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Fünfundzwanzig

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Etwa vier Mal hatte ich mein Outfit gewechselt und ungefähr sechs Mal meine Frisur geändert, bevor ich endgültig startklar war. In wenigen Minuten würden die Jungs da sein und uns abholen. Einerseits war ich gespannt auf den Trip, andererseits hoffte ich, dass der Tag schnell vorübergehen würde, da ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was mich erwartete. Ein rund um die Uhr knutschendes Pärchen, was seine leidenschaftliche Liebe nicht zurückhalten konnte. Eine beste Freundin, mit der ich über Mädchenkram sprechen konnte oder vielleicht einen aufgedrehten Brad neben mir, der mich immer wieder zum Lachen brachte. Es konnte aber auch sein, dass ich mich mit nervigen Sprüchen von Alex vergnügen durfte. Ich vermutete eher Erstes und Letzteres.

Ich zog mein grau-schwarz gestreiftes Langarmshirt in Form und betrachtete mich im Spiegel. Meine Haare konnte ich durchaus so lassen, mit einem lockeren Pferdeschwanz, aus dem sich ein paar vereinzelte Strähnen lösten, fühlte ich mich wohl. Die Jeans war nicht zu eng und nicht zu labberig. Meine grauen Sneakers passten perfekt zum Outfit. Zufrieden würde ich an diesem Morgen sowieso nicht mit mir sein können, von daher war es erstmal in Ordnung, so wie ich aussah.

Gerade wickelte ich mir gedankenverloren eine lockige Strähne um meinen Finger, als ich von draußen ein lautes Hupen hörte. Daph kreischte wild und rief einige Male meinen Namen. Noch einmal holte ich tief Luft und presste sie wieder raus. Es ging los. Ein weiterer Tag, an dem ich mich gegen meine Gefühle Brad gegenüber wehren musste, um mich gleichzeitig offen für die Annäherungsversuche von Alex zu zeigen.

Daph und ich verließen das Haus und erblickten vor uns einen alten orangen Bus. Er war gefühlte hundert Jahre alt, aber der Anblick gefiel mir. Einfach nur Retro. Schon immer wollte ich mal mit so einem alten Ding durch die Landschaften fahren.

„Wow, wie cool! Schau mal, Sally“, freute Daph sich neben mir und griff nach meiner Hand. Sie zog mich aufgeregt zum Bus, aus dem Brad und Alex ausstiegen und lächelnd auf uns zukamen. Ich musste zugeben, dass beide Jungs wirklich super aussahen. Alex mit seiner Sonnenbrille und seinem engen Shirt und Brad mit seinem wunderschönen Lächeln und seinen leicht zerzausten Haaren.

„Sieht hammermäßig aus“, nuschelte ich, ohne zu bemerken, dass ich meine Gedanken gerade laut aussprach.

Brad blickte an sich herab und sah mich überrascht an. „Dankeschön. Ich weiß ja, dass ich ein heißer Typ bin. Aber von dir hört man das eher selten.“

Erschrocken riss ich die Augen auf und räusperte mich kurz. Hatte ich das laut gesagt? Ich schüttelte eilig den Kopf. „Ich meine den Bus. Der sieht super aus. Die Farbe und so. Einfach total cool.“

Brad drehte sich kurz um und sah mich dann wieder an. „Ach so. Ja klar, der Bus, der ist ziemlich cool. Ich hatte ja erzählt, dass der von einem Kumpel ausgeliehen ist. Schön, wenn er dir gefällt.“ Ich weiß nicht, ob ich es mir eingebildet habe, aber war Brad etwas rot angelaufen im Gesicht?

Schnell wollte ich aus diesem verdammt peinlichen Moment entfliehen und winkte Alex lässig entgegen. „Hey, ist dir nicht ein bisschen kalt?“ Mit meinem Blick deutete ich auf sein Shirt. Es war zwar noch angenehm warm, wenn aber der Wind wehte, konnte es zu dieser Jahreszeit ganz schön frisch werden.

Mit einem schiefen Grinsen sah er mich über seine Sonnenbrille hinweg an. „Jetzt nicht mehr.“

Ich rollte lachend mit den Augen und machte eine der Bustüren auf, während Daph ihrem Liebsten in die Arme fiel, als hätten sie sich ein paar Jahre nicht gesehen. Ich schnaufte kurz und warf meine Tasche auf die Rückbank.

