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(1) Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens (Mittelbare Verwechslungsgefahr)

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Einer Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens (bis zur Entscheidung BGH GRUR 2009, 484, 487 – METROBUS auch als mittelbare Verwechslungsgefahr bezeichnet; vgl zur Terminologie auch Sosnitza Deutsches und europäisches MarkenR, München 2010, § 8 Rn 36 ff) liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein Unternehmen eine Serie von Marken hält, die jeweils den gleichen Stammbestandteil aufweisen, so dass das Publikum bereits den Stammbestandteil als Herkunftshinweis auf dieses bestimmte Unternehmen versteht. In Betracht kommen dabei sowohl Bestandteile von Marken, die als Ein-Zeichen-Marken aufgefasst werden (zB UNIFONDS, UNIRAK, UNIZINS) als auch von sog Dachmarken, bei denen einer Produktfamilie eine eigene Marke zugeordnet wird (zB Tesa für sämtliche Klebeprodukte der Fa Henkel), während das einzelne Produkt einen weiteren Markenbestandteil erhält, so dass es mit bis zu drei Zeichen beworben werden kann, nämlich dem Unternehmenskennzeichen, der Dachmarke und der Produktmarke (vgl zu den Begrifflichkeiten Sosnitza GRUR 2011, 867, 868; Mehler MarkenR 2012, 399; mit anderer Bewertung Goldmann GRUR 2012, 234). Soweit ein Dritter eine Marke mit diesem Stammbestandteil beansprucht, kann die Gefahr bestehen, dass der Verkehr zwar nicht die Marke mit einer anderen Marke verwechselt, sie jedoch als weiteres Glied der bereits bestehenden Serie begreift (BGH GRUR 2009, 672 – OSTSEE-POST; GRUR 2009, 487 – METROBUS; GRUR 2008, 909 – Pantogast; GRUR 2008, 905 – Pantohexal; GRUR 2007, 1071 – Kinder II; GRUR 2007, 1066 – Kinderzeit; BPatGGRUR 2003, 70, 74 – T-INNOVA/Innova; BGH GRUR 2002, 542, 544 – BIG; EuGH GRUR 2011, 915 – UNIWEB/UNIFONDS/UNIRAK/UNIZINS; GRUR-RR 2009, 356 – MOBELIX/OBELIX; GRUR 2008, 343 – BAINBRIDGE – dort allerdings abgelehnt; Bender MarkenR 2012, 81; Eichelberger MarkenR 2006, 436 zum Unionsmarkenrecht mwN). Die Unterschiede zwischen den gegenüberstehenden Marken sind in diesen Fällen in aller Regel deutlich und werden vom Verkehr als solche aufgefasst. Sie führen jedoch nicht dazu, dass der Verkehr sie als Herkunftshinweise auf verschiedene Unternehmen begreift, sondern auch das jüngere Zeichen dem Inhaber der älteren Marke zuordnet, oder zumindest eine Verbindung zwischen beiden Unternehmen annimmt (EuGH GRUR 2011, 915, 918 – UNIWEB/UNIFONDS/UNIRAK/UNIZINS; zustimmend Sosnitza GRUR 2011, 867, 870).

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Dies setzt bereits voraus, dass sich die Markenserie an ein aufmerksames Publikum richtet, welches sich über die Entstehung einer solchen Serie Gedanken macht (BGH GRUR 2000, 886, 888 – Bayer/BeiChem; BPatG GRUR 2006, 868 – go seven) Das BPatG verlangt ein zumindest halbwegs aufmerksames Publikum (BPatG GRUR 2008, 451 Rn 37 – WEB VIP/VIP; GRUR 2005, 773, 776 Rn 39 – Blue Bull/RED BULL). Mit dem Umstand, dass die Serienzeichen einem aufmerksamen Publikum gegenüberstehen, geht einher, dass die Stammzeichen sehr viel höheren Anforderungen an die Verwechslungsgefahr genügen müssen, als dies bei der Beurteilung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr der Fall ist (Ingerl/Rohnke § 14 Rn 1174). So ist in aller Regel eine Identität der als Stammzeichen in Betracht kommenden Bestandteile zu verlangen; jedenfalls müssen sie als identisch erscheinen, was nur dann gegeben ist, wenn die Unterschiede so unwesentlich sind, dass sie den Stammbestandteil in seinem Wesen nicht verändern und vom flüchtigen Verkehr nicht zur Kenntnis genommen werden; die als Stammzeichen in Betracht kommenden Elemente müssen wesensgleich sein (BGH GRUR 1989, 350, 352 – Abbo/Abo; BPatG GRUR 2005, 773, 776 Rn 38 – Blue Bull/RED BULL) und die Marken einem gleichartigen Zeichenbildungsprinzip folgen (BGH GRUR 1999, 161, 164 – MAC Dog). Schon eine Abweichung im Schriftbild kann die Annahme eines gemeinsamen Stammzeichens ausschließen (BGH GRUR 2005, 513 – MEY/Ella May).

