Читать книгу Verliebt-Reihe Gesamtausgabe - Jennifer Lillian - Страница 38
Achtundzwanzig
ОглавлениеIn wenigen Minuten wollte ich mich auf den Weg zu Alex machen. Wir hatten vereinbart, dass ich zu ihm kommen würde. Aus irgendeinem Grund hatte ich darauf bestanden, dass wir uns nicht in meiner Wohnung treffen würden. Ich hinterließ lediglich einen kleinen Zettel für Daph auf dem Küchentresen und verließ etwas aufgeregt die Wohnung. Immerhin war es lange her gewesen, dass ich mich mit einem Typen getroffen hatte – abgesehen von Brad.
Mit meinem Auto, was ich viel zu selten benutzte, fuhr ich etwa zwanzig Minuten, bis ich schließlich vor dem Gebäude parkte, in dem sich die Wohnung von Alex befand. Ich war in dieser Gegend noch nie zuvor gewesen, da ich hier auch keinerlei Bekanntschaften hatte. Das riesige Backsteingebäude wirkte etwas vernachlässigt, was sich im Hausflur fortsetzte. Der Geruch, der hier vorherrschte, war muffig und abgestanden. Ich wünschte mir nur, dass die Wohnung von Alex besser aussehen würde. Nachdem ich einige Treppen gestiegen war, erreichte ich schnaubend die Tür zur Wohnung.
Irgendwie bekam ich plötzlich doch Angst, als ich auf die Klingel schaute. Nur einen Knopfdruck war ich von Alex entfernt, und vielleicht von einem großen Fehler. Aber seit dem Ausflug wollten mir die Worte von Mitch nicht mehr aus dem Kopf gehen und hallten mir wie ein ewiges Echo in meinen Ohren wider.
Ich musste es tun, obwohl ich mir vor zwei Jahren geschworen hatte, mich auf keine Dates einzulassen. Das war einfach nicht mehr ich. Wieso musste ich ausgerechnet hier und jetzt darüber nachdenken, was ich tun sollte, und was besser nicht?
Ich hatte so spontan auf die Nachricht von Alex geantwortet, ohne ernsthaft zu überlegen, was ich tat. Aber nun war es mehr oder weniger zu spät. Nun konnte ich nicht mehr umdrehen. Alex rechnete jeden Moment mit mir. Vielleicht war es ja möglich, mit ihm eine Freundschaft aufzubauen, ganz ohne irgendwelche Hintergedanken, die eventuell meiner Freundschaft zu Brad oder zu Daph schaden könnten. Vielleicht war es sinnvoll, weitere soziale Kontakte aufzubauen. Immerhin tat ich Daph und Brad in gewisser Weise ja auch einen Gefallen. Nachdem ich jedoch die Klingel betätigte, wusste ich bereits, dass ich diesen Besuch, egal welchen innerlichen Konflikten ich mich aussetzte, mit einem Hintergedanken machte.
„Hey!“, strahlte Alex mich mit seinen weißen Zähnen an, nachdem er mir die Tür öffnete. Etwas schüchtern brachte ich nur ein Lächeln hervor und trat in seine Wohnung und somit vermutlich auch in mein Verderben. Auf Wiedersehen, neu aufgebautes Leben und alle guten Vorsätze.
„Ich bin in der Küche noch nicht ganz fertig. Geh doch bitte schon einmal ins Wohnzimmer. Ich komme dann gleich nach“, erklärte er und wirkte beinahe aufgeregt, sodass ich überrascht nickte.
„Noch keine Stimme heute?“, fragte er mich, als er mich in das Wohnzimmer führte, was auf der rechten Seite lag.
„Ähm … doch. Ich bin nur neugierig, was du wohl in der Küche zu tun hast“, gestand ich und fand endlich meine verlorengeglaubte Stimme wieder.