Plötzlich hörte ich eine Stimme, die ich sehr wohl kannte, aber hier nicht erwartet hätte.

„Ich will euer Begrüßungsritual ja nicht stören, aber wenn wir jetzt losfahren, dann kommen wir nicht in den nervigen Morgenverkehr und haben mehr vom Tag.“

Lachend stieg ich wieder aus dem Bus und erblickte Mitch, der sich neben Alex stellte und beim Anblick von Brad und Daph den Kopf schüttelte.

„Mitch!“, rief ich erfreut und lief ihm entgegen. „Du bist auch hier?“ Ich drückte ihn kurz.

„Ja, Brad hat mich gefragt, ob ich euch begleiten möchte. Allerdings glaube ich, dass er nur nach einem Fahrer sucht, damit er später was trinken kann.“

„Wie recht du hast“, stimmte Brad ihm beiläufig zu und griff nach Daphs Tasche, um sie ebenfalls in den Bus zu befördern.

„Siehst du?“, fragte Mitch an mich gewandt und zog die Brauen hoch. „Wie ehrlich er doch ist.“

Ich lachte laut. „Brad wäre nicht Brad, wenn er nicht aus allem seine Vorteile ziehen würde“, bestätigte ich und warf Brad einen amüsierten Blick entgegen und erntete dafür bloß wieder einen Mittelfinger. Wir verschwendeten nicht länger unsere Zeit und platzierten uns im Bus. Die Jungs bestanden darauf, alle drei vorne zu sitzen und Brad am Steuer. Daph und ich machten es uns auf der Rückbank bequem. Eigentlich ein guter Start, wenn man bedenkt, dass die beiden sich tatsächlich getrennt voneinander setzten.

Im Radio lief ein Hit namens Crazy. Die Situation war nach wie vor ziemlich verrückt. Aber ich nahm mir vor, das Beste daraus zu machen. Das Bowlen hatte sich entgegen meiner Erwartungen schließlich auch zu einem lustigen Abend entpuppt. „Und?“, fragte Daph neben mir wie ein Teenager und grinste mich verräterisch dabei an.

„Na, freust du dich auf heute?“, bohrte sie weiter und nickte dabei in Alex‘ Richtung. Ich folgte ihrem Blick.

„Ach, das Thema schon wieder. Daph, ich freue mich, okay? Aber auf einen schönen Tag mit euch allen. Bitte erspare mir heute deine Verkupplungsversuche.“

Sie zog eine Schnute. „Komm schon, das wird lustig. Siehe es als eine Art Sprungbrett.“

„Sprungbrett? Wofür? In einen großen Schlamassel?“

„Nein! In ein nettes Abenteuer mit einem heißen Typen.“

„Ich bitte dich doch nur, dass du mich damit in Ruhe lässt. Immerhin komme ich mehr oder weniger dir zuliebe mit, da du mich mit deinen Rehaugen wieder um den Finger gewickelt hast“, erklärte ich leise, damit uns die Jungs vorne nicht hörten.

„Lass uns einfach die Musik, den Tag, die Drinks und die Sonne genießen“, schlug ich gut gelaunt vor.

Daphs Gesicht hellte sich auf. Ich wusste, dass sie eigentlich noch eine ganze Menge Sprüche parat hatte, aber dieses Mal musste ich ihren Redefluss unterbinden. Ich wusste ja selber noch nicht, was ich von dem Tag halten sollte, deswegen wollte ich es einfach auf mich zukommen lassen.

***

Wie die Wilden stürzten wir uns aus dem Bus, als wir endlich den See erreichten. Wir waren einige Meilen gefahren. Durch die Stadt, durch kleine Dörfer, an Feldern und Wiesen vorbei, bis wir schließlich in immer dichtere Wälder kamen. Mit jedem Meter, den wir uns von Zuhause entfernten, wurde ich entspannter. Ich war froh, wieder mal in die Natur zu kommen. Je mehr wir die Stadt hinter uns ließen, desto mehr Kummer ließ ich hinter mir. Denn ein kleiner Tapetenwechsel – zumindest für einen Tag – schien mir gut zu tun. Jetzt musste ich nur noch das Beste aus dem Tag machen und ich glaubte, das auch hinzubekommen. Wenn alle Faktoren so mitspielten, wie sie es sollten, dann konnte der Ausflug echt gut werden. Brad und Daph sollten am besten nicht die ganze Zeit herumturteln und Alex mich nicht mit irgendwelchen idiotischen Sprüchen nerven, sondern einfach mal die Klappe halten.

