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Kapitel 2
ОглавлениеIch fühlte mich durchaus stark zu Stefan hingezogen. Er beherrschte mich, machte mich gefügig. Ich war ihm verfallen und genoss die leidenschaftlichen Stunden mit ihm. Wir trafen uns oft und taten es überall, wo sich eine Möglichkeit bot. Nicht nur im Reitstall oder in seinem Auto, nein, wir fuhren auch oft in die Berge, wo seine Familie eine Hütte besaß, die man beheizen konnte. Von hier aus hatte man einen herrlichen Ausblick auf die bergige Landschaft, in deren Mitte das Blau des Chiemsees schimmerte. Den herrlichen Ausblick genossen wir jedoch selten.
Stefan versicherte mir immer wieder, dass er ganz verrückt sei nach meinen Brüsten. Er könne gar nicht genug davon kriegen, sie zu berühren und sein Gesicht zwischen meinen Rundungen zu versenken. Für meine damals 17 Jahre hatte ich tatsächlich eine sehr frauliche Figur, an der ich mich störte. Mein zwei Jahre älterer Bruder Harald zog mich immer damit auf.
Ich besorgte mir heimlich die Pille. Meine Mutter hätte mir das nie erlaubt. Für sie galt Jungfräulichkeit bis zum Eintritt in die Ehe.
Eine Magen- und Darmgrippe wurde mir schließlich zum Verhängnis. Die ganze Familie litt daran, einschließlich meiner Wenigkeit. Mir war nicht klar, dass sich dadurch die Wirkung des Verhütungsmittels verflüchtigen würde. Das war es dann. Ich wurde schwanger. Zunächst merkte ich es nicht einmal. Ich dachte, dass meine anschwellenden Brüste und meine Gewichtszunahme von der Einnahme der Pille kämen. Meiner Mutter fiel meine plötzliche Blässe und ständige Übelkeit auf. Die Frauenärztin, zu der sie mich brachte, bestätigte die Vermutung meiner Mutter.
Bevor ich Stefan von dem Kind erzählen konnte, hatte meine Mutter bereits alles in die Wege geleitet. In einer überwiegend katholischen Gegend kam es nicht in Frage, dass ich ein uneheliches Kind zur Welt bringen würde. Das sah nicht nur meine Mutter so, sondern auch Stefans Mutter.
Stefan war genauso wenig begeistert wie ich, aber er sagte nur, es hätte ja auch schlimmer kommen können.
Stefan hatte mittlerweile sein Studium beendet und konnte sich als angehender Architekt durchaus eine Familie leisten. An Ostern wurden wir quasi verlobt und Ende Mai, genau an meinem 18.Geburtstag, wurden wir verheiratet. Ich konzentrierte mich auf die Schule und die bevorstehenden Abiturprüfungen, während unsere Mütter munter drauflos planten. Adelgunde war mein einziger Trost in dieser Zeit. Sie schaffte es immer wieder, mich aufzumuntern. Aber das Reiten wurde mir strengstens untersagt. Das könnte die Schwangerschaft gefährden, sagte meine Mutter, deren einzige Sorge darin bestand, dass irgendetwas meine Vermählung mit Stefan verhindern könnte.
Zum Polterabend erschienen zweihundert Gäste. Davon kannte ich, abgesehen von meinen Schulfreundinnen, nur die wenigsten. Auch an der Hochzeit am übernächsten Tag kamen Leute, mit denen ich noch nie etwas zu tun gehabt hatte.
Ich fragte mich, wie sich meine Eltern das finanziell leisten sollten, doch meine Mutter beruhigte mich. Stefans Eltern würden für alles aufkommen. Es war ihnen wichtig, ihre Geschäftspartner und Honoratioren aus dem öffentlichen Leben einzuladen. Unter den vielen Gesichtern, immerhin waren 100 Gäste zugegen, entdeckte ich sogar den Bürgermeister der Stadt, den ich bisher nur von Wahlplakaten kannte.
Von meiner Familie waren meine Eltern, mein Bruder Harald und meine zwei Jahre jüngere Schwester Ulla sowie meine Patentante Helene, die Schwester meines Vaters und deren Tochter, meine Cousine Anneliese anwesend. Meine böhmische Großmutter und die Eltern meines Vaters waren bereits verstorben. Außer ein paar Cousins meines Vaters hatten wir keine Verwandten. Der Krieg und seine Folgen hatte viele Opfer gefordert und ganze Familien vernichtet.
Das Brautkleid und die ganze Ausstattung, einschließlich der Unterwäsche und der Schuhe wurde von den künftigen Schwiegereltern bezahlt. Zur standesamtlichen Trauung musste ich ein Dirndl tragen, das meine Mutter genäht hatte. Zugegeben, es war wunderschön. Ich gefiel mir darin. Das Brautkleid durfte ich selbst wählen. Es war ein Traum aus cremefarbener Spitze, die den kleinen Babybauch geschickt verdeckte. Bei der Anprobe des Kleides bekam ich einen Vorgeschmack von der Bekanntheit und dem Reichtum meiner neuen Familie.
Die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, mitten in Prien, war wunderschön geschmückt. Kleine Sträuße aus Maiglöckchen, zierten den Eingang jeder Kirchenbankreihe und verströmten einen herrlichen Duft. Als mein Vater mich zum Hochzeitsmarsch zum Altar führte, war ich aufgeregt wie ein kleines Kind. Stefan sah in seinem extra angefertigten Anzug aus feinstem Lodenstoff äußerst stattlich aus und reichte mir lächelnd den Arm.
So weit so gut. Nach den Feierlichkeiten traten Stefan und ich die Flitterwochen an. Die Schule hatte mich für eine Woche vom Unterricht befreit. Bis dahin hatten wir beide eigentlich gar keine Möglichkeit mehr gehabt, alleine zu sein. Bis zur Trauung drehte sich alles um die Einladung der Gäste, die Kleiderauswahl und die Tischordnung.
Eigentlich hätten wir froh sein können, dem ganzen Trubel zu entkommen. Erst jetzt würden wir uns richtig kennenlernen. Aber wenn wir ehrlich waren, hatten wir uns gar nicht viel zu sagen, und mit dem Sex war es auch nicht mehr so toll. Stefan störte sich an meinem Babybauch, erklärte mir, er wolle dem Kind nicht schaden.
Wir waren in eine Ehe hineingedrängt worden, die wir beide nie angestrebt hatten. Nun mussten wir sehen, wie wir das Beste daraus machen konnten, zwei Fremde, die nichts anderes kannten als Sex.
Stefan versprach mir, dass er mich nicht im Stich lassen würde, erklärte, dass wir das Beste aus der Situation machen sollten. Wir nutzten diese eine gemeinsame Woche in den Tiroler Bergen, um uns besser kennenzulernen, unsere Ideen auszutauschen, über unsere Wünsche zu sprechen und uns kleine Geheimnisse anzuvertrauen. Eigentlich war es eine ganz angenehme Woche, aber auch danach empfand ich nicht mehr als Freundschaft für ihn.