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Des Weiteren muss der Markeninhaber mehrere Marken mit einem gleichlautenden Serienbestandteil angemeldet haben und mit diesen im Verkehr auftreten (BGH GRUR 2002, 544, 547 – Bank 24; GRUR 2002, 542, 544 – BIG; BPatG GRUR 2002, 345, 346 ASTRO BOY/Boy). Der Verkehr muss an abgewandelte Bezeichnungen mit diesem Bestandteil gewöhnt sein (BGH GRUR 1999, 587, 589 – Cefallone; BPatG GRUR 2002, 345, 346 ASTRO BOY/Boy), was deren tatsächliche Nutzung voraussetzt (EuGH GRUR 2008, 343, 347 – BAINBRIDGE; BPatG GRUR 2002, 345, 346 ASTRO BOY/Boy; Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 470). Soweit die Rechtsprechung zunächst annahm, es könne im Einzelfall ausreichen, dass schon bei erstmaliger Verwendung die gemeinsame Nutzung eines gleichen Bestandteiles den Eindruck eines Serienzeichens erweckt (BGH GRUR 1998, 927, 928 – COMPO-SANA; GRUR 1996, 200, 202 – Innovadiclophlont; GRUR 1996, 267, 269 – AQUA; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42, 45 – Sitting Bull), steht dem nunmehr die europäische Rechtsprechung entgegen (EuGH GRUR, 2008, 343 – BAINBRIDGE; EuG GRUR-RR 2009, 167). Der BGH hat sich dieser Einschätzung angeschlossen und seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (BGH GRUR 2013, 1239, 1242 Rn 40 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2013, 840 Rn 23 – PROTI II; s auch Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 470). Die konkrete Anzahl der benutzten Marken ließ der EuGH allerdings offen, er verlangt eine „genügende Anzahl“ (EuGH GRUR 2008, 343 – BAINBRIDGE), weshalb die Annahme eines Serienzeichens von allen Umständen des Einzelfalles abhängen dürfte, insbesondere der Marktdichte, der Marktdurchsetzung, dem Marktanteil, dem Umsatz, der Verkaufshäufigkeit (Alltagswaren ./. Luxusgüter) und nicht zuletzt dem relevanten Publikum.

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Im Arzneimittelbereich ist dagegen das Publikum nach der Rspr des BGH an eine außerordentlich hohe Zahl von Zeichen gewohnt, so dass es bei einer Übereinstimmung eines Zeichenbestandteiles nicht vorschnell auf eine Identität der Herkunftsstätten oder auf organisatorische oder wirtschaftliche Beziehungen zwischen diesen schließe (BGH MarkenR 2006, 409, 411 – Ichthyol II).

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Als Stammbestandteil ist nur ein solcher Bestandteil geeignet, der eine gewisse Eigenständigkeit aufweist, die nicht in der Gesamtbezeichnung aufgeht (BGH GRUR 1999, 153, 156 – DRIBECK‚s LIGHT; BPatG GRUR 1996, 879 – PATRIC LION/LIONS; GRUR 1996, 894 – NISSKOSHER/Nissen; in sämtlichen der vorgenannten Entscheidungen verneinten die Gerichte die Eigenständigkeit des gleichen Bestandteiles; EuG MarkenR 2004, 310 – Galáxia). Eine Unterteilung des Zeichens in zwei Teile darf nicht fern liegen (HABM Entsch v 29.9.2004 – R 759/2002-2, Volltext-ID 3K358254 unter volltextservice.luchterhand.de – 7900/790), iÜ kommt es auf eine grundsätzliche Eignung des Stammbestandteiles nicht an, sofern eine Zeichenserie tatsächlich begründet worden ist (BPatG GRUR 2003, 61, 63 – T-control/T-connect; EuG GRURInt 2006, 404 – BAINBRIDGE). Eine Eigenständigkeit eines Bestandteiles ist nur hinsichtlich Bestandteilen anzunehmen, die sich nach den üblichen Regeln der Silbentrennung abgrenzen lassen (Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 458).

