Читать книгу Verliebt-Reihe Gesamtausgabe - Jennifer Lillian - Страница 29
Neunzehn
ОглавлениеAls ich am nächsten Morgen erwachte, traf mich der Schlag. Ich lag auf meinem Bett und trug noch all meine Klamotten vom Vorabend. Ruckartig riss ich den Kopf hoch und begutachtete das aufgeschlagene Buch, was neben mir lag. „Scheiße!“, fluchte ich im Flüsterton und sah mich verwirrt um. „Scheiße“, wiederholte ich abermals und sprang aus dem Bett. Ich musste direkt eingeschlafen sein, nachdem ich mich auf meine Bücher stürzen wollte. Ich habe nicht eine Seite mehr lesen können. Die Nacht davor saß mir scheinbar doch tiefer in den Knochen, als ich eigentlich vermutet hatte. Schöner Mist!
Ein Blick auf meinen Wecker verriet mir allerdings, dass es noch relativ früh war und ich wenigstens noch genug Zeit hatte für eine ausgiebige Dusche. Auch ein Kaffee und ein schnelles Frühstück waren noch drin. Obwohl ich eingeschlafen war, fühlte ich mich dennoch ganz gut für die Klausur vorbereitet. Ich hatte ja die Tage davor schon sämtliche Bücher verschlungen. Naja egal, dachte ich mir und versuchte den Morgen so entspannt wie möglich zu sehen. Stress vor einer Klausur war das, was ich am wenigsten gebrauchen konnte.
Ich griff nach ein paar frischen Sachen und öffnete leise meine Zimmertür. Alles war noch dunkel dank der heruntergelassenen Jalousien im Wohnzimmer und Daph schien tatsächlich auch noch zu schlafen. Auf Zehenspitzen machte ich mich auf den Weg ins Badezimmer. Ich bog im Wohnzimmer um die Ecke, um neben der offenen Küche das Bad zu erreichen. Leise drückte ich die Badezimmertür auf. Plötzlich bemerkte ich einen Fremdkörper im Bad. Etwas, was hier nicht reingehörte. Ein schrilles Quieken entfuhr meinem Mund, und die Gestalt fuhr erschrocken herum. Mir blieb vor Schreck der Atem weg. Mein Herz rutschte eine Etage tiefer, nachdem ich in diese vertrauten, eisblauen Augen blickte. Meine Klamotten fielen mir allesamt auf den Boden.
„Brad!“, fluchte ich, jedoch mehr vor Schreck als vor Verwunderung.
„Sally!“, entgegnete Brad mindestens genauso verwirrt wie ich. „Tut mir leid“, stammelte er und verschränkte seine Arme vor der Brust. Erst jetzt bemerkte ich, dass er lediglich in Unterwäsche vor mir stand.
„Was zum Teufel machst du hier?“ Meine Stimme war eine Spur zu schrill, und so zog ich die Badezimmertür hinter mir zu, damit Daph uns nicht hörte.
„Hat Daph dir nichts erzählt?“
„Ähm, nein?“
„Wir haben uns gestern Abend noch getroffen und naja, sie bat mich …“ Er kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf, verschränkte aber direkt wieder die Arme vor sich. „… über Nacht zu bleiben.“
Ich schluckte schwer und versuchte mir nicht anmerken zulassen, dass ich das Gefühl hatte, als würde mir schlecht werden.
„Nein“, antwortete ich nur. „Sie hat mir nichts erzählt.“ Sofort erinnerte ich mich an den gestrigen Abend. Mit Musik in den Ohren war ich innerhalb von Sekunden eingeschlafen und schien rein gar nichts mitbekommen zu haben. Ich wälzte in Gedanken nach möglichen Hinweisen, dass Brad und Daph sich treffen wollten, aber da war nichts. Immerhin hatte ich sie ja gebeten, nicht über ihn zu sprechen … Bingo! Vermutlich wollte sie es mir sagen, aber ich hatte sie schlichtweg abgewürgt. Ich Idiot!
„Oh mein Gott, Sally“, entfuhr es Brad und er trat strahlend auf mich zu. Ich wich instinktiv einen Schritt rückwärts, doch die Tür lag mir im Rücken.
„Die Frau ist der Hammer! Wir waren eine Kleinigkeit essen und anschließend wollte sie, dass ich mit zu ihr komme. Mensch, und danach …“
Eilig legte ich meine Hände auf meine Ohren. „Bitte, Brad! Keine Einzelheiten!“
„Okay, entschuldige“, lachte er dann. Ich hingegen fand das alles ganz und gar nicht lustig. Irgendwie fühlte ich mich so … hintergangen.
„Die Einzelheiten wird Daph dir bestimmt noch erzählen. Aber eines kann ich schon mal vorwegnehmen“, grinste er schelmisch. „Sie und ich wollen es miteinander probieren. Ist das nicht genial? Ich meine, wir verstehen uns so gut und warum dann noch warten?“
Mein Gesicht fühlte sich plötzlich knallrot an. Mein Herz raste. Ich empfand keinerlei Freude. Die Situation war nur noch beklemmend. Meine Augen wanderten überall hin, nur nicht zu Brad und seiner muskulösen Brust. Ich konnte ihn einfach nicht ansehen.
