll gelten, wenn sich durch die Zusammensetzung ein neuer, eigenständiger Bedeutungsgehalt ergibt (BGH GRUR 2000, 883, 885 – PAPPAGALLO) bzw wenn sich ersichtlich zwei Elemente aufeinander beziehen (KG MarkenR 2016, 116, 118 – Tussi ATTACK). Diese Zusammenfügung kann bei einer Bild- oder Wort-/Bildmarke auch durch grafische Elemente erzielt werden, zB wenn die Gestaltung zweier Worte deren feste Verbindung signalisiert (BGH GRUR 2000, 1031, 1032 – Carl Link).

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Grundsätze für die Prägung eines Zeichens durch einen Bestandteil

In der höchstrichterlichen Rspr haben sich inzwischen einige Erfahrungssätze herausgebildet, die für oder gegen eine Prägung eines Zeichens durch einen Einzelbestandteil sprechen.

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Die Prägung eines Zeichens durch einen seiner Bestandteile ist grds anhand dieses Zeichens und unabhängig von der konkreten Kollisionslage zu überprüfen (BGH GRUR 2003, 880, 881 – City Plus; GRUR 2002, 342, 343 – ASTRA/ESTRA-PUREN; GRUR 2001, 164, 166 – Wintergarten).

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– Prägung durch kennzeichnungsstarke Bestandteile. Grds gilt, dass kennzeichnungskräftigeren Zeichenbestandteilen eher eine prägende Wirkung zukommt als kennzeichnungsschwachen.

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Die stärkste Prägung kommt kennzeichnungskräftigen Begriffen mit festgestellter Verkehrsdurchsetzung zu (BGH GRUR 1996, 267, 269 – AQUA; GRUR 1991, 609, 611 – SL).

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Elementen mit einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft kann durch den Zusammenhang mit den übrigen Bestandteilen, beispielsweise durch ihre hervorgehobene Stellung im Gesamtzeichen, eine prägende Wirkung zukommen (BGH GRUR 1999, 990, 991 – Schlüssel; GRUR 1998, 930, 931 – Fläminger).

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Ausgangspunkt der Prüfung ist sowohl im Widerspruchs- als auch im Verletzungsverfahren zwar die Form der jeweiligen eingetragenen Marke. Auf eine durch Nutzung verstärkte oder abgeschwächte Kennzeichnungskraft ist in aller Regel nicht abzustellen. Nur ausnahmsweise kann eine durch starke Nutzung erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen sein (BGH MarkenR 2006, 402, 405 – Malteserkreuz; GRUR 1996, 198 – Springende Raubkatze).

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Beispiele aus der Rspr: Kennzeichnungsstark: FLEX (EuG MarkenR 2005, 365 – FLEXI AIR/FLEX); Modelo für dunkles Bier, da Negra im Portugiesischen für dunkles Bier steht (EuG GRURInt 2005, 497 – NEGRA MODELO/Modelo); Schuhpark für Schuhwaren (EuG GRURInt 2005, 583 – SCHUHPARK/JELLO SCHUHPARK, Schuhpark sei nicht ausschließlich beschreibend, so dass ihm eine gewisse Kennzeichnungskraft zukommt); TELETECH (EuG GRURInt 2005, 692 – TELETECH GLOBAL VENTURES/TELETECH INTERNATIONAL); XTREME (EuG GRURInt 2005, 594 – XTREME RIGHT GUARD/XTREME WILKINSON SWORD). Kennzeichnungsschwach: life (EuG GRURInt 2005, 922 – Westlife/West); mp3 (BPatG GRUR 2007, 1078 – MP3 Surround); online (EuG ABl HABM 2006, 60 – Online Bus/BUS).