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Der als Stammzeichen in Betracht kommende Bestandteil muss zudem einen Hinweischarakter aufweisen, was grds auch Einzelbuchstaben und Ziffern zukommen kann (LG Hamburg GRUR-RR 2009, 109 – börsevz/studiVZ; HABM GRUR-RR 2003, 46 – T; GRURInt 1998, 613, 614 – IX; MarkenR 1999, 323 – 7). Nachnamen dürften eher einen Hinweischarakter aufweisen als Vornamen, da das Publikum eine familiäre Verbindung zwischen Personen mit gleichem Nachnamen annehmen könnte (HABM GRUR-RR 2003, 245, 246 – MARY GREEN/PAUL GREEN). Ferner ist die Branchenübung zu berücksichtigen (EuG GRURInt 2003, 247 – Fifties; MarkenR 2003, 317 – BUDMEN).

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Es ist hingegen für die Einstufung eines Bestandteiles als Stammzeichen einer Serie nicht zwingend erforderlich, dass diesem eine originäre Unterscheidungskraft zukommt (BGH GRUR 2002, 542, 544 – BIG), es reicht vielmehr aus, wenn die Kennzeichnungskraft durch starke Nutzung, insb durch mehrere Zeichen eines Unternehmens, erworben worden ist (BGH GRUR 1996, 267, 269 – AQUA), wobei der Zeichenbestandteil charakteristisch hervortreten muss (BGH GRUR 1989, 350, 351 – Abbo/Abo; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42, 45 – Sitting Bull; BPatG GRUR 1998, 1027, 1028 – Boris/BORIS BECKER). Beschreibenden (BGH GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder I; BPatG GRUR 1995, 416, 417 – Rebenstolz; OLG Hamburg GRUR-RR 2003, 266, 269 – Corn Pops/Rice Pops) und originär kennzeichnungsschwachen Bestandteilen (BGH GRUR 1999, 240, 241 – STEPHANSKRONE I; EuG GRURInt 2005, 503 – SISSI ROSSI/MISS ROSSI; GRURInt 2005, 140 – Chufafit; MarkenR 2003, 200 – NU-TRIDE/Tufftride; HABM MarkenR 2002, 433 – iti-Digits I) kommt aber regelmäßig keine Hinweisfunktion zu (Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 468 verlangt eine Markendurchsetzung iSd § 8 Abs 3), gleiches gilt für Zeichenbestandteile, deren Kennzeichnungsschwäche auf einer Schwächung durch Drittzeichen beruht (BGH WRP 1999, 1179 – STEPHANSKRONE I; HABM MarkenR 2002, 433 – iti-Digits I; Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 473).

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Die Einstufung eines Zeichenbestandteiles als Stammzeichen hängt zudem von dessen Position im Gesamtzeichen ab, wobei die Üblichkeiten der betroffenen Branche zu berücksichtigen sind (BPatG Beschl v 7.4.2009 – 33 W (pat) 67/07 – Citiboerse/CITIBOND; GRUR 1997, 292, 293 – CHIN LEE; EuG GRURInt 2006, 404 – BAINBRIDGE); so kann in einer Branche die Stellung des Stammzeichens vorangestellt, in einer anderen hintangestellt sein.

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Gleichfalls kann die Bedeutung der abweichenden Bestandteile für oder gegen eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens sprechen (Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 528). Sind diese beispielsweise kennzeichnungsschwach, kann dies ein Hinweis auf eine Serienmarke darstellen (EuGH GRUR 2011, 915, 917 – UNIWEB/UNIFONDS/UNIRAK/UNIZINS; BPatG GRUR 2002, 438, 440 – WISCHMAX/Max). Auch internetbezogene Zusätze wie „-online“ oder eine Top Level Domain (zB „.net“) können dem anderen Bestandteil einen Stammbestandteilcharakter zuteil werden lassen (BPatG GRUR 2001, 518, 520 – d3.net/d3). Die Bildung eines Gesamtbegriffes steht dagegen regelmäßig der Annahme eines Stammbestandteiles entgegen (BGH GRUR 1999, 735, 737 – MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 1998, 932, 934 – Meisterbrand; WRP 1998, 1179, 1180 – STEPHANSKRONE II; GRUR 1999, 240, 241 – STEPHANSKRONE I; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 42, 45 – Sitting Bull; EuG GRURInt 2004, 1024, 1026).

