Читать книгу Obscuritas - Jutta Pietryga - Страница 23
ОглавлениеApril
Gedankenversunken rührte April in der Spaghettisoße, die wild gelockten blonden Haare zum Pferdeschwanz gebändigt, damit keines davon in die Soße fiel.
Heute fühlte sie sich total erledigt. Es war ein anstrengender Tag, die Schüler wie gestochen, ständig galt es irgendwelche Streitereien zu schlichten. Zweimal kam es sogar zu Prügeleien. In Gedanken daran schüttelte sie ihren Kopf. So kannte sie die Kinder gar nicht: "Vielleicht war der Vollmond von gestern Nacht schuld." überlegte sie: "Wahrscheinlich sind auch Normans Träume auf ihn zurückzuführen. Bei Vollmond passieren ja die seltsamsten Dinge." In Erinnerung an diesen Abend seufzte sie. Immer noch fühlte sie das verängstigtes Zittern ihres Kindes. Ihre Gedanken wanderten weiter, drehten sich jetzt um ihren neuen Kollegen Steve Harrison. Der Mann irritierte sie. Sie überlegte, was es war, das sie störte. Der Lehrer sah gut aus, schlank, durchtrainiert mit modisch kurz geschnittenen, dunkelblonden Haaren. Er war stets höflich und zuvorkommend, allerdings sehr zurückhaltend. Vorsichtig, beinahe ängstlich, kam er ihr manchmal vor. Lag es daran, weil sie die Frau des Sheriffs war? Sie wusste so gut wie nichts über ihn. Gerüchten zufolge schien er beim weiblichen Geschlecht gut anzukommen. Diese geheimnisvolle Aura, die ihn umgab, seine melancholischen, babyblauen Augen machten ihn interessant. Die Schülerinnen bildeten da keine Ausnahme, himmelten ihn geradezu an. Mary McCarthy und Linda Blair, die beiden Busenfreundinnen, stachen besonders hervor. Fast peinlich, wie die Mädchen ihre Schwärmerei zur Schau trugen.
Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie war dermaßen in Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, dass jemand hinter ihr stand. Jählings drehte sie sich um. Beinahe hätte sie den Topf vom Herd gerissen. Aber da war niemand. April schüttelte lächeln den Kopf:
"Das kommt davon, wenn man zu viel über andere nachdenkt, da sieht man schon Gespenster."
Sie widmete ihre Aufmerksamkeit erneut der Spaghettisoße, schmeckte ab. Prüfend schnalzte sie mit der Zunge. Dann nahm sie den Topf mit Basilikum von der Fensterbank und zupfte ein paar Blätter ab. Im Begriff diese kleinzuschneiden, hielt sie inne. Lauschte! Etwas störte sie! Da war es wieder, dieses eigenartige Gefühl im Rücken. Irgendjemand belauerte sie, das fühlte sie genau. Ein Schauer kroch ihr über den Nacken, wie eine Raupe, die sich zu ihrem Kopf vortastete. Aufs Neue verspürte sie den unwiderstehlichen Zwang, sich umzudrehen, zu sehen, wer sie beobachtete. Zaghaft, da sie sich lächerlich vorkam, wandte sie sich um. Natürlich war auch diesmal niemand da:
"Bestimmt sind es die Kinder, die mich beobachten, mich necken wollen!"
Lächelnd schaute sie aus dem Küchenfenster. Im Garten tobten Norman und Linny mit ihrem Hund Rusty. Erneut krochen eisige Schauer über ihre Haut, die winzigen Härchen auf den Unterarmen richteten sich auf. Ein sonderbarer Geruch, ähnlich Verbranntem fiel ihr auf. Rasch zog die den Topf vom Herd. Fröstelnd zog April die Schultern empor:
"Es ist ganz schön frisch", stellte sie fest, ging hinaus, um den Kindern ihre Jacken zu bringen. Entgeistert sahen diese ihre Mutter an:
"Mama, es ist voll warm, warum müssen wir die anziehen?"
"Nein, es ist schon ziemlich kühl."
Verwundert schauten die Beiden einander an, zuckten die Schultern und beugten sich der höheren Gewalt.
"Macht euch bitte nicht schmutzig, Granny kommt zum Essen, da sollt ihr vernünftig aussehen."
"Ja, ja", tönte es zurück.
April verschluckte, was sie sagen wollte:
"Ich bin heute einfach zu empfindlich."