Als ich aus dem Bus stieg, überwältigte mich die frische Luft, die direkt in meine Lungen strömte. Ich sog sie tief ein, schloss meine Augen und ließ meine Umgebung einen kleinen Moment auf mich wirken. Dass die Jungs und Daph jubelnd aus dem Bus sprangen und um mich herum hüpften, ignorierte ich gekonnt. Erst als Daph mich am Arm packte und rief: „Komm schon, Sally!“, öffnete ich wieder meine Augen und lächelte. Wir liefen gemeinsam auf das Wasser zu, was wie ein Haufen voller Diamanten funkelte, und stoppten, kurz bevor das Wasser unsere Fußspitzen erreichte. Dabei kicherten wir wie kleine Mädchen. Die Jungs ließen wir mit unseren Taschen und den übrigen Sachen zurück.

Daph griff nach meiner Hand, drückte sie fest und lächelte mich von der Seite an. „Dir scheint es hier zu gefallen. Du strahlst wie ein Reaktor.“

„Ich finde es super hier. Guck dir bloß mal den See, den Wald an. Und spürst du die gute Luft …“ Noch einmal nahm ich einen tiefen Atemzug. „Es ist einfach toll.“

„Da hast du recht. Ich freue mich, dass du mitgekommen bist. Alex freut sich sicherlich auch.“

„Daph!“, herrschte ich sie an und zog einmal energisch an ihrer Hand. Sofort hielt sie inne und presste die Lippen fest aufeinander.

„Sorry“, nuschelte sie.

„Bitte, verschone mich. Lass uns den Tag einfach nur genießen“, flehte ich.

„Schatz!“, erklang es plötzlich hinter uns und wir drehten uns beide automatisch um. Brad stand etwas weiter weg und deutete auf eine Reisetasche zu seinen Füßen. „Was zur Hölle ist da alles drin? Wie lange wolltest du denn bleiben?“ Schnell drehte ich mich wieder weg, da es mir unangenehm war, dass ich auf das Wort Schatz reagierte wie ein Hund auf einen Pfiff von seinem Herrchen.

„Ups“, kicherte Daph verstohlen. „Ich dachte mir, dass man nie genug mitnehmen kann. Stell dir vor, wir kommen hier nicht mehr weg. Oder einer wird von einem Bären gefressen. Du zum Beispiel, dann habe ich wenigstens noch meine Tasche.“

„Und wenn ich von einem Bären verspeist werde, wie soll mir dann deine Tasche helfen? Was hast du denn alles eingepackt?“, fragte ich sie mit großen Augen, als sie sich gerade auf den Weg zu Brad machen wollte.

„Also dir wird sie nichts mehr nützen. Aber dann stehen wir sicher alle unter Schock und können nicht mehr fahren. Dann müssen wir eine Nacht im Bus verbringen. In meiner Tasche sind zum Beispiel Handtücher … man weiß ja nie, ob man auch mal ins Wasser geht. Einen dicken Pullover, damit ich über Nacht nicht friere. Frische Unterwäsche, wegen der Sache mit dem Wasser.

Knabbersachen …“ Sie blickte nachdenklich in den Himmel und nickte überzeugt. „Ja, ich denke, das ist so das Wesentliche. Nun vielleicht habe ich auch noch ein paar Decken mit und Socken …“

„Okay“, unterbrach ich sie lachend. „Das ist wirklich sehr gut durchdacht. Ich hoffe, dass ich gefressen werde, dann kommt deine Tasche wenigstens zum Einsatz.“

„Ich wusste, dass du mich verstehst“, freute sich Daph und kräuselte ihre Nase, bevor sie mich stehen ließ.

Noch einmal wandte ich mich zum Wasser und freute mich über den Augenblick. Dichter Wald hinter mir, ein funkelnder See vor mir, und bis auf das Zwitschern von Vögeln und ein paar knackenden Ästen gab es nichts, was diese Ruhe störte.

Das hoffte ich jedenfalls.

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