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– Abkürzungsneigung. Der Verkehr soll dazu neigen, Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (BGH MarkenR 2015, 437, Rn 33 – IPS/ISP, juris; GRUR 2002, 1067, 1069 – DKV/OKV; GRUR 2002, 626, 628 – IMS: Der Verkehr merke sich von dem Zeichen „IMS Image Management Solutions GmbH“ lediglich die Kurzform „IMS“; GRUR 2000, 1028, 1029 – Ballermann; NJW 1999, 360 – Lions; GRUR 1991, 475, 477 – Caren Pfleger; OLG Hamburg GRUR-RR 2010, 464 Rn 30 – INIQA Total Return; OLG München GRUR-RR 2008, 6, 7 – B.T.I., bti/BPI). Die Abkürzungsneigung des Publikums besteht hingegen nicht, wenn sich aus den bes Umständen des Einzelfalles ergibt, dass das Publikum die eigentliche Waren- bzw Dienstleistungsbezeichnung nicht in dem übereinstimmenden Bestandteil sieht und deshalb keine Veranlassung hat, die weiteren Bestandteile außer Acht zu lassen (BGH GRUR 1999, 583, 585 – LORA DI RECOARO). Dies soll insb bei kurzen und prägnanten Zeichen der Fall sein (BGH GRUR 1995, 507, 508 – City-Hotel), oder wenn es sich um einen Gesamtbegriff handelt (BGH GRUR 2004, 598, 599 – Kleiner Feigling). Beispiele aus der Rspr: Abkürzungsneigung bejaht: BGH WRP 2002, 547, 548 – GERRI/KERRY Spring; GRUR 2000, 1028, 1029 – Ballermann; GRUR 1990, 276, 277 – Petersberger Schlittenfahrt. Abkürzungsneigung verneint: BGH GRUR 2002, 342, 344 – ASTRA/ESTRA-PUREN für Arzneimittel; BPatG GRUR 1992, 701, 703. In der Lt wird die Abkürzungsneigung als nicht vereinbar mit den sonst strengen Anforderungen an eine Zeichenähnlichkeit angesehen (Kur/v. Bomhard/Albrecht/Onken § 14 Rn 453.1), mE scheint eine grundsätzliche Annahme oder Ablehnung einer Abkürzungsneigung nicht angebracht. Es ist vielmehr auf den konkreten Einzelfall abzustellen und zu fragen, ob das Publikum geneigt ist, die spezielle in Streit stehende Marke abzukürzen, was sich sowohl aus dem Markenbegriff selbst als auch aus den damit beworbenen Waren oder Dienstleistungen ergeben kann. Bei Waren des täglichen Bedarfs dürfte eine Abkürzungsneigung eher anzunehmen sein als bei Luxusgütern oder langlebigen Waren.

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Position innerhalb des zusammengesetzten Zeichens. Grundsätzlich kann auch die Position innerhalb des zusammengesetzten Zeichens für eine Prägung eines Zeichenbestandteiles sprechen. Soweit keine anderen Anhaltspunkte bestehen, dürfte dem vorangestellten Wort(-bestandteil) eher eine prägende Stellung zukommen als den folgenden Bestandteilen (EuG 16.12.2015 – T-491/13 – TRIDENT PURE/mentos PURE FRESH; Urt v 19.5.2011 – T-81/10 – AIR FORCE/TIME FORCE). Anders können Marken zu beurteilen sein, bei denen der erste Bestandteil die Waren beschreibt (EuG Urt v 20.9.2011 – T-99/10 – TOFUKING/Curry KING; Urt v 13.12.2011 – Az T-61/09 – Schinken King/King).

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– Verwendung von Namen. Bei Zusammensetzungen aus Namen, insb aus Vor- und Nachnamen, kommt eine Verwechslungsgefahr ausschließlich aufgrund des Vornamens nur dann in Betracht, wenn dieser ausnahmsweise zur Identifizierung einer bestimmten Person verwendet und so verstanden wird (BPatG GRUR 1998, 1027 – Boris/BORIS BECKER). In aller Regel wird davon auszugehen sein, dass innerhalb einer Kombination aus Vor- und Nachnamen beide Bestandteile den Gesamteindruck bewirken, weshalb eine jüngere Marke mit Vor- und Nachnamen nicht ähnlich mit einer Marke einzustufen ist, die nur aus dem Nachnamen besteht (BGH MarkenR 2005, 232 – MEY/Ella May; MarkenR 2000, 364 – Carl Link; MarkenR 2000, 20, 22 – RAUSCH/ELFI RAUCH; MarkenR 1999, 57, 60 Lions; Onken MarkenR 2011, 141, 143 schlägt vor, diese Konstellation im Rahmen des gedanklichen Inverbindungbringens zu prüfen).

