Читать книгу Die blaue Stunde - Jule Heck - Страница 19
Kapitel 14
ОглавлениеMein Vater beklagte sich eines Tages bei mir. Meine Mutter würde ständig Leute einladen, mit denen er nichts anfangen könnte. Die ausschweifenden Partys würden viel Geld kosten. All das würde sein Gehalt sprengen und was noch schlimmer war, die alten Freunde blieben immer öfter fern.
Als ich meine Mutter darauf ansprach, jammerte sie, dass sie gar nicht verstehen könnte, warum ihre alten Freunde sie im Stich ließen. Teilweise würden sie nicht einmal mehr mit ihr sprechen, ihr in der Stadt aus dem Weg gehen. Dass sie selbst diese Situation auslöste, wollte sie nicht einsehen. Ihre Tür stände doch jedem offen, meinte sie.
Ihr war einfach nicht zu helfen, aber mein Vater tat mir leid. Nach einiger Zeit bemerkte ich, dass, wann immer wir uns zufällig trafen, sein Atem nach Alkohol roch. Es dauerte nicht lange, da beschwerte sich meine Mutter bei mir, mein Vater würde zu viel trinken, er käme betrunken von der Arbeit nach Hause und würde nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Aber auch jetzt sah sie nicht ein, dass sie die Schuld an dieser Misere trug. Ich bot meinem Vater an, mich zu besuchen, wann immer er die Nase voll hatte. Das hätte ich besser nicht gesagt, denn auf einmal saß er fast jeden Tag bei mir im Wintergarten. Auf einmal hatte ich drei Kinder, meine beiden Mädels und meinen todunglücklichen Vater.
Dazu kam noch Paul, der auch eine Freundin brauchte, bei der er sein Herz ausschütten konnte. Er hatte sich mir gegenüber geoutet, hatte mir aber das Versprechen abgenommen, meinem Mann oder seinen Eltern nichts über seine Neigung zu Männern zu sagen. Er war in einen neuen Mitarbeiter in der Baufirma seines Vaters verliebt, ein Architekt wie er selbst, der seine Gefühle erwiderte. Doch beide hatten Angst, dass die Kunden und vor allem die Mitarbeiter das nicht verstehen würden.
Ich dachte verzweifelt, dass mir langsam alles über den Kopf wuchs. Meine Arbeit, mein ewig durstiger Vater und mein schwuler Schwager. Ich konnte nachts nicht mehr schlafen und schlich mich aus dem gemeinsamen Schlafzimmer, um im Wintergarten vor mich hin zu dösen. Das war auf Dauer keine Lösung. Stefan konnte ich mich nicht anvertrauen, der war ohnehin schon sauer auf mich, weil ich ihn nicht mehr auf seinen Reisen begleitete. Die Sorgen zerrten an meiner Gesundheit und meinem Gewicht. Ich war regelrecht abgemagert und meine schönen langen Locken wurden stumpf. Ich gefiel mir überhaupt nicht.