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Fünfzehn

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Da kein Moment für immer bleibt, verging die Zeit wie im Flug. Die Blätter an den Bäumen verfärbten sich allmählich in die schönsten Gelb- und Rottöne und kündigten den bevorstehenden Herbst an, der in Boulder dennoch überwiegend warm war. Ich schwor mir, bis zuletzt die Strahlen der Sonne auszunutzen. Ich mochte den Herbst, weil es eine kuschelige Zeit war.

Nach dem intimen Geständnis von Brad schien unsere Freundschaft noch enger zu sein, und vor allem vertrauter. Wir sprachen nie wieder über den Unfall der alten Dame, aber das mussten wir auch nicht. Ich wusste, dass es Brad besser ging, nachdem er sich mir offenbart hatte. Inzwischen konnten wir uns gegenseitig lesen wie in einem offenen Buch, wenn einer von uns seelischen Kummer hatte. Dann waren wir einfach füreinander da. Es war, als würde das Stückchen Eis gebrochen sein, welches uns vorher immer noch ein bisschen auseinander drückte. Jetzt stand nur noch eines zwischen mir und Brad, und das war mein Geheimnis. Allerdings hatte er mich nicht noch einmal gefragt, was ich denn in mir verbergen würde, und das war auch gut so. Außerdem hatte Brad schon mehr von meinem dunklen Ich mitbekommen, als es überhaupt irgendjemand sollte.

Aber nicht nur zwischen mir und Brad war eine noch tiefere Bindung entstanden, sondern auch zwischen ihm und Daph. Ich hatte sie schließlich miteinander bekannt gemacht. Beide freuten sich sehr, einander kennengelernt zu haben und so durfte ich den einzig wahren Vermittler zwischen den beiden spielen. Herzlichen Glückwunsch!

Während Brad ständig damit beschäftigt war, mich über Daph auszufragen, plante diese bereits einen kuscheligen Abend in intimer Runde, wie sie es betitelte. Im Großen und Ganzen bedeutete das nichts weiter, als dass Daph, Brad, Mitch – der sich irgendwie mit in diese Runde geschleust hatte –, zwei Freundinnen von Daph und ich die Teilnehmer eines Spieleabends sein sollten. Lustig! Aber ich konnte Daph mit ihren Kulleraugen sowieso keinen Wunsch abschlagen, so stimmte ich dem Abend zu. Ich hatte zwar nichts dagegen, dass Daph und Brad sich immer näher kamen, aber irgendwie störte es mich trotzdem. Dabei ging es nicht um die Tatsache, dass es sich dabei um zwei meiner besten Freunde handelte, sondern vielmehr darum, dass mich die Art und Weise, wie sich beide heimlich umgarnten, schlichtweg ankotzte. Dieses alberne Verhalten von Daph und das Platzhirschgehabe von Brad war keine gute Kombination. Aber da musste ich wohl durch und konnte nur hoffen, dass es schnell wieder vorbei war.

***

Die Leute hatten sich inzwischen an meinen neuen Look gewöhnt, und so kam es Gott sei Dank nicht mehr zu verwirrten Blicken und Fragen, was mit mir passiert sei oder wem ich denn nacheiferte.

Daph war gerade dabei, den Couchtisch mit Alkohol und Knabbereien zu füllen, als ich ins Wohnzimmer trat. Ich sah sie fragend an, als ich die Massen an Bier und Schnaps sah. „Himmel! Wer soll das denn alles trinken?“

„Hm“, machte Daph und sah sich ihr Werk eingehend an. „Ich finde, dass man niemals zu wenig haben sollte.“

„Na, herzlichen Glückwunsch, das hast du geschafft. Wir werden noch alle mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus landen wegen dir“, scherzte ich und schlich um den Küchentresen herum.

„Mich wundert sowieso, dass du überhaupt zur Flasche greifst. Seitdem ich aus Deutschland zurück bin, habe ich das Gefühl, ganz neue Seiten an dir kennenzulernen und dazu gehört auch dein ausschweifender Alkoholkonsum“, predigte Daph und sortierte ihre Flaschen irgendwie erneut.

Ich lachte laut auf. „Ausschweifender Alkoholkonsum, ich bitte dich. Ich trinke mehr als früher, das mag sein. Aber das ist auch nicht sonderlich schwer, denn ich habe vorher gar nichts getrunken. Stemple mich bloß nicht als Alkoholikerin ab.“ Im Kühlschrank suchte ich nach etwas Essbarem, doch außer weiteren Bierflaschen und Sekt fand ich nichts. Ich rollte mit den Augen und wusste, dass ich mich also mit Chips und Schokolade satt essen musste.

