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Vierzehn

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Wir waren ausgestattet mit Kaffee, Croissants und halbwegs klarem Kopf. Mein Hirn hatte sich langsam wieder in seinen normalen Zustand zurückverwandelt und war wieder auf die urtypische Größe geschrumpft. Brad strahlte bis über beide Ohren, dass es mich beinahe innerlich zerriss. So viel gute Laune auf einmal war an diesem Morgen einfach zu viel.

„Raus mit der Sprache. Warum bekommst du dein Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht?“

„Oh mein Gott, Sally! Daph … sie ist der Hammer! Der Wahnsinn!“, strahlte er bis über beide Ohren. „Ich meine, sie ist tatsächlich so, wie du sie beschrieben hast. Lustig, nett, offen …“

„Ja, sie ist ein echter Juwel“, unterbrach ich ihn grob, während wir uns in die Richtung eines abgelegenen Waldes bewegten.

„Oh ja, das beschreibt es treffend. Ein Juwel.“ Immer wieder ließ er sich dieses Wort auf den Lippen zergehen. „Ich danke dir, dass du uns einander vorgestellt hast. Kann mir gut vorstellen, dass sie mich auch mag. Hast du sie mal gefragt, was sie von mir hält?“

„Wann denn? Als ihr gerade grässliche Sabberfäden aus ihrem Mund liefen? Sorry, aber ich hatte noch keine Möglichkeit.“

„Macht ja nichts. Kannst du ja später noch machen.“

„Kann ich“, gab ich knapp zurück.

„Sag mal, wo gehen wir eigentlich hin?“, fragte er dann und sah sich die Umgebung eingehender an.

„Ich zeige dir meine Lieblingsstelle hier. Da kann man super entspannen. Da haben wir unsere Ruhe und sind mal raus aus der Stadt.“

„Hört sich gut an“, stimmte mir Brad zu und stieß mich in die Seite. „Alles okay mit dir?“

Ich nickte und lächelte knapp zurück.

***

Wir ließen uns auf einem kleinen. einsamen Steg nieder, der zu meinem Glück sehr selten besucht wurde. Immer, wenn ich herkam, war ich hier alleine. Der kleine See bot Schwänen und Enten genug Platz, damit sie hier ihre Bahnen ziehen konnten. Die Sonne prallte auf uns herab, Vögel sangen, die Luft roch angenehm nach Wald und Sommer. Um es kurz zu machen: Ich liebte es, hier zu sein. Es war mein Rückzugsort, wenn ich alleine sein oder einfach dem Chaos der Stadt entfliehen wollte. Ich hatte hier schon so einige Stunden verbracht, den Schwänen was zu knabbern zugeworfen und mich einfach nur entspannt. Irgendwie war es so eine Art Geheimtipp, denn man musste sich durch einige kleine Büsche kämpfen, um auf diesen Steg zu kommen.

Wir tranken unseren Kaffee und knusperten unsere Schokocroissants, die ich so liebte. Brad wusste das. Immerhin habe ich ihn oft genug drauf hingewiesen, dass seine Eintrittskarte in mein Reich ein Schokoladencroissant war.

Ich beobachtete schweigend die Schwäne, die im Glanz der Sonne leise Spuren im Wasser hinter sich herzogen.

„Verrätst du mir, was mit dir los ist?“, fragte Brad in einem besorgniserregend ruhigen Ton.

Ich sah ihn an und blieb an seinen durchbohrenden Augen hängen. Was sollte ich sagen? Ich wusste ja nicht einmal, warum ich so komisch drauf war. Vielleicht waren es die Veränderungen der letzten Zeit. Vielleicht war es auch einfach nur der Kater, der Dank des gestrigen Abends noch leicht über mir schwebte.

„Mit mir ist alles in Ordnung“, lächelte ich falsch. Die ständigen Gedanken an meine Vergangenheit waren in letzter Zeit mehr, als ich ertragen konnte.

„Hm, weißt du, Sally“, er brach ein Stück von seinem Gebäck ab, „manchmal habe ich das Gefühl, dass da irgendwas in dir ist, was dich total bedrückt, aber über das du nicht sprechen kannst.“

Brad überraschte mich immer wieder mit seinen wilden Theorien, mit denen er gar nicht so falsch lag. Dennoch schüttelte ich mit dem Kopf. „Es ist alles gut, wirklich, Brad. Ich stecke nur noch im fiesen Nachbeben des gestrigen Abends“, lächelte ich. „Und wie ist es mit dir? Bedrückt dich etwas?“, forderte ich ihn scherzhaft heraus.

Er dachte einen Moment nach. „Nein. Ich bin im Reinen mit mir.“

„Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung?“, fragte ich schließlich und dachte an den Tag zurück, an dem ich ihn das erste Mal gesehen habe.

