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Die Martinez

Kurz vor dem Sheriffoffice überfiel Rick unbändige Lust auf Aprils Kaffee. Spontan beschloss er, bevor er die tägliche Tretmühle betrat, sich in ihrer gemütlichen Küche noch einen Kaffee zu gönnen.

Schließlich war er gezwungen, heute das Haus überstürzt zu verlassen. Das Zuhause der Falcons lag parallel der Hauptstraße, direkt hinter der Polizeistation, für gewöhnlich praktisch, manchmal aber auch ausgesprochen störend. Voller Vorfreude wollte er in die Seitenstraße, die zum Kaffee führte, einbiegen, da erblickte er Juan Martinez, der im Begriff stand, die Poststation aufzuschließen. Neben ihm wartete seine Frau Carmen mit einem Korb, der ziemlich schwer aussah. Rick dachte:

"Bestimmt enthält das Behältnis die für den Tag unerlässlichen Köstlichen. Carmen kocht exzellent."

Mit beiden Händen umklammerte diese krampfhaft den Korb. Rick war sicher, sie würde ihn vehement verteidigen, sollte jemand auf die Idee kommen, ihre Kochkunst unerlaubt testen zu wollen.

Hinter den, von den täglichen Leckereien runden Ehepaar Martinez, scharrte eine Schlange von ungeduldigen Menschen mit den Füßen. Er erkannte die gelockten Häupter von Jane und Betty. Freundlich lächelnd grüßte er hinüber. Rasch wandte Jane sich ab, gab vor, ihn nicht gesehen zu haben. Ungehaltene, teils wütende Töne aus der Menge störten den morgendlichen Frieden, hielten Rick davon ab, sich zu wundern:

"Guten Morgen miteinander", grüßte er die Anwesenden, tippte lässig an die Hutkrempe. Seine Präsenz ließ die unwirschen Stimmen verstummen. Allseits ertönte ein:

"Guten Morgen".

"Na, hier ist ja schon was los, Juan".

"Das kann man laut sagen. Na ja, wir sind ein bisschen spät dran, weil Carmencita unbedingt noch die Tacos füllen wollte."

Blendend weißen Zähnen in einem braunen Gesicht strahlten den Sheriff an. Rick überlegte, ob er Juan jemals ernst erlebt hatte, fragte ihn einmal:

"Warum bist du immer so fröhlich? Ich habe dich noch nie nicht lachen gesehen."

"Ganz einfach Chefe, weil ich es in vollen Zügen genieße, dass mich die allermeisten Dinge, die um mich herum geschehen, nichts angehen."

Rick leuchtete diese Philosophie ein. Er wünschte, er könnte sie sich ebenso zu eigen machen, jedoch als Sheriff, musste er sich für alles interessieren.

Auch jetzt strahlte Juans rundes Antlitz, diesmal in Erwartung kommender Gaumenfreuden. Rick schielte zu Carmen. Er schluckte, beneidete ihn, da er wusste, wie lecker der Inhalt des Korbes sein würde.

"Ich könnte zufällig zur Mittagszeit vorbeikommen", überlegte er, laut frage er:

"Was wollen die Leute so früh. Das Versorgungsschiff mit der Post kommt doch erst mittags".

Juan breitete theatralisch die Arme aus, rollte zusätzlich temperamentvoll mit seinen dunklen Augen:

"Die kommen nicht zu mir, Chefe, sondern zu meiner Frau. Sie ist für den Verkauf der Fahrscheine zuständig, auch für die Busfahrkarten, ich für die Briefsendung und alles andere".

"Aber wieso stehen sie jetzt bereits Schlange? Der Bus kommt doch erst in fünf Tagen".

"Habe ich mich auch gefragt. Vielleicht befürchten sie, keine Fahrkarte mehr zu bekommen, weil viele weg wollen. Die Menschen sind wie gestochen, benehmen sich unmöglich, nicht nur bei mir. Sie sind gereizt, teilweise sogar aggressiv. Ist ihnen das noch nicht aufgefallen?"

In Gedanken stimmte Rick ihm zu. Er hatte es bemerkt, allerdings beiseitegeschoben, wollte es nicht zur Kenntnis nehmen, fürchtete das, was kommen würde. Er hoffte, die Vorkommnisse auf dem Friedhof wären nicht die ersten Vorboten.

Endlich schaffte Juan, die Tür, die öfter klemmte, aufzuschließen. Sofort drängelten die Leute rücksichtslos in den Verkaufsraum, setzen ohne Hemmungen sie hierbei ihre Ellenbogen ein. Carmen eilte, so rasch es ihre füllige Gestalt erlaubte, hinter den Verkaufstresen. Unweigerlich kam ihr voluminöser Busen dabei heftig in Bewegung. Sie warf den schwarzen Zopf, in dem sich einige graue Strähnen zeigten, in den Nacken. Die vollen, breiten, knallrot geschminkten Lippen lächelten. Strahlend trällerte sie:

"So, wer war denn der Erste?"

Wie erwartet schrie jeder:

"Ich, ich, ich."

Vom Ende der Schlange, drängelte Carl Snider aggressiv nach vorn. Rücksichtslos schob er die, die ihm den Weg versperrten, zur Seite. Kathrin Weaver, Sekretärin im Rathaus, kam dabei zu Fall.Sich den schmerzenden Ellenbogen reibend schimpfte sie:

"Was soll das Snider! Warum drängelst du dich vor. Stell dich dahin, wo du gestanden hast. Immer hübsch der Reihe nach, wie es sich gehört."

Mit knallrotem Kopf wandte der Getadelte sich ihr zu:

"Halt die Schnauze du Schlampe, habe keine Zeit zu warten, Schließlich muss ich gleich die Bäckerei aufmachen."

Die Leute murrten, sie wussten, Sniders Angestellte schloss stets das Geschäft auf. Rick überlegte, ob er eingreifen sollte. Als die Leute sich schließlich beruhigten, beschloss er, den Vorfall auf sich beruhen zu lassen und sich stattdessen seinem Kaffee zu nähern.

Carmen seufzte aus Sorge, der Krawall könnte wieder aufwallen. Unweigerlich geriet ihre Oberweite dadurch erneut in Wallung. Ihre schwarze Augen flehten Juan um Hilfe an. Der zuckte die Schultern, hob die Augenbrauen, neigte den Kopf zur Seite und fing an, Prospekte zu ordnen, die nicht geordnet werden mussten.

Schließlich stellte sie sich der ungeduldigen Meute, allen voran Carl Snider, der sie mit wutverzerrtem Gesicht ungehalten an funkelte.

Auf der Straße sah Rick auf die Armbanduhr:

"Verdammt. Keine Zeit mehr für Aprils Kaffee."

Verdrießlich zog er die Mundwinkel herab, bewusst, ihm blieb nichts anderes übrig, er musste mit dem Kaffee seiner Deputys vorliebnehmen. Egal, wer den auch kochte, er schmeckte stets gleich schlecht, verdiente die Bezeichnung Kaffee in keinster Weise.

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