Читать книгу Die blaue Stunde - Jule Heck - Страница 14
Kapitel 9
ОглавлениеStefan kümmerte sich plötzlich immer weniger um unsere kleine Familie. Er kam jeden Abend spät nach Hause und hatte angeblich auch am Wochenende Gespräche mit Kunden zu führen. Ich saß die meiste Zeit allein in unserem gemütlichen Heim.
Als die Wehen losgingen, war er wieder nicht da und verpasste die Geburt wie auch schon beim ersten Mal.
Den Anruf aus dem Kreißsaal nahm seine Sekretärin entgegen, er selbst kam erst Stunden später ins Krankenhaus. Der Blumenstrauß war in eine Plastikfolie eingeschweißt und ganz offensichtlich von einer Tankstelle. Er entschuldigte sich noch nicht einmal für sein Zuspätkommen. Seiner neugeborenen Tochter schenkte er nur einen kurzen Blick. Ziemlich bald verließ er das Krankenhaus und ließ sich die ganze Woche, die ich in der Klinik bleiben musste, nicht mehr sehen. Ich entschied allein, wie unsere zweite Tochter heißen sollte und wählte die Kurzform von Anna Katarina, dem Namen meiner böhmischen Großmutter, Ann Katrin.
Gustl war begeistert von der Namensgebung und holte mich gemeinsam mit Lisa Marie, um die sie sich in der Zwischenzeit gekümmert hatte, ab. Meine Mutter äußerte sich nicht zu Ann Katrin. Sie kam erst eine Woche später zu uns nach Hause, um mir die Glückwünsche zur Geburt zu überbringen.
Ich hatte eine Stinkwut auf Stefan und schlief ab sofort bei Ann Katrin im Zimmer. Ich wartete auch nicht mehr mit dem Essen auf ihn und ging abends beizeiten ins Bett. Nur am Wochenende fand Familienleben statt, wenn auch eingeschränkt.
Lisa Marie merkte sehr schnell, dass in unserer Beziehung etwas nicht stimmte. Sie war weinerlich, wollte nicht in den Kindergarten gehen und nässte sich auf einmal nachts wieder ein.
Ich beschwerte mich bei meiner Mutter. Aber sie meinte nur, ich solle doch deswegen nicht so ein Aufstand machen. Stefan sei eben ein erfolgreicher Architekt und arbeite viel. Ich sollte ihm lieber den Rücken freihalten, anstatt mich zu beklagen.
Also bekam ich von ihrer Seite weder Verständnis noch sonst eine Hilfe, denn meine Mutter sah gar nicht ein, dass sie sich bei all ihren neuen Aktivitäten und Treffen mit ihren ach so wichtigen Freunden auch mal um mich oder ihre Enkel kümmern könnte.
Mein Vater hielt sich wie immer zurück und meine beiden Geschwister Harald und Ulla traf ich nur zu Geburtstagen oder Weihnachten. Harald war beim Finanzamt untergekommen. Ulla ließ sich in der Hoffnung, einen feschen Arzt kennenzulernen, zur Kinderkrankenschwester ausbilden, wie sie mir anvertraute.
Meine Schwiegermutter fand das Benehmen ihres Sohnes auch nicht in Ordnung, war aber der Meinung, dass sie sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen durfte. Komisch, dachte ich, genau das hatte sie doch bei der Hochzeit von Stefan und mir getan. Was bewog sie, sich jetzt nicht einzumischen?