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Kapitel 18

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Nach einer Woche wussten wir immer noch nicht, wo sich Paul und Thomas aufhielten. Mein Schwiegervater weigerte sich, die Polizei einzuschalten. Er glaubte nicht an meine Selbstmordtheorie. „Die Feiglinge werden sich ins Ausland abgesetzt haben“, schnaubte er. Wieder begab ich mich in Pauls Wohnung und suchte nach Hinweisen. Mir fiel auf, dass er sehr viele Bücher über Neuseeland im Regal stehen hatte und ein Wandkalender zeigte ebenfalls wunderschöne Aufnahmen von Stränden, Bergen und Regenwäldern auf den beiden Inseln. Jetzt erinnerte ich mich auch, dass er mal beiläufig über seinen Traum gesprochen hatte, nach Neuseeland zu reisen.

Ich besuchte erneut die Eltern von Thomas in Seebruck, um herauszufinden, ob sich ihr Sohn ähnlich geäußert hatte. Seine Mutter atmete bei meiner Frage erleichtert aus. Tränen schimmerten in ihren Augen. „Dass ich da nicht von selbst draufgekommen bin“, sagte sie und schlug sich mit der Hand vor die Stirn.

„Ein Onkel von mir ist in den 50-igern nach Neuseeland ausgewandert. Meine Mutter hatte immer Kontakt zu ihm. Aber ehrlich gesagt, haben wir schon lange nicht mehr über Onkel Wilhelm gesprochen. Ich kann mich erinnern, dass er vor ein paar Jahren plötzlich gestorben ist. Aber er hatte dort geheiratet und Kinder mit der Frau gehabt. Thomas wollte immer mal seine Familie dort kennenlernen.“

Ich bat Thomas Mutter die Anschrift herauszufinden, evtl. auch eine Telefonnummer, sodass ich der Sache nachgehen konnte.

Es dauerte wieder eine ganze Woche, bis sie mich endlich anrief und mir einen Namen und eine Adresse mitteilte. Eine Telefonnummer hatte sie leider nicht. Sie entschuldigte sich, dass es so lange gedauert hatte, doch ihre Mutter sei dement und konnte sich nur ansatzweise an ihren Bruder erinnern. Ihr Vater, der die Mutter betreute, konnte ihr leider auch nicht helfen. Also stellten sie das ganze Haus auf den Kopf, um einen Hinweis auf diesen Onkel zu finden. In einer Kiste auf dem Dachboden fanden sie schließlich Postkarten und Briefe des Onkels und eine Todesanzeige von 1978. Danach war die Verbindung offenbar abgebrochen.“

Über die Auslandsauskunft fand ich die Telefonnummer der Familie des Onkels heraus. Ich erkundigte mich über die Zeitverschiebung und machte mir Gedanken, wann ich dort anrufen bzw. was ich der Witwe von diesem Onkel Wilhelm sagen könnte. Zunächst traute ich mich nicht.

Nach einem erneuten Streit mit Stefan, setzte ich mich dann doch ans Telefon und wählte die lange Nummer. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass der Anruf gleich durchgehen oder jemand auf der anderen Seite der Erde abheben würde. Mir wäre beinahe der Hörer aus der Hand gefallen, als sich eine englischsprechende Stimme meldete. Dem Klang nach, musste es eine jüngere Person sein, vermutlich in meinem Alter.

Ich stellte mich kurz vor und fragte, ob Thomas bei der Familie aufgetaucht sei. „Oh yes”, antwortete die Person am anderen Ende der Leitung, „Thomas is here. He is such a good boy. Wait a moment.“ Ich hörte, wie man laut nach Thomas rief. Mein Herz schlug bis zum Hals vor lauter Freude. Aber nicht Thomas kam ans Telefon, sondern Paul. Erleichtert hörte ich ihm zu.

Sie planten auszuwandern und in Neuseeland eine neue Existenz zu gründen. Die Familie von Onkel Wilhelm wollte ihnen behilflich sein. Vorläufig würden sie nicht nach Deutschland zurückkehren, aber ich musste Paul versprechen, seinen Eltern nicht zu verraten, wo er sich aufhielt. Auch Stefan sollte ich nichts über ihren Aufenthaltsort sagen.

Dagegen könnte ich Thomas Eltern gern in Kenntnis setzen. Er wollte mir ab sofort regelmäßig an seine eigene Adresse in Prien schreiben. Er bat mich, ein Auge auf die Wohnung zu haben. Vorläufig wolle er sie nicht veräußern. Ich fragte ihn, ob es ihm recht sei, wenn ich vorübergehend dort mit meinen Kindern einziehen würde. Seine Frage, warum ich ausziehen wollte, beantwortete ich ehrlich, erzählte ihm von Stefans Verhältnis.

„Susanne also!“, antwortete er zu meiner Überraschung. „Ich dachte mir schon so etwas. Natürlich kannst du die Wohnung haben.“

Zudem sollte ich ihm schreiben, was hier in Deutschland, in unserer bayrischen Kleinstadt am Chiemsee, so alles passierte.

Ich informierte umgehend Thomas Eltern und beruhigte sie, dass sie sich keine Sorgen machen müssten.

Die blaue Stunde

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