„Ich stemple dich doch nicht ab, meine Liebe. Aber haben deine Veränderungen vielleicht irgendwas mit Brad zu tun?“, fragte sie in einem herausfordernden Ton und klimperte mit ihren langen Wimpern.

Seufzend ließ ich die Kühlschranktür zufallen und lehnte mich mit den Armen auf den Tresen. „Vielleicht habe ich mich, seitdem ich ihn kenne, etwas verändert, und du kannst dir dein hinterhältiges Grinsen aus dem Gesicht wischen, denn ich weiß, worauf du hinauswillst. Ich habe mich durch ihn verändert, weil er mir als Freund dabei geholfen hat und nicht, weil ich ihn als meinen Freund haben will“, erklärte ich. „Ich kenne deinen Standpunkt: Jungen und Mädchen können keine Freunde sein. Daph, die Diskussion hatten wir schon, darauf lasse ich mich nicht noch einmal ein“, lachte ich übermütig.

„In diesem Fall bin ich dir auch wegen nichts böse“, kicherte sie wieder und ich merkte, wie sie leicht rot anlief. Sie blickte plötzlich geradeaus ins Leere und lächelte vor sich hin. „Brad ist einfach toll. Ich mag ihn schon sehr.“

Ich schwieg und beobachtete sie skeptisch.

Plötzlich drehte sie sich lächelnd zu mir um. „Ich glaube, ich habe mich schon etwas in ihn verknallt, Sall!“

Auf einmal sammelte sich irgendwas in meinem Hals, was ich nicht deuten konnte, und es brachte mich zum Husten. „Du hast sie nicht alle“, lachte ich bloß unsicher.

„Nein, ich meine es ernst! Ich mag ihn schon sehr.“ Daph wirkte mit einem Mal so glücklich. So … verknallt. Ich schluckte schwer. Das kam sehr überraschend. Dass sie ihn heiß fand, das wusste ich ja bereits, aber dass da eventuell schon Gefühle im Spiel waren, daran hatte ich nicht gedacht. Vielmehr hatte ich es nicht gehofft.

„Glaubst du, er mag mich auch?“, wollte sie dann wissen und hüpfte aufgeregt wie ein kleines Mädchen auf und ab und ließ dabei ihre langen Haare hin und her wippen.

„Ich … ich weiß nicht. Frag ihn doch einfach“, brachte ich lediglich heraus und spielte beiläufig an meinen Fingern.

„Aber Sall“, begann Daph, „du kennst ihn ja schon besser als ich. Vielleicht kannst du ihn ja mal fragen, wie er mich so findet.“ „Ich wette, das teilt er dir schon mit.“

„Ach bitte, Sall. Komm schon.“

Schon wieder diese Kulleraugen. Ich nickte nachgiebig. „Ich werde ihn mal drauf ansprechen.“

Während Daph sich kichernd daran machte, das Wohnzimmer weiter herzurichten, stand ich nachdenklich da. Mit einem Mal hatte ich meinen Hunger vergessen und nahm gedankenverloren eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, die ich in wenigen Zügen leerte, während ich Daph dabei beobachtete, wie sie glücklich durch die Gegend tänzelte.

***

Irgendwann schellte es an der Tür. Das mussten die anderen sein. Ich schnaufte noch einmal, bevor ich mich dem Abend stellte. Warum ich mich eigentlich so eigenartig fühlte, konnte ich mir nicht genau erklären. Allerdings war es eher ein mulmiges, aufgeregtes Gefühl, was sich in meiner Magengegend breit machte. Ich war doch sonst nie so aufgeregt, wenn Besuch kam und schon gar nicht, wenn Brad vorbei sah. Aber an dem Abend war es anders. Vielleicht war auch Daphs übertriebenes Getue der Grund dafür. Ich schüttelte mehrfach meinen Kopf, um diesen wieder klar zu kriegen. Es würde sicherlich ein lustiger Abend werden, redete ich mir ein und setzte mein unschuldiges Lächeln auf. Es wurde noch breiter, als Brad auf mich zukam, nachdem ich die Tür öffnete, denn er nahm mich in Windeseile in seine starken Arme und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Hey, hey!“, bremste ich ihn verwundert und rieb mir beiläufig mit der Hand über die geküsste Stelle. „Was ist denn mit dir los?“

„Ich freue mich nur auf einen lustigen Abend!“, flüsterte er mir fröhlich ins Ohr und ich sah, dass er sich freudestrahlend Daph zuwandte. Sie umarmten sich dann sehr lange und ziemlich innig.