„Lass dich überraschen. Ziehe deine Schuhe aus oder lass sie einfach an. Wie du möchtest. Ich bin gleich da.“ Etwas hektisch verließ er das Wohnzimmer und ließ mich mit einem Fragezeichen im Kopf zurück. Er war tatsächlich aufgeregt! Vorerst behielt ich meine Schuhe an und blickte mich in seinem chaotischen Wohnzimmer um. Eine alte Couch stand mitten im Raum – in Blickrichtung zum Fernseher, der von Konsolen und einem DVD Player umgeben war. Ein kleiner Esstisch stand an der Seite und war mit zwei Stühlen bestückt. Darauf lagen Papier, Cola und Bierdosen, Essensreste … eigentlich viel zu viel für den kleinen Tisch. Ich schmunzelte, denn der Couchtisch war aufgeräumt und zwei leere Weingläser warteten darauf, gefüllt zu werden. Vielleicht war das seine Vorstellung von einem nett hergerichteten Tisch für seinen Besuch.
Hinter der Couch an der Wand befand sich ein Schreibtisch, auf dem sich ebenso viele Unterlagen befanden wie auf dem Esstisch. Ich fragte mich im gleichen Moment, was sich eigentlich in seinen Ordnern im Regal befand. Die Wand war voller Konzertplakate und Poster von verschiedenen Rockbands. Sein Fokus lag eindeutig auf Rockbands, obwohl er mir eher wie der typische Hip Hopper rüberkam. Aber scheinbar war Alex für Überraschungen gut, denn niemals hätte ich damit gerechnet, dass er aufgeregt sein würde, aber dem Klirren und Klimpern aus der Küche zufolge hörte es sich echt danach an. Innerlich hatte ich den Drang, ihn zu fragen, ob ich ihm irgendwie helfen könnte, aber ich hielt mich zurück. Immerhin war es eine halbe Ewigkeit her, dass ich mich mit einem Mann traf, der dazu noch echt wahnsinnig gut aussah.
Stattdessen schaute ich mir die Wand über dem Schreibtisch noch einmal genauer an. Vereinzelt fand ich ein paar Fotos von Freunden und seiner Familie. Eines der Bilder fiel mir besonders ins Auge. Ein etwas jüngerer Alex mit einem blonden Mädchen im Arm. Beide strahlten in die Kamera, wobei das blonde Mädchen eher zerknirscht wirkte. Ich lächelte in mich hinein, da Alex auf dem Bild eher albern und verspielt wirkte, ganz anders, als ich ihn bislang kannte.
„Das ist meine kleine Schwester Elisabeth. Aber ich nenne sie nur Beth.“
Ich zuckte zusammen und wirbelte herum. Alex stand mit einem Lächeln hinter mir und fixierte das Bild.
„Oh, entschuldige. Ich wollte nicht …“, brabbelte ich ertappt drauf los.
„Kein Ding.“ Er blickte noch immer auf das Foto und behielt auch sein Lächeln auf den Lippen. „Sie wohnt bei meinen Eltern.“
Gebannt wartete ich auf weitere Informationen, was Alex scheinbar auffiel. „Ich kann dir nicht mehr dazu erzählen, außer, dass sie meine Schwester ist und ich sie über alles liebe. Ich habe zur Abwechslung mal kein Familiendrama oder sowas in der Art hinter mir.“
Ich war überrascht, wie er einfach so drauf lossprach und fand noch immer keine Worte. Wie meinte er das wohl mit der verkappten Familie? Wusste er etwas über meine? Er bemerkte meinen fragenden Blick. „Ich meine ja nur“, gab er achselzuckend zu. „Die meisten haben irgendetwas, vor dem sie flüchten oder eine schlechte Erfahrung gemacht oder Familienprobleme. Und ich? Ich habe einfach mal keine Probleme.“
Fast schon betrübt sah ich auf den Boden, da es mir irgendwie peinlich war, dass ich scheinbar seinem Klischee entsprach, denn ich war einer von diesen Menschen, die vollgepackt waren mit Problemen rund um die Familie.
Komm schon! Tau etwas auf und sag was, schalt ich mich innerlich. Ich konnte ja schließlich nicht den ganzen Abend schweigen. „Das freut mich für dich. Schön, wenn du so eine tolle Familie hast“, gab ich unsicher von mir und deutete auf das Foto. „Also, was hat da so in der Küche gerumpelt?“
„Ich war mir nicht sicher, ob du schon was gegessen hast, deswegen habe ich eine Spezialität zubereitet, die als Nachtisch, Hauptgang oder als Snack gegessen werden kann“, grinste Alex voller Stolz.