„Da bin ich mir sicher“, zischte ich schließlich, hob meine Sachen vom Boden auf und drängelte mich an ihm vorbei zum Waschbecken, auf das ich mich verkrampft abstützte, nachdem ich meine Sachen achtlos auf den danebenliegenden Schrank geworfen hatte.
„Hey? Alles okay?“, fragte er nun wesentlich ruhiger und fasste mir von hinten an die Schultern. Unter seiner Berührung zuckte ich plötzlich zusammen. „Stört dich irgendwas?“
Ich schnellte mit dem Kopf hoch und blickte ihn über dem Waschbecken im Spiegel an. Brad stand direkt hinter mir und meine Haut brannte unter seinen warmen Händen. Verkrampft entlockte ich mir ein halbherziges Lächeln. „Alles in Ordnung.“
„Sicher? Du bist irgendwie blass“, stellte er mit einem besorgten Gesichtsausdruck fest.
Ich drehte mich um, und wir standen dicht an dicht voreinander. Mir stieg ein leichter Hauch seines süßen Dufts in die Nase. Der gleiche Duft, mit dem er Daph vermutlich die ganze Nacht über die Sinne vernebelt hatte. Nachdem ich kurz schluckte und ihm tief in die Augen sah, zwang ich mich, mich so normal wie möglich zu verhalten. „Ich schreibe gleich eine Klausur. Bin nur etwas aufgeregt“, hauchte ich. Dank der Klausur hatte ich die letzten Tage eine perfekte Ausrede für unangenehme Situationen geschaffen.
„Ach, das schaffst du schon“, grinste er und gab mir einen leichten Klaps auf meinen Oberarm.
Wieder zwang ich mich zu lächeln und nickte nur.
„Wenn es einer schafft, dann mein kleiner Lieblingsnerd“, scherzte er weiter und merkte gar nicht, wie sehr es mich in diesem Moment innerlich zerriss.
„Ich werde dann mal wieder …“, flüsterte er verschwörerisch und deutete mit einem Kopfnicken auf die Badezimmertür.
Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, stand ich noch eine ganze Weile wie angewurzelt da und blickte auf die Tür. Ich hatte an diesem Morgen mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass Brad und Daph nun schon diesen Schritt gegangen waren und dass ich nur wenige Meter daneben seelenruhig geschlafen hatte.
***
Wie ein nasser Sack hing ich über meiner Klausur und starrte auf die leeren Zeilen, die sich einfach nicht von selbst füllen wollten. Meinen Kopf auf meiner Hand abgestützt, driftete ich immer wieder zurück in unser Badezimmer. Ich sah Brad, wie er in Boxershorts vor mir stand. Brad, wie er und Daph gemeinsam in ihrem Bett lagen und sich vergnügten. Wie er sie küsste. Wie sie sich von ihm berühren ließ.
Schwachsinn! Tatsache war, dass beide glücklich waren. Und ich hatte in deren Glück nun mal nichts zu suchen. Meine Gedanken waren ein einziges Chaos.
Komm schon, motivierte ich mich. Es ist bloß Literaturgeschichte. Darüber hast du so viel gelesen! Und in diesem Moment scheinbar wieder alles vergessen.
Hätte ich gestern noch fleißig gelernt, würde ich jetzt hier nicht so kläglich versagen. Dann hätte ich aber vielleicht auch Daphs Gestöhne mitbekommen. Oder Brad, wenn er …
Schlagartig riss ich meinen Kopf hoch und blickte in die Masse an Studenten um mich herum. Hier hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören können. Es war Totenstille. Etwa achtzig Studenten, die wie wild auf ihren Blättern kritzelten und sich durch nichts ablenken ließen. Ich sah zu den Leuten auf meiner rechten Seite. Auch hier waren alle fleißig. Der Dozent vorne saß an seinem Schreibtisch und bedachte den Hörsaal immer mal wieder mit prüfenden Blicken, ehe er sich wieder seiner Tageszeitung zuwandte. Erschöpft ließ ich meine Augen über die Klausur schweifen. Es war schlichtweg der blanke Horror. Alles Lernen war umsonst. Ich wusste rein gar nichts mehr. Immer wieder verlor ich mich in meinen Gedanken an Daph und Brad. Aber warum nur? Sie würden nun als Paar auftreten. Ja, und? Dennoch waren sie meine Freunde. Meine besten Freunde. Immer wieder redete ich mir das ein.
Jetzt los! Du kannst danach immer noch nachdenken! Ich sog ein paar Mal die Luft scharf ein und pustete sie wieder aus, ehe ich mich noch einmal konzentriert meiner Klausur widmete. Die Hälfte der Zeit war schon rum und von zwanzig Fragen hatte ich lediglich drei beantwortet. Ich musste mich jetzt zusammenreißen. Alles andere würde nur bedeuten, dass ich mir meinen Schnitt und damit eventuell meine Zukunft vermasselte. Dieser Tag entwickelte sich zu einem reinen Desaster.