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Hinsichtlich der Verwendung von Nachnamen ist dagegen nach der Rspr regelmäßig nach deren Verbreitungsgrad zu unterscheiden, der sowohl für Vor- als auch für Nachnamen festzustellen ist (EuGH MarkenR 2010, 315 Rn 36 – Barbara Becker/BECKER ONLINE PRO/BECKER). Nur sofern es sich um einen sehr verbreiteten Nachnamen handelt, soll dieser nicht prägend oder selbstständig kennzeichnend sein, so dass eine Verwechslungsgefahr ausscheidet (BPatG Beschl v 30.3.2011 – 26 W (pat) 87/10 – Simon Weber/WEBER; EuG GRURInt 2005, 503 – SISSI ROSSI/MISS ROSSI). Bei nicht sehr verbreiteten Namen kann dieser hingegen prägend bzw selbstständig kennzeichnend sein, so dass eine Verwechslungsgefahr bestehen kann (BPatG GRUR 2012, 523 – ROCCO MILES; EuG GRURInt 2005, 499 – ENZO FUSCO/ANTONIO FUSCO; laut EuG 18.4.2016 – T-295/15 – Anna Smith/SMITH soll es allerdings bei Unionsmarken ausreichen, wenn der Nachname bereits in einem Teil der Union nicht üblich ist). Regelmäßig ist allerdings eine Zeichenähnlichkeit zu verneinen, wenn zwei gegenüberstehende Zeichen zwar einen identischen Nachnamen aufweisen, aber eines der Zeichen zusätzlich einen Vornamensbestandteil enthält (BPatG GRUR 2014, 389, 391 – SashaFabiani; GRUR 2014, 389, 391 – Manuel Luciano/Luciano).

202

Zusammensetzungen von Modemarken aus einem Namen und einem geläufigen beschreibenden Teil sind nicht als Gesamtheit aufzufassen (BPatG GRUR 2007, 509 – TONY/Toni Dress).

203

– Zusammensetzungen aus Wort- und Bildbestandteilen. Bei Wort-/Bildmarken soll regelmäßig der Wortbestandteil prägend sein, da er für das Publikum die am einfachsten erfassbare Bezeichnungsform darstellt (BGH MarkenR 2013, 26, 27 – Castell/VIN Castel; MarkenR 2006, 402, 406 – Malteserkreuz; GRUR 2006, 60, 62 – coccodrillo; GRUR 2004, 778, 779 – URLAUB DIREKT; GRUR 2004, 775, 776 – EURO 2000; GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder I; GRUR 2003, 712, 714 – Goldbarren; MarkenR 2001, 311, 313 – Dorf MÜNSTERLAND; GRUR 1999, 167, 168 – Karolus-Magnus; GRUR 1996, 198, 200 – Springende Raubkatze; GRUR 1996, 267, 269 – AQUA; OLG München GRUR-RR 2008, 6, 7 – B.T.I.; BPatG GRUR 2006, 682, 683 – UNDERGROUND; EuG GRURInt 2005, 940 Biker Miles/MILES; GRURInt 2005, 925 – STAR TV). Etwas anderes kann gelten, wenn bei der älteren Wort-/Bildmarke der Bildanteil so dominiert, dass die klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit des Wortbestandteiles in den Hintergrund tritt (BGH MarkenR 2006, 402, 405 – Malteserkreuz; EuG 28.1.2016 – T-781/14 – TVR ENGINEERING/ZVR; Urt v 21.1.2010 – T-309/08 – G Stor/G-Star; MarkenR 2005, 530 – LIMONCHELO/Limoncello; zustimmend Bender MarkenR 2006, 60, 61), oder wenn der Wortbestandteil in ein komplexes Bild eingegliedert ist und nur eine untergeordnete Bedeutung erfährt (OLG Köln GRUR-RR 2007, 388 – Ohne Dich ist alles doof/Mit Dir ist alles toll), oder dem Wortbestandteil nur eine geringe Kennzeichnungskraft zukommt, bzw er ohne Hinzufügung eines Bildbestandteiles für sich genommen nicht schutzfähig wäre. Bildliche Unterschiede sollen ferner bei Marken mit kurzer Buchstabenfolge relevant werden: Zutreffend gehen BGH und BPatG davon aus, dass bei einbuchstabigen Zeichen der bildlichen Gestaltung ein wesentlich höheres Gewicht beizumessen ist als bei normalen Wortzeichen (vgl BGH GRUR 2012, 930 Rn 51 – Bogner B/Barbie B; GRUR 2002, 1067, 1070 – DKV/OKV; BPatG Urt v 9.10.2012 – 27 W (pat) 111/11). Bei einbuchstabigen Marken soll der Verkehr das Zeichen regelmäßig nicht mit dem Buchstaben wiedergeben (BGH MarkenR 2012, 390 – Bogner B/Barbie B).Dementsprechend sind auch vier ineinander verschlungene Großbuchstaben G nicht mit zwei andersartig verschlungenen Großbuchstaben G ähnlich, denn der Verkehr misst der konkreten grafischen Ausgestaltung die wesentliche Unterscheidungskraft der jeweiligen Marke bei (EuG 11.10.2016 – T-461/15 – Vier ineinander verschlungene Gs/G).

