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Mary

Mary Falcon ergriff den Korb, der stets einsatzbereit seinen Platz neben der Eingangstür hatte. Ihr Nachnahme Falcon, Chayton in der Sprache ihres Volkes, bedeutete Falke. Mary gehört zum Stamm der Abnakis, die wiederum zum Volk der Algonkin gehörten. Die Wigwams der Abnakis standen einst oben auf dem Hügel, dort, wo jetzt das Hotel stand.

Die Indianer fertigten ihre Zelte aus jungen Bäumen der Birke und ihren Ästen. Die Wände ihrer Tipis bedeckten sie mit Matten aus Birkenrinde. Die Kanus, mit denen sie auf Fischfang gingen, bestanden ebenfalls aus Birkenrinde, dem vielseitigen Material. Weil die Abnakis das Holz des Birkenbaumes vielfältig nutzten, bezeichneten ihre Feinde sie abfällig als "Adirondacks", was soviel heißt wie: "Sie essen Bäume". Allerdings ist das längst Geschichte. Mary wusste das alles nur noch aus den Erzählungen des Großvaters. Ein großer Teil der Ureinwohner kam bei einer Grippeepidemie ums Leben. Manche zogen weiter nach Norden, andere blieben, so wie Mary und ihre Vorfahren, die eine Farm bewirtschafteten. Heute steht da, wo einst die Wigwams standen, das Hotel. Von dem Indianerdorf ist nichts geblieben, außer den Jahrzehnte alten Totempfählen. Warum sie noch standen, nicht längst verwittert waren, wusste niemand zu erklären.

Beim Abschließen der Tür wanderte Marys Blick hinauf zum Türrahmen, blieb am Pentagramm, das dem Schutz des Hauses und der Bewohner diente, hängen. Erschrocken stellte sie fest, dass es ziemlich verblasst aussah. Sie musste es umgehend auffrischen, gleich wenn sie zurück war!

Doch erst musste sie in den Wald, Kräuter sammeln, das war dringlicher. Manche Pflanzen sollten in den frühen Morgenstunden gepflückt werden, nur dann, würden sie ihre Wirkung entfalten. An der Gartenpforte überlegte sie kurz, ging zurück ins Haus, um einen zweiten Korb zu holen. Mit energiegeladenen Schritten strebte sie zur Hauptstraße des Ortes, die zum Wald führte. Bereits von Weitem erkannte sie die unverkennbare Gestalt von George Wainwright.

"Guten Morgen, Bürgermeister", begrüßte sie den stattlichen Mann: "Auch schon so zeitig auf den Beinen."

Der zeigte schwenkend eine weiße Papiertüte.

"Morgen meine Liebe, Donuts für die Familie. Das Frühstück ist fast die einzige Zeit, die wir gemeinsam verbringen. Da will ich sie verwöhnen!"

Die mittelgroße Mary legte den Kopf in den Nacken, um zu Georg Wainwright aufzusehen:

"Recht haben Sie! Aber bald wird es überall entspannter. Dann haben sie sicher mehr Zeit für ihre Lieben."

"Ja Mary, es dauert nicht mehr lange und sie verlassen wieder haufenweise den Ort. Am liebsten würde ich auch irgendwohin, wo es warm ist und so."

"Ach geht ihre Familie dieses Jahr ebenfalls auf Reisen?"

"Leider schaffte ich es noch nicht sie zu überreden. Ohne mich wollen sie nicht weg. Da kann ich mir den Mund fusselig reden."

Mary nickte verständnisvoll:

"Das kenne ich. Mein Enkelsohn und seine Frau drängeln auch ständig. Sagen, dass es für mich besser wäre, jetzt wegzufahren, in warme Gefilde und so."

Nun stimmte George Wainwright verstehend zu:

"Jaja, ist alles nicht so einfach. Als Bürgermeister muss ich die Stellung halten, kann nicht so fortfahren. Aber meine Familie..."

Den letzten Satz ließ er unvollendet.

Mary schaute zum Himmel, musterte die Sonne:

"Nun muss ich mich aber sputen, sonst wird es zu spät für die Kräuter... Sie verstehen?"

"Man sieht sich!"

Grüßend, noch immer leicht abwesend, hob der Bürgermeister zum Abschied die Hand.

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