„Ja, du sagtest, ich sähe alt aus.“ Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und bedachte mich mit einem fragenden Blick.

„Du sagtest, du seiest neu an der Uni, und du wärst durch eine glückliche Fügung wieder dort gelandet. Du hast mir nie erzählt, was das bedeutet und wie du da wieder gelandet bist“, stellte ich nachdenklich fest. Ich hatte mich immer wieder mit der Frage beschäftigt, was sich wohl hinter seiner Geschichte verbarg. Wenn ich meine schon nicht preisgab, dann ja vielleicht er.

„Naja, das ist ja auch eine lange Geschichte“, betonte er, als würde ich dann vielleicht vom Thema abweichen.

„Und genau das hast du damals auch geantwortet“, erinnerte ich ihn.

Brad lachte leise, so als würde er sich tatsächlich daran erinnern. „Du bist gut!“, antwortete er schließlich.

„Also?“, hakte ich nach und steckte mir ein Stück Croissant in den Mund. Ich bemerkte sehr wohl seinen innerlichen Kampf, den er mit sich ausfocht.

„Du wirst nicht lockerlassen, oder?“, fragte er stattdessen, stützte seinen Arm auf seinem Knie ab und rieb sich mit dem Daumen über sein Kinn.

Mit einem breiten Lächeln schüttelte ich den Kopf. „Ich bin ein Streber, weißt du doch. Und Streber wollen nun einmal alles wissen“, erklärte ich stolz.

Er nickte zustimmend und nahm noch einen weiteren Schluck. „Sagen wir mal so, ich war früher mit den falschen Leuten zusammen“, begann er schließlich. Ich wollte ihn nicht drängen und so wartete ich, bis er von alleine begann zu erzählen.

„Ich war neu hier in der Stadt und hatte nicht viele Freunde. Ich musste etwa zweiundzwanzig oder so gewesen sein. Jedenfalls habe ich in der Uni dann einen Typen kennengelernt. Phil hieß er. Er war jemand, der gerne Ärger suchte und nur davon lebte, wenn er Ansehen von seinen Leuten erlangte. Irgendwie geriet ich an ihn, und er stellte mich seiner Clique vor. Die waren schon alle älter damals. Wir trafen uns immer auf einem Schrottplatz. Tranken jede Menge Alkohol, rauchten, gingen viel feiern und rissen Mädels auf. Das typische Leben eines Jungen, der keine Grenzen kennt. Vielleicht muss ich dazu sagen, dass meine Mutter, kurz bevor mein Dad und ich herzogen, gestorben ist. Sie war sehr krank.“ Er presste kurz die Lippen aufeinander und beobachtete die Vögel auf dem Wasser.

„Das tut mir sehr leid“, gab ich leise zu und hatte plötzlich den Drang, ihn zu berühren, zwang mich aber, es nicht zu tun.

„Naja, wie auch immer. Ich wurde immer schlimmer und krimineller. Begann zu klauen und rutschte immer weiter ab, im Gegensatz zu den anderen Jungs. In mir sahen sie das klassische Opfer. Der Junge, der Anerkennung haben wollte und alles dafür tun würde. Nun, ich war wirklich besessen davon, Ärger zu verbreiten und dadurch Respekt und Anerkennung von den anderen zu bekommen.“

„Wo war dein Dad die ganze Zeit?“, fragte ich zwischendurch.

Er lachte kurz verächtlich und blickte auf seine Hände, die inzwischen zu Fäusten geballt waren. „Der? Der war nur arbeiten. Er ist Anwalt, musst du wissen. Einer der Väter, die niemals Zeit haben und denken, dass sich mit Geld jedes Problem lösen lässt. Jedenfalls wurden die Diebstähle immer schlimmer, und ein paar Zigarettenschachteln oder Biere aus dem Kiosk zu klauen reichte nicht mehr aus.“ Brad nahm einen Schluck Kaffee und wischte sich konzentriert den Mund mit seinem Arm ab. Dann sah er wieder aufs Wasser.

Ich selber rührte mich nicht. Spürte lediglich meinen trockenen Mund und einen Kloß im Hals. Anhand seiner Körpersprache konnte ich erkennen, wie sehr er mit sich kämpfte. So hatte ich ihn noch nie gesehen.

