Читать книгу Die blaue Stunde - Jule Heck - Страница 22

Kapitel 17

Оглавление

Ich war stinkwütend auf Stefan. Wie konnte er den Moralapostel spielen, während er selbst fremdging? Jetzt konnte ich nicht mehr an mich halten und erzählte meiner Schwiegermutter von Stefans Verhältnis. Ihre Antwort warf mich fast um.

„Das wundert mich gar nicht. Er hat dich schon während deiner Schwangerschaften betrogen. Ich habe es jedes Mal herausgefunden und ihn aufgefordert, das Verhältnis sofort zu beenden.“

Es stellte sich heraus, dass es sich immer um die gleiche Person handelte. Susanne hieß sie. Sie hatte eine Lehre als Technische Zeichnerin in der Firma meines Schwiegervaters gemacht und arbeitete seit zehn Jahren dort. Mein Mann kannte sie schon ewig und hatte zur gleichen Zeit, als er mit mir anbändelte, ein Verhältnis mit Susanne gehabt. Wahrscheinlich hätte er sie geheiratet, wenn ich nicht schwanger geworden wäre. Er hatte mich also all die Jahre, mit einigen Unterbrechungen, betrogen. Ich konnte es kaum fassen.

Meine Schwiegermutter meinte nur, ich solle mich nicht darüber aufregen, ihr Mann hätte in den vergangenen Jahren auch mehrere Verhältnisse gehabt. Erfolgreiche Männer seien nun mal so. Darüber müsse man hinwegsehen und das Beste aus der Situation machen. Es sei doch nur wichtig, dass sie immer wieder an den heimischen Herd zurückkehren würden. Bei den Ehemännern ihrer Freundinnen sei es genauso.

„Was glaubst du, warum all die Frauen so viele Pelze und Schmuckstücke haben? Das sind alles Trostpflaster.“

„Das ist mir scheißegal. Einen Mann, der mich ständig betrügt, brauche ich nicht. Dann lass ich mich eben scheiden.“

„Das darfst du nicht. Denk doch nur an unseren guten Ruf. Der eine Sohn ist schwul, der andere ist geschieden. Wie stehen wir denn dann da vor unseren Freunden und Kunden?“

„Das ist mir doch egal. Aber ich werde mit Stefan reden und was deinen schwulen Sohn betrifft, rate ich euch, mit ihm zu sprechen und ihn nicht zu verbannen. Er ist euer Sohn und er hat das gleiche Recht wie Stefan, geliebt und respektiert zu werden. Steht zu ihm und akzeptiert seinen Freund. Wenn ihr zu ihm haltet, nehmt ihr allen anderen den Wind aus den Segeln. Kein Mensch wird sich darüber aufregen. So erstickt ihr die Angriffe im Keim.“

Meine Schwiegermutter hatte schließlich ein Einsehen. Er war ja schließlich ihr eigenes Fleisch und Blut. Als sie endlich akzeptierte, dass es sich bei Homosexualität um keine Krankheit oder gar einen Gendefekt handelt, sondern nur um eine Laune der Natur, wuchs ihre Bereitschaft, ihren Sohn so anzunehmen wie er war.

Doch bei meinem Schwiegervater stieß ich auf taube Ohren. Er wollte von dem Ganzen nichts wissen, war drauf und dran, Paul und seinen Freund Thomas aus der Firma zu schmeißen.

„Ich muss doch die Familie schützen“, verteidigte er sich. Immerhin hatte er nicht gesagt, dass er seinen guten Ruf schützen müsse.

Aber die beiden waren verschwunden. Kein Mensch wusste, wo sie abgeblieben waren. Sie antworteten nicht auf meine Telefonanrufe, noch auf das, was ich ihnen auf den Anrufbeantworter sprach. Ich hatte Pauls Wohnungsschlüssel, da ich während seines Urlaubs immer die Post holte und die Blumen goss. Er besaß ein geschmackvoll eingerichtetes Appartement mit Blick auf den Chiemsee und wunderschöne Pflanzen. Auch hier war kein Lebenszeichen von ihm. Der Kühlschrank war noch gefüllt, der Kleiderschrank voll. Nichts fehlte oder wies darauf hin, dass er verreist war.