Stutzig zog ich meine Augenbrauen zusammen, während er mich um die Couch führte und auf den mittlerweile gedeckten Couchtisch deutete. Vermutlich hatte er die zwei Teller dort hingestellt, als ich gerade meine Nase zu tief in seine Privatsphäre steckte. Ich setzte mich langsam aufs Sofa und blickte neugierig auf die Teller. Zugegeben, auf den ersten Blick konnte ich nicht erkennen, um was genau es sich dort auf dem Teller handelte, dennoch roch es ziemlich gut.
Nachdem Alex erkannte, dass sich ein großes Fragezeichen über meinem Kopf gebildet hatte, räusperte er sich. „Das sind überbackene Nachos mit Käse. Da ist Käsesoße auf den Nachos, und die habe ich dann noch mit normalem Käse bestreut. Ich hoffe, du magst sowas?“
Zeitgleich spürte ich meinen knurrenden Magen und brachte zum ersten Mal an diesem Abend ein ehrliches Lächeln zustande. Vor lauter Aufregung hatte ich den Tag über kaum etwas runter bekommen. Da kamen mir die Nachos gerade recht. Zudem fand ich es irgendwie süß, was er sich für Gedanken gemacht hatte. Ich hatte immerhin mit gar nichts gerechnet.
„Damit machst du mir eine sehr große Freude, mit so viel Käse“, entgegnete ich ihm und machte mich über meinen Teller her. Alex schenkte uns noch die Weingläser mit lieblichem Weißwein voll und wir stießen an.
Anschließend knabberten wir eine ganze Weile schweigend und lauschten der Musik, die im Hintergrund zu hören war. Es lief irgendein rockiger Song, den ich nicht kannte, aber auf die Musik achtete ich sowieso kaum, da ich mich bemühte, nicht zu krümeln oder mich an den Nachos zu verschlucken.
„Also“, durchbrach Alex irgendwann die unangenehme Stille. „Ich hätte ja, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass ich dich hier in meiner Wohnung eines Tages begrüßen darf.“
Ich zuckte mit den Achseln und schob mir noch einen Nacho mit Käse in den Mund. „Naja, ich denke, du hättest nicht so einfach aufgegeben …“
„Da magst du recht haben“, antwortete er nach kurzem Überlegen und lächelte.
„Ich muss sagen, du hast dich ja auch wirklich ins Zeug gelegt“, nickte ich anerkennend und deutete auf den Tisch mit dem Wein und den Nachos. „Nein, wirklich. Das Essen schmeckt super, und nach dem Ausflug an den See sollte ich dir noch einmal eine Chance geben, nachdem du krampfhaft versucht hast, unser gemeinsames Leben zu verplanen“, kicherte ich und griff zum Weinglas.
„Ich hoffe noch immer, dass ich dich überzeugen konnte“, betonte Alex und prostete mir zu. „Außerdem war ich gespannt, ob du wirklich so eine verklemmte Zicke bist …“, lachte er jetzt laut auf.
Pikiert gab ich ihm einen Stoß gegen seinen Oberarm, der sich sehr hart anfühlte. „Hey!“, schalt ich ihn dabei.
„Entschuldige, aber du machst es einem immer so schön einfach“, grinste er dann und schob den Teller mit den Nachos etwas von sich weg. Ich hatte ebenfalls aufgegessen und beförderte den leeren Teller ans andere Ende des Tisches.
„Vielleicht liegt mein zickiges Verhalten ja auch an meinem Gegenüber“, gab ich zynisch zurück und lehnte mich gegen die Sofakissen.
„Das glaube ich kaum“, lächelte er noch immer und sah mich eindringlich an, sodass ich Mühe hatte, seinem Blick standzuhalten.
Das hier war so verdammt falsch!
„Du bist also deiner Meinung nach ein geselliger Typ. Unkompliziert, witzig und nett?“, fragte ich mit einem sarkastischen Unterton, um aus der Situation geschickt rauszukommen.
„Du bringst es auf den Punkt.“
„Hm, und wo ist dann Mrs Alex?“, wollte ich herausfordernd wissen.