204

Einem Bildbestandteil kann dann eine untergeordnete Bedeutung zukommen, wenn er für die beworbenen Waren üblich ist und sich zudem im Wortbestandteil wieder findet (EuG GRURInt 2008, 231, 233 Rn 54 – Castellani/Castelluca zur Aufbringung eines Schlosses auf Weinen).

205

Dennoch sind auch dekorative (Bild-)Bestandteile selbst dann nicht zu vernachlässigen, wenn sie nicht dominant sind; selbst als nichtprägende Bestandteile sind sie bei dem anzustellenden Gesamteindruck heranzuziehen (BGH MarkenR 2013, 26, 27 – Castell/VIN Castel; EuGH Urt v 20.9.2007 – C-193/06 P Rn 44 ff – QUICKY/QUICKIES).

206

Ein Bildbestandteil kann auch durch seine besondere Positionierung einen bestimmten Wortbestandteil unter mehreren hervorheben. So nahm das OLG Hamburg an, dass bei den gegenüberstehenden Marken WOLFSKIN und WOLFgang der jeweils über dem Wortbestandteil „WOLF“ aufgebrachte heulende Wolf diesen Bestandteil hervorhebe (OLG Hamburg GRUR-RR 2008, 238, 239 – WOLFSKIN/WOLFgang).

207

Überdies kommt eine Verwechslungsgefahr auch im Falle einer Modifizierung des Wortbestandteiles in Betracht, die darin bestehen kann, dass sich ein Teil des Wortbestandteiles erst aus dem Bildmotiv ergibt (OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 408, 411 – MÖBELIX/OBELIX zur Integration eines Augenpaares als Ö-Punkte, weshalb das Publikum das „Ö“ ohne Weiteres auch als „O“ lesen könnte).

208

Eine eigene Bedeutung des Bildbestandteiles kann zudem anzunehmen sein, wenn den Gestaltungsmerkmalen eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zukommt und diese regelmäßig für den Gesamteindruck der Gestaltung von maßgeblicher Bedeutung ist (BGH MarkenR 2007, 31, 34 – Goldhase I; MarkenR 2006, 402 – Malteserkreuz; MarkenR 2005, 232, 234 – MEY/Ella May; MarkenR 2003, 385, 386 – City Plus; GRUR 1998, 990 – ALKA-SELTZER; OLG Hamburg MarkenR 2008, 209, 211 – Anastacia-A; BPatG GRUR 2007, 599, 600 – UHU stic; nicht jedoch bei einer einfachen Form: HABM MarkenR 2007, 231 – MEMPHIS PLATINUM zu einem Schriftzug auf einer platinfarbenen Zigarettenschachtel, dort ist regelmäßig der aufgedruckte Wortbestandteil prägend; krit äußert sich Eisenführ zur letztgenannten Entsch des HABM, da hinsichtlich der identischen Übernahme der dreidimensionalen Form des älteren Zeichens die THOMSON-LIFE-Rspr des EuGH zu beachten wäre (vgl hierzu unten Rn 219), Eisenführ MarkenR 2007, 189, 192). Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft wird dem Bildbestandteil insb dann zukommen, wenn dieser einen einzelnen Buchstaben verziert (OLG Hamburg MarkenR 2008, 209, 211 – Anastacia-A; vgl auch BGH MarkenR 2012, 390 – Bogner B/Barbie B).