Ich fuhr zu Thomas Eltern, die auf der anderen Seite des Sees, in Seebruck wohnten. Auch Thomas war seit jener Nacht wie vom Erdboden verschwunden. Sie wussten von seiner Homosexualität und kannten Paul. Thomas war ihr einziger Sohn und man spürte deutlich, dass sie ihn liebten und stolz auf ihn waren. Im Gegensatz zu meinem Schwiegervater akzeptierten seine Eltern ihn wie er war. Aber sie konnten sich auch nicht erklären, wo Thomas und Paul sein konnten und hofften ebenso wie ich, dass nichts Schlimmes passiert ist. Sie baten mich, mit ihnen in Verbindung zu bleiben. Ich versprach, mich sofort zu melden, sobald ich etwas in Erfahrung bringen würde.

Ich machte Stefan schwere Vorwürfe dafür, dass er seinem Vater so unvorbereitet und noch dazu zu nächtlicher Stunde von Pauls Neigung erzählt hatte.

„Was wolltest du damit bezwecken? Dass dein Vater deinen Bruder enterbt? Dass du die Firma alleine übernehmen kannst?“ Ich traktierte ihn mit Fragen und Vorwürfen.

Stefan wurde immer kleiner und gab schließlich zu, nicht gewusst zu haben, was er damit anrichten würde. Er entschuldigte sich bei mir und erklärte es damit, dass es an seiner Erziehung läge.

„Bei mir musst du dich nicht entschuldigen, nicht dafür jedenfalls, sondern bei Paul und Thomas, vorausgesetzt, sie tauchen wieder auf.“

„Und für was soll ich mich denn sonst entschuldigen?“, fragte er ganz unschuldig. Jetzt war es an der Zeit, über sein Verhältnis zu sprechen. Zunächst leugnete er es. Doch als ich ihm von meinen Beobachtungen erzählte und davon, dass seine Mutter darüber Bescheid wusste, gab er es zu.

„Es tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.“ Für diese klägliche Entschuldigung lachte ich ihn aus.

„Ich will die Scheidung“, sagte ich kalt.

Ich hatte damit gerechnet, dass er meinem Ansinnen zustimmen würde. Aber er denke nicht daran, sich scheiden zu lassen, sagte er zu mir. Ich sei seine Frau und gehöre zu ihm. Er bestehe darauf, dass ich meine ehelichen Pflichten erfülle und seine Kinder großziehe. Ich glaubte, mich verhört zu haben. Der hatte sie ja wohl nicht alle. Was hieß denn hier eheliche Pflichten? Ich hatte sie ihm bestimmt nicht verweigert, er war doch derjenige, der sie in den letzten Monaten vernachlässigt hatte, aus welchem Grund auch immer.

Wir stritten uns tagelang. Die Stimmung im Haus war unerträglich. Stefan wollte nicht nachgeben, aber ich auch nicht. Ich schlief weiterhin in meinem Büro.

Die Kinder litten unter unseren Streitigkeiten und ich bat meine Schwiegermutter, sie ein paar Tage zu sich zu nehmen. Doch Gustl war selbst so neben der Spur, dass sie sich nicht im Stande sah, die Kinder zu hüten.

Auf meine Mutter konnte ich nicht zählen. Die hatte sich noch nie lange mit den Kindern befasst. Zudem drohte sie mir, ich solle mich bloß nicht von Stefan trennen. Das wäre ein Skandal, unter dem vor allem sie zu leiden hätte, weil ihre Freunde sich von ihr abwenden würden.

Meinem Vater war es immer noch nicht gelungen, meiner Mutter den Kopf zurecht zu rücken oder ihr das Konto zu sperren. Im Gegenteil, er trank mehr denn je. Er tat mir aufrichtig leid, aber von diesem Ärger musste er sich selbst befreien.

Ich bat meinen Chef um unbezahlten Urlaub, bis ich eine Lösung gefunden hätte. Er bedauerte zwar meinen Wunsch, zeigte aber erstaunlich viel Verständnis.

Ausgerechnet jetzt war Adelgunde wieder an ihrem Studienort, wo sie sich auf ihr Examen vorbereitete. Mit ihr konnte ich mich also auch nicht austauschen. Die anderen Frauen, die ich so kannte, waren eher oberflächliche Bekanntschaften und die Nachbarn ging unseren Streit schon gar nichts an. Auch meine Geschwister waren mir keine Hilfe. Ulla war damit beschäftigt, einen Arzt an Land zu ziehen und Harald war, was Beziehungen anging, eher unerfahren.

Die blaue Stunde

Подняться наверх