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Der Eindruck einer Serienmarke kann auch entstehen, wenn das Publikum eine jüngere Marke als eine Ableitung von einer älteren Marke auffassen könnte (BPatG GRUR 2005, 56, 57 – volvisti/Volvo; GRUR 2002, 438, 441 – WISCHMAX/Max).

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Einen Sonderfall von Serienzeichen nehmen Marken ein, die keinen buchstabenidentischen Stammbestandteil aufweisen, aber wegen einer begrifflichen Übereinstimmung den Eindruck erwecken, ein und derselben Serie zuzuordnen zu sein (BPatG GRUR 1996, 282, 283 – Adalbert Prinz von Bayern/Luitpold Prinz von Bayern; OLG Frankfurt GRUR 1997, 52, 53 – Die Blauen Seiten/Gelbe Seiten), insb wenn die gegenüberstehenden Marken demselben charakteristischen Aufbau folgen (BPatG Mitt 1996, 133, 134 – OKLAHOMA SOUND/MISSISSIPPI SOUND; HABM-BK ABl HABM 2000, 952 – PRIVATE PLEASURES/SECRET PLEASURES).

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Bildbestandteile können eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens sowohl begründen, als auch ihr entgegenstehen. Eine Serienmarke kann dabei regelmäßig nicht auf solche Bildbestandteile gestützt werden, die nahe liegen oder aus einfachen geometrischen Figuren bestehen (BPatG GRUR 1996, 895, 897 – Rote Kreisfläche; HABM-BK MarkenR 2002, 433 – T/iti).

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Hinsichtlich der beworbenen Waren/Dienstleistungen ist zwar eine gewisse Nähe, jedoch nicht eine Identität zu fordern, da ein Unternehmen durch verschiedene Marken einer Serie gerade unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen bewirbt; andererseits sind diese regelmäßig zumindest einer Branche angehörig, so dass die Waren/Dienstleistungen beispielsweise sämtlich innerhalb der Computerbranche verschiedenen Softwareprodukten zuzuordnen sein könnten, wohingegen es ausgeschlossen erscheint, dass ein Medikamentenhersteller Lebensmittel mit Marken der gleichen Serie benennen würde. Je mehr sich die Branchen mithin voneinander unterscheiden, desto eher wird das Publikum annehmen, dass auch die Waren/Dienstleistungen von unterschiedlichen Herstellern stammen (BGH GRUR 2000, 886, 888 – Bayer/BeiChem; Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 532; aA Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 481, der bei der Prüfung der Waren- bzw Dienstleistungsähnlichkeit keine Besonderheiten für Serienzeichen annehmen möchte).

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Eine begriffliche Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens nimmt die Rspr nur sehr zurückhaltend an (BGH GRUR 2004, 779, 782 – Zwilling/Zweibrüder; GRUR 1999, 735, 737 – MONOFLAM/POLYFLAM; OLG Köln GRUR-RR 2008, 55, 57 deutsche City Post), da sie iE auf einen Elementenschutz hinauslaufe (vgl auch Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 533 mwN). Es reicht deshalb nicht eine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit aus (BGH GRUR 200, 886, 888 – Bayer/BeiChem; Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 477), vielmehr muss eine Wesensgleichheit der übereinstimmenden Bestandteile vorliegen (BGH GRUR 2010, 729, 732 Rn 41 – MIXI). Soweit lediglich eine Übersetzung eines Stammbestandteiles vorliegt, ist von einer Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens nicht auszugehen (BGH WRP 1998, 1179, 1180 – STEPHANSKRONE II).

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In verfahrensrechtlicher Hinsicht geht der EuGH davon aus, dass der Widerspruch auf sämtliche die Serie bildende Marken gestützt werden muss (EuGH GRUR-RR 2009, 356 – MOBILIX/OBELIX; Büscher/Dittmer/Schiwy/Büscher § 14 Rn 475). Die tatsächlichen Voraussetzungen die Annahme einer Serienmarke, insb der Umstand, dass der Verkehr mit der Serie vertraut ist, müssen „liquide“ sein (vgl unten Rn 285; Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker § 9 Rn 516).

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