„Die Jungs sagten, wenn ich wirklich zu ihnen gehören wolle, dann gäbe es eine Sache, die ich machen müsste: Am Rande der Stadt lebte eine alte Frau in einem riesigen Anwesen. Sie lebte alleine und zurückgezogen. Ihr Mann war schon seit vielen Jahren tot. Deshalb hatte sie auch ein riesiges Vermögen an den Hacken, welches sie – so sagte man jedenfalls – einfach so im Haus in einer alten Schatulle auf ihrem Nachtschrank aufbewahrte.“

Etwas skeptisch runzelte ich die Stirn. „Wer macht denn sowas? Und woher wussten die Jungs davon?“

Brad zuckte mit den Achseln und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Phil konnte sehr überzeugend sein. Und naja, ich wollte dazu gehören. Deshalb musste ich in dieses Haus einbrechen, ob das Geld nun da lag oder nicht. Also wartete ich bis Mitternacht, nachdem alle Lichter aus waren und brach dort ein. Ich stieg durch den Keller hinein. Die anderen hatten sich draußen versteckt. Ich war besessen von der Idee, dass sie mir alles ermöglichen würden, wenn ich nur an das Geld der alten Frau kam. Dumm war nur, dass die alte Dame blind war, was man mir natürlich erst kurz vorher sagte. Das Haus war so alt und knarzig, dass ich sie vermutlich beim Betreten der Treppe geweckt haben muss. Ich konnte hören, wie sie fragte, wer da sei, aber ich antwortete nicht. Ich dachte mir, wenn sie runterkäme, dann könnte ich schnell hoch, das Geld holen und wieder verschwinden. Aber so kam es nicht. Scheinbar hatte ich die alte Dame so sehr erschreckt und sie aus dem Schlaf gerissen, dass sie noch nicht ganz klar und verschlafen war. Sie fragte immer wieder, wer da sei. Ich bekam Panik und wollte mich in einem anderen Raum verstecken, aber sie war schließlich blind und ihre Ohren vermutlich tausend Mal besser als meine. Sie hatte mich gehört. Sie muss so aufgebracht gewesen sein, dass sie nicht ganz wahrnahm, wo sie hintrat und so erwischte sie die erste Stufe der Treppe nicht richtig und fiel die ganzen Stufen nach unten. Ich bekam noch mehr Panik und wusste nicht, was ich machen sollte.“ Brad seufzte und sog tief Luft ein und spannte seinen ganzen Körper an. Still legte ich die Hand auf meinen Mund, um mein Schluchzen nicht nach außen dringen zu lassen.

„Ich kann ihre Schreie, während sie die Treppe runterfiel, nicht mehr vergessen.“

In meinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. Brad schien so sehr in seinen Gedanken gefesselt, dass es mich erschreckte und traurig zugleich machte, was damals passiert war. Nach einer kurzen Pause sprach er schließlich etwas ruhiger weiter.

„Erst wollte ich direkt weglaufen, aber ich sah noch einmal nach, ob sie noch atmete. Zu meiner Erleichterung hatte sie den Sturz überlebt. Ich griff schnell zu meinem Handy, unterdrückte die Nummer und rief bei der Polizei an. Ich gab mich als ein Passant aus, der gerade draußen noch mit dem Hund unterwegs war und Schreie aus dem Haus der alten Frau gehört habe und bat die Polizei, sich das doch einmal anzusehen. So dumm die Ausrede vielleicht auch war, in diesem Moment fiel mir nichts Besseres ein. Ich stand unter Schock. Wie ein Feigling ließ ich die Dame, die gar nicht bei Bewusstsein war, dort liegen und verließ, so schnell ich konnte, das Haus.

Ich presste die Lippen fest aufeinander und versuchte, meine Tränen zurückzuhalten. Brad litt schrecklich darunter. Immer wieder schüttelte er verzweifelt den Kopf. Ihm war deutlich anzusehen, wie sehr er diesen Tag bereute. Wie schwer es für ihn war, mit diesem Geheimnis zu leben.

„Was ist mit der alten Frau passiert?“, wollte ich dann wissen und drückte leicht seine Hand, mit der er sich auf dem Steg abstützte.

„Ihre Kinder, die sich nur selten dort blicken ließen, veranlassten, dass sie in ein Heim kam. Es kursierten viele Geschichten damals um die alte Frau, die ziemlich unheimlich gewesen sein soll. Du kennst das sicherlich. Irgendeiner verbreitet immer irgendwelche dämlichen Geschichten. Im Grunde war sie aber nur eine alte Frau, die sehr einsam war. Sie kam ins Heim und ging dort ein wie eine alte Pflanze. Es kam in den Nachrichten, dass das Haus nun freistünde und die alte Dame es verkaufen musste. Mein Vater hatte irgendwie eine leise Ahnung, dass ich damit zu tun haben könnte, denn man sagte, die Frau sprach immer wieder von einem Einbrecher. Vermutlich ein jüngerer Täter, was sie wohl anhand der Stimme rausgehört hatte. Sie hatte mich scheinbar hören können, als ich mit der Polizei telefonierte. Irgendwie hatte sie meine Stimme aufgeschnappt. Ich weiß aber nicht genau, wie. Es ging ja alles so schnell. Und da mich das so mitgenommen hatte und ich mich sehr merkwürdig verhielt, zählte Dad eins und eins zusammen. Aber niemand glaubte der Dame und man schob es auf das Alter. Ich beichtete Dad schließlich, dass ich damit zu tun hatte, und er sah keinen anderen Ausweg, als das Ganze zu vertuschen Wir zogen in eine andere Stadt. Phil und seine dämlichen Freunde habe ich nie wieder gesehen. Er sitzt mittlerweile im Knast, soweit ich weiß.“