Eilig begrüßte ich die anderen. Mitch mit einer flüchtigen Umarmung und die anderen beiden Mädels Susan und Lynn, die ich einfach nicht leiden konnte, mit einem gefühllosen Nicken. Scheinbar hatten sie meine neue Aufmachung – die ja inzwischen gar nicht mehr so neu war – noch nicht gesehen, denn sie bedachten mich mit Blicken, die ich lieber nicht beschreiben möchte (es war irgendetwas zwischen Verwunderung und Verachtung).

Na super! Das kann ja ein toller Abend werden, dachte ich, als ich die Tür etwas zu heftig ins Schloss fallen ließ.

Ich spürte schnell, dass ich den überflüssigen Part der Runde vertrat. Susan und Lynn tuschelten wild miteinander und kicherten über dies und jenes, vermutlich auch über mich. Zwischen mir und Lynn gab es schon immer eine ziemliche Spannung. Warum das so war, konnte ich mir allerdings gar nicht genau erklären. Aber sie und Daph waren gut befreundet, ich musste da durch. Mitch schmachtete den beiden unauffällig entgegen, und Daph und Brad – naja, die sahen sich unentwegt tief in die Augen. Wir tranken alle ein wenig. Ich etwas mehr, obwohl ich mich innerlich immer wieder rügte, wenn ich nach einer neuen Flasche griff, aber es fiel mir schwer, nein zu sagen. Ich wollte eigentlich nicht wieder die Kontrolle verlieren. Aber diesen starken inneren Willen, den ich vor ein paar Wochen noch hatte, suchte ich vergebens, und so gab ich mich der langsam schleichenden Wirkung des Alkohols hin.

Daph dämmerte irgendwann ebenfalls schon leicht vor sich, was auch kein Wunder war, denn sie animierte ihre Gäste immer wieder zum Trinken. Brad zwinkerte mir zwischendurch immer mal entgegen und schenkte mir wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit. Mitch war nach einigen Drinks auch schon leicht beim Verlust seiner Muttersprache angekommen, wobei ich mich an dem Abend oft fragte, ob das nicht sein tatsächlicher Sprachgebrauch war. Und Lynn und Susan packten vor gesamter Runde ihre Bettgeschichten und andere wilde Erlebnisse der letzten Monate aus. Der reinste Albtraum.

Der Zeiger auf der Uhr an der Wand drehte und drehte sich. Man konnte das auch auf den wachsenden Pegel der Anzahl der Gäste projizieren, die sich mit einem Schlag vermehrt hatte. Einer der beiden Tussis musste noch ein paar Leute eingeladen haben, die ich allerdings nur vom Sehen kannte. Daph schien das ganz und gar nicht zu stören, dass sich der „gemütliche“ Abend allmählich zu einer Party entwickelte, denn sie hatte irgendwann die Musikanlage aufgedreht und begann mit Brad eng inmitten des Wohnzimmers zu tanzen.

Mit einem Bier in der Hand stand ich am Fenster gelehnt und sah gedankenverloren nach draußen auf die dunkle Straße. Es war normal, dass es hier sehr ruhig in der Gegend zuging. Ich dachte gerade darüber nach, was wohl die Nachbarn zu diesem Spektakel sagen würden, als sich plötzlich Lynn und Susan zu mir gesellten und mich provozierend ansahen.

„Alles klar bei euch?“, wollte ich teilnahmslos wissen und ließ meinen Blick wieder aus dem Fenster wandern. Die beiden hatten mir gerade noch gefehlt, und gerade der vernichtende und missbilligende Blick von Lynn entging mir nicht.

„Also, Sally. Nun sag schon. Warum diese merkwürdige Aufmachung?“, fragte Lynn scharf. Mit ihren gruseligen grünen Augen und kurzen, fransig blonden Haaren konnte sie einem einen eiskalten Schauer über den Rücken jagen. Sie war das Böse in Person.