„Derzeit gibt es keine. Aber weiß, vielleicht sitzt sie ja genau hier auf meiner Couch.“
Ich lachte laut. „Das glaubst du doch nicht im ernst, oder?“ Ich lachte noch immer und wischte mir eine kleine Träne weg, ehe ich weitersprechen konnte. „Das ist genau der Punkt, weshalb du es mir so schwierig machst. Du kannst doch nicht einfach so mit der Tür ins Haus fallen. Also, sei ehrlich: Wann hattest du deine letzte Beziehung? Bis auf das, was du uns am See über die feurige Italienerin erzählt hast, weiß ich nichts von vorherigen Beziehungen.“
Alex wand sich etwas und schien zu überlegen, wie er antworten sollte. Dabei spannte er seine starken Oberarme etwas an, die aus seinem Langarmshirt deutlich hervortraten. Auch seine Augen verengten sich etwas. Ich schien einen wunden Punkt getroffen zu haben.
„Bisher hatte ich noch keine“, entgegnete er gelassen.
Mir blieb der Mund offen stehen. Alex, der schöne Alexander, der ebenso selbstbewusst wie eitel war, hatte noch keine Beziehung gehabt.
„Noch nie?“, hakte ich noch einmal nach.
Er schüttelte den Kopf. „Noch nie.“
„Großer Gott, wie alt bist du? Sechsundzwanzig? Siebenundzwanzig? Und du hattest noch keine Beziehung? Das musst du mir aber mal erklären.“
„Was gibt es da zu erklären? Ich bin sechsundzwanzig und habe mich bislang noch nicht fest binden wollen.“ Er tat es so ab, als wäre das normal.
Ich hingegen war verwirrt. Ihm mussten die Mädchen doch aus der Hand fressen. Zudem verkörperte er für mich das typische Klischee des High-School-Football-Captains, der mit einer wunderschönen blonden Cheerleaderin zusammen ist.
„Entschuldige meine Verwunderung, aber gerade du wirkst wie jemand, dem die Frauen scharenweise hinterherlaufen. Ich hätte wirklich gedacht, du hast an jeder Hand mindestens eine Beziehung“, plapperte ich vor mich hin.
Alex lachte leise und schüttelte den Kopf, als wolle er sagen: Oh Kleines, du musst noch so viel lernen! „Ich habe es versucht mit lockeren Beziehungen, aber es stellte sich heraus, dass ich eher der Typ bin, der einmalige Angelegenheiten zu schätzen weiß.“
„Verstehe“, gab ich nachdenklich zurück, nachdem ich seinen Blick deutete. Einmalige Angelegenheiten. Hoffte er, dass ich auch eine einmalige Angelegenheit für ihn war?
„Aber gab es da nie eine Frau, bei der du dir sicher warst, dass sie diejenige ist, mit der du dein Leben verbringen willst? Sehnst du dich nicht nach etwas Festem?“
Er dachte kurz nach, schüttelte aber nachdrücklich den Kopf. „Nein. Also ja, es gab da mal die eine oder andere, mit der es beinahe ernst wurde, aber immer, wenn es soweit war, dann wurde es mir zu viel, und ich fühlte mich eingeengt.“ Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ich hingegen presste nachdenklich die Lippen aufeinander. Ich konnte einfach nicht nachvollziehen, wie sich jemand in seinem Alter auf nichts und niemanden einlassen wollte. Was war mit Kindern? Mit Heiraten? Einem schönen Haus, irgendwo am Stadtrand? Aber all diese Fragen, die mir auf der Zunge lagen erübrigten sich.
„Ich bin halt einfach nicht so. Ich treffe mich mit Frauen, wenn sie mir gefallen, dann nehme ich sie mit. Vielleicht auch ein zweites Mal, aber das war’s dann auch. Ich liebe meine Freiheit, und verheiratet sein kann ich auch noch in zehn Jahren. Das ist mir nicht so wichtig. Ich bin halt nicht so wie Brad, der sich Hals über Kopf verliebt und sein restliches Leben verplant.“
Ich schluckte schwer, als er Brads Namen in den Mund nahm. Und in diesem Moment wurde ich mir meiner Taten immer sicherer. Alex’ Gerede und seine Ansichten von einer Beziehung bestätigten mein Handeln immer mehr.