„Und dann seid ihr nach ein paar Jahren wieder gekommen“, schlussfolgerte ich.

„Jap. Mein Dad zwang mich mehr oder weniger dazu, Biologie zu studieren. Er bezahlte mir alles und sorgte dafür, dass niemand herausfinden konnte, dass ich da mit drin steckte, solange ich nach seinen Regeln spielte. Mit dem Studium war ich allerdings todunglücklich und so beendete ich es mit einem sehr schlechten Abschluss. Nachdem ich fertig war, zog es mich wieder hierher. Ich wollte mich damit auseinandersetzen, was ich getan habe. Ich zwang mich dazu, mich selbst mit dem Ganzen zu konfrontieren, um mich in irgendeiner Art dafür zu bestrafen.“

Brad zuckte mit den Achseln. „Eigentlich weiß ich nicht, was ich hier wollte. Ich dachte, wenn ich her komme, könnte ich das alles besser verarbeiten. Ich bin damals Hals über Kopf von hier abgehauen, hab die Uni geschmissen und alles hinter mir gelassen. So getan, als wäre nie etwas passiert. Irgendwie zog es mich aber immer wieder zurück“, erklärte er und ich bemerkte, dass er inzwischen sein komplettes Croissant an die Enten und Schwäne verteilt hatte.

„Und? Wie ging es dir hier, als du wieder da warst?“

„Mitch und ich beschlossen, gemeinsam hierher zu ziehen und zu studieren. Ich habe ihn damals an der Uni kennengelernt. Er arbeitete dort als IT Mensch. Wir freundeten uns an, und als ich erwähnte, dass ich hierher wollte, schrieb er sich ebenfalls für ein Studium ein. Es passte alles ganz gut zusammen und er ist ein feiner Typ. Das machte es mir ein bisschen leichter.“

„Das meinte er also damit, als er sagte, dass du gerne mal Mist baust“, schlussfolgerte ich.

Brad nickte knapp. „Ich habe es ihm damals erzählt. Ich musste es einfach irgendjemandem erzählen, um nicht ganz alleine daran zu zerbrechen. Er hat es gut aufgenommen. Mitch stellt kaum Fragen.“

Sofort dachte ich an den gestrigen Abend und Mitchs hartnäckige Versuche, mich zum Reden zu bringen, aber das verkniff ich mir lieber.

„Und dank ein paar Begegnungen mit besonderen Menschen geht es mir inzwischen besser“, fügte Brad dann noch hinzu und schaute mich etwas erleichterter an.

„Welche besonderen Menschen?“, fragte ich skeptisch.

„Naja, ich habe dich kennengelernt“, lächelte er dann.

Ich schluckte kurz und ließ mir den warmen Schauer, der mir über den Rücken lief, nicht anmerken.

„Ich habe dich kennengelernt und gesehen, da ist noch jemand, dem es nicht sehr gut geht. Der irgendwas versteckt, verheimlicht, nenne es, wie du willst. Und ich dachte, dass ich nicht mehr alleine bin. Vielleicht könnten wir uns gegenseitig retten.“

Das war der Moment, in dem ich begriff, dass noch nie jemand so etwas Schönes zu mir gesagt hatte. Dennoch schluckte ich den Kloß in meinem Hals runter und gab mich gelassen. „Und? Habe ich dich gerettet?“, lachte ich leise und legte fragend den Kopf schief.

Er nickte. „Ja. Und jetzt würde ich dich gerne retten, aber so verschlossen, wie du bist, wird das nicht einfach.“ Er hielt inne.

„Brad, es gibt einfach Dinge, über die ich nicht gerne spreche. Vielleicht irgendwann, aber vorerst geht das nicht. Ich kann dir nur sagen, dass du mich längst aus meinem Loch geholt hast, in dem ich beinahe versunken bin, ohne es zu merken. Dafür bin ich dir schon sehr dankbar. Ich habe einen Freund gefunden, den ich noch nie zuvor hatte. Einen besten Freund.“

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