Verblüfft sah ich an mir herab und fragte mich, was sie wohl mit merkwürdiger Aufmachung meinte. Mit meiner Röhrenjeans, einem grauen, etwas engem Langarmshirt, meinem Schal und meinen lockigen dunkelbraunen Haaren konnte ich nicht sagen, was an mir anders war als bei anderen Menschen. „Tut mir leid, aber ich verstehe deine Frage nicht.“

Lynn zog arrogant eine Augenbraue hoch. „Ach, nun tue doch nicht so. Ich meine, wieso zieht ein Nerd, wie du es bist, sich plötzlich so anders an und achtet auf sein Aussehen? Wo sind deine fettigen Haare, deine Brille und deine billigen Klamotten hin?“

Mit einer Hand zog sie an dem Saum meines Shirts und ich sah sie entgeistert an. In mir kochte langsam Wut hoch. Ich nahm einen tiefen Schluck und schnalzte genüsslich langsam mit den Lippen. „Also erstmal: Ich habe niemals fettige Haare. Meine Klamotten sind vielleicht nicht die teuersten, aber nie dreckig. Und meine Brille wurde von ein paar Kontaktlinsen abgelöst. Ich wüsste nicht, was daran ungewöhnlich ist.“

„Ungewöhnlich ist dabei deine schnelle Veränderung. Ich nehme an, das hat einen ganz besonderen Grund?“ Lynn drehte sehr auffällig ihren Kopf in Brads Richtung. Ich folgte ihrem Blick und beobachtete Brad dabei, wie er und Daph gerade versuchten, einen Tango zu tanzen. Schnell wandte ich mich wieder Lynn zu, die ein hinterhältiges Grinsen aufgelegt hatte.

„Falls du darauf hinaus willst: Meine Veränderung hat nichts mit Brad oder sonst wem zu tun“, verteidigte ich mich gelassen, doch innerlich bebte ich. Mein Herz schlug in diesem Moment rasend schnell. Was zur Hölle wollte sie von mir?

„Ach, wirklich nicht? Komisch. Kaum habt ihr euch kennengelernt, schon spielst du Cinderella. Mich brauchst du nicht für dumm zu verkaufen. Ich meine, sieh ihn dir doch mal an.“ Beiläufig sah ich wieder zu Brad, der ausgelassen lachte und seinen Kopf dabei in den Nacken fallen ließ. Während ich ihn ansah, sackte mein Magen noch eine Etage tiefer.

Lynn sprach die ganze Zeit weiter. „Was will so ein hübscher Mann wie Brad von einem Streberlein wie dir? Da kann so eine Veränderung ja mal ganz gelegen kommen. Aber ich sage dir eines: Brad und Daph sind das Traumpaar. Du bist bald wieder weg vom Fenster.“

Wütend schaute ich Lynn in die Augen. „Was willst du mir eigentlich sagen? Brad ist mein bester Freund. Da spielen Veränderungen und das Äußerliche keine Rolle. Aber das kannst du natürlich nicht wissen, da du echte Freundschaften ja nicht kennst. Ich weiß auch nicht, warum du meinst, hier so austeilen zu müssen, es interessiert mich auch nicht, weil du mich nicht interessierst. Du mit deinem kleinen oberflächlichen Leben.“

Dass Lynn und ich uns nicht ausstehen konnten, das wusste ich ja bereits. Dass wir scheinbar so auf Kriegsfuß standen, das war mir neu – bis der Groschen fiel. Daph und Lynn waren einmal die besten Freundinnen gewesen. Ein großer Streit hatte die beiden auseinandergebracht und dann … dann kam ich. Vermutlich ein Umstand, mit dem Lynn nicht klarkam.

„Mein Leben kann dir tatsächlich egal sein. Aber an deiner Stelle wäre ich vorsichtig. Brad, dein bester Freund, und Daph, deine beste Freundin. Da kann das fünfte Rad am Wagen schnell in Vergessenheit geraten. Gerade, wenn man so ein graues Mäuschen ist, wie du es bist“, grinste Lynn hämisch und stieß mit ihrem Bier gegen meine Flasche. „Prost!“

Dann verschwand sie leicht taumelnd, dicht gefolgt von Susan, ihrem kleinen bissigen Dackel. Ich stand einfach nur da, schluckte schwer und beobachtete wieder Brad und Daph. Sie sah glücklich aus. Beide waren glücklich. Dann sollte ich auch glücklich sein. Keine der beiden würde mich vergessen. Was Lynn da sagte, war absoluter Schwachsinn, oder? Ich würde niemals das Glück meiner besten Freunde zerstören wollen. Aber es gab ja auch keinen Grund, dies zu tun, oder?

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