209

Gleiches soll insb bei einer aus einer Form, einer Farbe, oder aus Wort- und Bildbestandteilen zusammengesetzten dreidimensionalen Marke zutreffen; insoweit kann der Form und Farbe bei einer durch Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft eine den Gesamteindruck mitbestimmende Bedeutung zukommen (BGH MarkenR 2007, 31, 34 – Goldhase I). Dies kann sogar so weit gehen, dass bei einer in schwarz-weiß eingetragenen Marke die farbige Benutzung Kennzeichnungskraft erlangt, weshalb eine gleichartige Farbwahl bei der jüngern Marke zur Verwechslungsgefahr führen kann. So war die Marke YouTube in schwarz-weiß eingetragen, dem Publikum allerdings in einer roten Hinterlegung des Wortes Tube bekannt, weshalb ein rot gefärbtes BUY in der jüngeren Marke BuyTube für eine bildliche Zeichenähnlichkeit sprach (BPatG 10.11.2015 – 24 W (pat) 535/14, JurionRS 2015, 39301 – BuyTube/YouTube).

210

Die Beurteilung, welche Bestandteile beim Gesamteindruck dominieren, kann durch die konkrete Präsentation und Bewerbung der Marke in ihrer eingetragenen Form dem Publikum als besonders herkunftshinweisend erscheinen (BGH MarkenR 2007, 31, 34 – Goldhase I; GRUR 2003, 712, 714 – Goldbarren; GRUR 2003, 332, 335 – Abschlussstück). Es ist jedoch nicht entscheidend, dass das Publikum das Herkunftsunternehmen auch richtig bezeichnet, solange es den Bestandteil jedenfalls als herkunftshinweisend begreift (BGH MarkenR 2007, 31, 34 – Goldhase I; GRUR 2006, 79, 82 – Jeans I).

211

Ist dem Verkehr bekannt, dass in der betroffenen Branche ähnliche Bildzeichen jeweils im Zusammenhang mit unterschiedlichen wörtlichen Bezeichnungen verwendet werden, kann diese Gewöhnung zu einer jeweils selbstständig kennzeichnenden Stellung von Wort- und Bildbestandteil führen (BGH MarkenR 2006, 402, 405 – Malteserkreuz zur Verwendung von in einem Wappen integrierter Kreuzdarstellungen im karitativen Bereich).

