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Zweiunddreißig

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Es war nicht wirklich kühl an diesem Abend, dennoch zog ich meine Jacke etwas enger um mich. Vielleicht einfach nur, da es mir immer unangenehmer wurde, wie nahe ich Brad gekommen war. Aber es war so schön gewesen. Noch immer flackerte es in meinem Magen und auch mein Herz schlug etwas zu schnell. Brad schlenderte neben mir, die Hände in den Hosentaschen.

„Das war doch ein gelungener Abend, oder nicht?“, durchbrach er die Stille.

Ich nickte eifrig. „Allerdings, ich bin noch immer ganz außer Atem.“

„Das glaube ich dir. Immerhin bist du ziemlich abgegangen. Wirklich, das hat echt Spaß gemacht, dich mal so zu sehen.“ Schon wieder lief es mir den Rücken hinunter. Brad wählte fast immer die richtigen Worte.

„Naja“, gab ich allerdings knapp von mir. „Das lag wohl am Alkohol. Du kennst mich, ich würde das sonst nicht machen. Aber wie die Mädels geguckt haben. Alleine das war es wert“, kicherte ich.

„Auch die anderen Gäste haben ganz schön blöd geguckt.“

„Die sind so coole Leute wie uns nicht gewöhnt“, scherzte ich. „Dennoch sollten wir vielleicht das nächste Mal einen Laden suchen, bei dem die Tanzfläche nicht wie ein Präsentierteller ist.“

„Gute Idee.“

Wir waren eine Weile gegangen, als ich schließlich bemerkte, dass wir die Stelle erreicht hatten, an der wir uns schon einmal befunden haben. Mein Herz machte einen Satz, als ich daran dachte und ein wohlig warmes Gefühl durchfuhr mich. Hier hatte Brad mich damals geküsst. Hier hatte er mein Gesicht umfasst und mir einfach seine Lippen auf meine gedrückt. Wie sehr ich mich in diesem Moment danach sehnte, dass er das noch einmal tun würde. Ich würde komplett anders reagieren. Vielleicht wäre damals alles anders gekommen, wenn ich nicht so verklemmt gewesen wäre.

Neben mir hörte ich Brad leise lachen. Fragend sah ich ihn von der Seite an. „Was ist?“

„Du weißt schon, dass ich dich hier damals geküsst habe, oder?“

Als hätte er meine Gedanken gelesen. Oder hatte er gemerkt, dass ich mich plötzlich so versteift hatte?

„Ja“, antwortete ich und bemühte mich um einen gelassenen Ton.

„Überleg mal, wie lange das schon her ist und was in der Zeit alles passiert ist“, brabbelte er munter weiter. In der Zwischenzeit habe ich mich in dich verliebt, dachte ich und schluckte die Worte wieder runter. Ich sagte lieber gar nichts.

„Erinnerst du dich?“, fragte er und stieß mich lachend an. Ich presste meine Lippen fest aufeinander und nickte. Innerlich hoffte ich, dass mich mein Verhalten nicht verriet.

„Du hast mich ganz schön erschreckt an dem Abend“, gestand ich.

„Das kann ich mir vorstellen. Wenn man bedenkt, wie du so reagierst, wenn dich ein Typ einfach küsst.“

„Wieso? Wie habe ich denn reagiert?“

„Wie ein kleines Schulmädchen. Dein panischer Blick … Ich hoffe, du hast inzwischen dazugelernt“, neckte er mich. „Großer Gott, du hast miserabel geküsst“, lachte er weiter. Mir wurde schlecht, und ein Stechen machte sich in meiner Herzgegend breit.

„Ich war ja auch nicht drauf vorbereitet gewesen“, entgegnete ich ihm und merkte, wie meine Stimme scharfe Züge annahm.

„Schon gut. Ich will dich nur ärgern“, gab er ehrlich zu und schubste mich etwas zur Seite.

Ich presste ein Lächeln hervor und blickte den Rest des Weges verstohlen auf den Boden. Wenn ich ihm doch nur zeigen könnte, dass ich eigentlich viel besser küssen konnte …

Wenig später erreichten wir meine Wohnung. Brad blieb überraschenderweise stehen. Fragend wandte ich mich zu ihm um. „Was ist los? Willst du nicht hier übernachten? Daph ist doch sicherlich zu Hause.“

„Daph ist noch unterwegs. Das hat sie mir, bevor wir aufgebrochen sind, geschrieben. Außerdem wollen wir versuchen, uns nicht ständig auf der Pelle zu hängen. So ein bisschen Abstand tut manchmal ganz gut.“

„Ist alles in Ordnung bei euch?“, hakte ich neugierig nach.

Brad bedeutete mir mit einem ausladenden Nicken, dass wirklich alles gut war. Daph hatte mir ja schon am Morgen gesagt, dass sie sich auch gegenseitig Freiraum geben wollen.

„Komisch, dass sie noch immer mit Lynn unterwegs ist“, murmelte ich nachdenklich. Brad hingegen zuckte mit den Achseln. „Du kennst Daph, wenn sie Ausgang hat, dann ist sie manchmal nicht zu bändigen. Und Lynn war ja eine ganze Weile ihre beste Freundin. Vielleicht haben die beiden sich nach so langer Zeit eine Menge zu erzählen.“

„Hm“, gab ich leise zurück, „dann werde ich mal reingehen. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht“, lächelte ich bei dem Gedanken an den Moment auf der Tanzfläche.

„Oh ja!“, stimmte mir Brad belustigt zu. „Das müssen wir nochmal wiederholen. Sehe ich dich morgen in der Uni?“

„Weiß ich noch nicht genau. Ich bin mit vielen meiner Arbeiten weit im Voraus. Da kann ich mir mal ein paar freie Tage gönnen.“

„Okay. Dann schlaf gut.“ Brad drückte mich zum Abschied und verschwand dann in der Dunkelheit.

***

Morgens wachte ich mit einem leichten Kater auf. Das Bier war mir im Laufe des Abends tatsächlich zu Kopf gestiegen und zeigte nun seine Wirkung. Erschöpft richtete ich mich auf und tapste ins Wohnzimmer. Daphs Klamotten lagen mal wieder überall verstreut. Das schaffte sie immer auf merkwürdige Art und Weise. Sobald sie betrunken das Haus betrat, begann sie sich Schicht für Schicht auszuziehen, in ihr Zimmer zu torkeln, um sich dann mit dem Gesicht voran ins Bett fallen zu lassen. Ich schmunzelte, schüttelte aber missbilligend mit dem Kopf. Ich hatte sie schon so oft darum gebeten, ihre Sachen doch bitte mit in ihr Zimmer zu nehmen. Sie lernte es nie!

In Gedanken an den gestrigen Abend setzte ich mir einen Kaffee auf. Brad hatte es geschafft, das Feuer in mir doppelt so stark zum Lodern zu bringen. Genau das war es, was ich befürchtet hatte. Großer Gott, du hast miserabel geküsst. Immer wieder kamen mir seine Worte in den Sinn. Und wie sehr sie schmerzten. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Brad mich gestern beim Tanzen auf eine so merkwürdige Art angesehen hatte. So fasziniert und neugierig zugleich. Hatte ihm der Abend gestern vielleicht genau so viel bedeutet wie mir?

Ich schüttelte den Kopf, während ich beobachtete, wie einzelne Tropfen Kaffee gemächlich in die Kanne fielen. Dabei überlegte ich, was ich mit mir und meinem freien Tag anstellen sollte. Schließlich war in der glücklichen Lage, mich nicht um die Uni oder das Schreiben einer Hausarbeit kümmern zu müssen. Ich ließ den Kaffee in Ruhe zu Ende tröpfeln. Keine Hausarbeiten … während ich daran dachte, umgab mich plötzlich ein ungutes Gefühl. Hausarbeit …

In Gedanken blätterte ich durch meinen Organizer und hatte mit einem Mal das komische Gefühl, etwas vergessen zu haben. Ich runzelte die Stirn und dachte wild nach, bis es mich plötzlich wie ein Blitz traf.

„Scheiße!“, murmelte ich, füllte mir einen Becher voll und verschwand wieder in meinem Zimmer. Eilig schnappte ich nach meinem Organizer und blätterte ihn durch. An der richtigen Stelle blieb ich schließlich hängen.

„Verdammter Mist!“, fluchte ich erneut und ließ mich auf meinem Schreibtischstuhl nieder. Dabei verbarg ich meinen plötzlich so schweren Kopf in meinen Händen. Ich hatte eine Hausarbeit zu schreiben, die in etwa fünf Tagen fertig sein musste, und das ausgerechnet in Literaturgeschichte, was ich total hasste. Und da ich sowieso noch die verhauene Klausur wiedergutmachen musste, sollte diese Arbeit wirklich gut werden. Ich hatte es tatsächlich vergessen. Ich würde Literatur aus der Bibliothek benötigen und mich schnellstens an die Arbeit machen müssen. Eilig schnappte ich nach meinem Smartphone und tippte so schnell eine Nachricht rein, dass ich mich etwa vier Mal korrigieren musste.

Hey! Musst du heute noch in die Bibliothek? Könnte ein paar starke Arme beim Bücherschleppen gebrauchen und anschließend einen Kaffeepartner als Dankeschön? Sally

Abwartend setzte ich mich auf mein Bett, trank bedächtig ein paar Schlucke von meinem Kaffee und starrte unvermittelt auf mein Handy. Es dauerte kaum eine Minute, da flatterte eine Antwort herein.

Klingt nach einem guten Plan! Sehen uns um 11 dort?

Ich lächelte und antwortete sofort.

Perfekt!

Verliebt-Reihe Gesamtausgabe

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