212

– Gleichwertige Bestandteile. Bei gleichwertigen Bestandteilen ist dagegen kein Bestandteil als prägend anzusehen (BGH GRUR 2002, 342, 344 – ASTRA/ESTRA-PUREN; GRUR 2001, 1050, 1051 – Tagesschau; GRUR 2001, 1054, 1056 – Tagesreport; GRUR 2000, 1031, 1032 – Carl Link; GRUR 1999, 586, 587 – White Lion; GRUR 1999, 52, 53 – EKKO BLEIFREI; GRUR 1999, 240 – STEPHANSKRONE I; GRUR 1998, 942, 943 – ALKA-SELTZER; GRUR 1998, 927, 929 – COMPO-SANA; BPatG GRUR 2004, 433, 434 – OMEGA/OMEGA LIFE; OLG München GRUR-RR 2002, 350, 351 – MICRO FOCUS; OLG Köln MMR 2002, 675 – LOOP; GRUR-RR 2002, 321, 322 – FLEX). Soweit kein Bestandteil eine geringere Kennzeichnungskraft aufweist und auch keine Zusammensetzung mit Firmennamen und Stammbestandteilen (su Rn 269) besteht, ist im Zweifel von einer Gleichwertigkeit der Bestandteile auszugehen (BGH GRUR 2002, 342, 344 – ASTRA/ESTRA-PUREN). Zunächst hatte der BGH die Möglichkeit einer Mitprägung abgelehnt (BGH GRUR 2000, 233, 234 – RAUSCH/ELFI RAUCH; Ingerl/Rohnke § 14 Rn 1042 ff; im Nachgang zur Entscheidung THOMSON LIFE geht er nun davon aus, dass im Einzelfall auch eine selbstständig kennzeichnende Stellung eines Zeichenbestandteiles vorliegen kann, selbst wenn die Marke keinen Firmenbestandteil (vgl insoweit unten Rn 216) aufweist (BGH MarkenR 2013, 291– Culinaria/Villa Culinaria – in dieser Sache lehnte der BGH allerdings zurecht eine selbstständig kennzeichnende Stellung ab, da die Unterscheidungskraft der Marke aus der Kombination ihrer einzelnen Bestandteile resultiert). Eine selbstständig kennzeichnende Stellung des Begriffes MEMORY in der Marke EDUCA MEMORY GAME liege nicht vor, da der Verkehr MEMORY GAME als Beschreibung und EDUCA als prägenden Bestandteil auffasst (EuGH Slg 2011, 27 – EDUCA MEMORY GAME/MEMORY). Eine selbstständig kennzeichnende Stellung (su Rn 216 ff) kann sich aus daraus ergeben, dass der Zeichenbestandteil als Serienzeichen benutzt wird, so dass bei der Verwendung einer älteren Marke zur Begründung einer jüngeren Markenserie jede dieser einzelnen Marken (auch) durch den Bestandteil geprägt wird, der der älteren Marke entspricht (vgl aber auch EuGH MarkenR 2011, 170 – TiMi KINDERJOGHURT/KINDER, wonach die Bildung eines Serienzeichens bei der Beurteilung der unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht zu berücksichtigen sein soll); der 32. Senat des BPatG (GRUR-RR 2009, 96 – FlowParty/flow) nahm in einer vergleichbaren Konstellation eine Verwechslungsgefahr wegen gedanklichen Inverbindungbringens zwischen der Marke Flow und einer Markenserie, bestehend aus den Marken FlowParty, FlowNow! und FlowBox, an. Da diese Erwägung denknotwendig nur die jüngere Marke betreffen kann, lehnte der BGH zutreffend eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen der älteren Marke VOLKSWAGEN und der jüngeren Zeichenserie Volks.Inspektion, Volks.Reifen pp. ab (BGH GRUR 2013, 1239, 1241 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion).

213

Darüber hinaus kann keinem Bestandteil eine selbstständig kennzeichnende Stellung eingeräumt werden, wenn das zusammengesetzte Zeichen seine Unterscheidungskraft aus der konkreten Kombination zweier Worte gewinnt (EuG 19.5.2011 – T-81/10 – AIR FORCE/TIME FORCE).

214

– Keine Bedeutung der Prioritätslage. Für die Anwendbarkeit der vorgenannten Grundsätze ist regelmäßig nicht auf die Prioritätslage abzustellen, da das Publikum in den allermeisten Fällen diese nicht kennt (BGH GRUR 2004, 865, 866 – Mustang; GRUR 2003, 880, 881 – City Plus; GRUR 2000, 233, 235 – RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 1999, 241, 244 – Lions).

215

– Gegenüberstehen von ein- und mehrgliedrigen Zeichen. Ebenfalls unbedeutend ist der Umstand, ob sich zwei mehrgliedrige Zeichen oder ein eingliedriges und ein zusammengesetztes gegenüberstehen (BPatG GRUR 2003, 64, 68 – T-Flexitel/FLEXITEL). Es kann daher einerseits der Inhaber einer mehrgliedrigen älteren Marke gegen ein jüngeres Zeichen vorgehen, welches mit einem Bestandteil seiner Marke identisch ist; andererseits kann sich der Inhaber einer eingliedrigen Marke gegen eine Zusammensetzung dieser mit einem weiteren Bestandteil in einer jüngeren Marke wenden.

Markenrecht

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