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aa) Normen föderaler Kompetenzverteilung

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Ursprünglich wurde der Gerichtshof mit der Beilegung der Kompetenzkonflikte zwischen der Föderalbehörde (Bund) und den verschiedenen Gebietskörperschaften beauftragt. Die Aufteilung dieser Kompetenzen erfolgt auf der Grundlage von Regeln, die durch die Verfassung oder aufgrund der Verfassung geschaffen wurden.

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Die Normen föderaler Kompetenzverteilung übertragen Zuständigkeiten auf die Gebietskörperschaften oder behalten diese der Föderalbehörde vor.[124] Wie dies Patricia Popelier anmerkt, kann es sich dabei sowohl um materielle Zuständigkeiten als auch um ergänzende Zuständigkeiten handeln, wobei letztere den Körperschaften zuerkannt werden, um diese in die Lage zu versetzen, ihre materiellen Zuständigkeiten vollumfänglich auszuüben.[125] Zudem verfügt die Föderalbehörde wegen des zentrifugalen Charakters des belgischen Föderalismus[126] über eine Restzuständigkeit.[127]

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Die Normen föderaler Kompetenzverteilung haben nicht unbedingt Verfassungsrang; sie können auch einfachgesetzlichen Rang oder sogar Verordnungscharakter haben.[128] Es kann also vorkommen, dass der Gerichtshof ein ordentliches Gesetz der Kontrolle am Maßstab eines Königlichen Erlasses unterzieht, insofern der Erlass eine Bestimmung hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung enthält.[129]

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Was die kompetenzbezogenen Regeln mit Verfassungsrang betrifft, gestaltet es sich schwierig, diese innerhalb der Gesamtheit der Verfassungsbestimmungen genau zu identifizieren. Es scheint jedoch allgemein anerkannt, dass folgende Artikel der Verfassung Regelungen über die föderaler Kompetenzverteilung enthalten: Art. 4, 8, 9, 24, 74, 84, 89, 127–130, 133, 145, 146, 175, 176, 177, 178, 195 und 198.[130]

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Die meisten Normen der föderalen Zuständigkeitsverteilung sind hingegen in Sondergesetzen und ordentlichen Gesetzen enthalten, die im Rahmen der institutionellen Reformen des Föderalisierungsprozesses erlassen wurden oder sonst kompetenzzuweisenden Charakter haben.[131] Anzumerken ist jedoch, dass die Sondergesetze nicht in ihrer Gesamtheit als Kompetenznormen angesehen werden. So ist ein Artikel, der die Arbeitsweise der Parlamente der Gemeinschaften und Regionen regelt, nicht Prüfungsmaßstab des Gerichtshofes.[132]

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Die Zuständigkeit des Gerichtshofes hängt nicht davon ab, dass ein Konflikt zwischen zwei Normen verschiedener Gesetzgeber besteht. Er kann auch über lediglich potentielle Konflikte entscheiden, sich also dazu äußern, ob ein Gesetz oder ein Dekret im Widerspruch zu Normen föderaler Kompetenzverteilung steht, ohne dass ein anderer Rechtsetzer notwendigerweise ein Gesetz oder ein Dekret mit widersprechendem Inhalt hätte verabschieden müssen.[133]

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Der Verfassungsgerichtshof greift aber erst ein, nachdem ein Hoheitsträger eine Norm verabschiedet hat, die möglicherweise die Zuständigkeitsverteilung missachtet. Er wird nicht vorbeugend tätig, um einen Kompetenz- oder Interessenkonflikt zwischen den verschiedenen Hoheitsträgern zu vermeiden, aus denen sich der Föderalstaat zusammensetzt.[134]

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Vorbehaltlich dessen, was bereits weiter oben angemerkt wurde, ist der Gerichtshof auch nicht für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf Zusammenarbeitsabkommen zuständig.[135]

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Hervorzuheben ist zudem, dass der Gerichtshof bei seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Aufteilung der Zuständigkeiten eine bestimmte Prüfungsreihenfolge beachtet. Er führt zuerst eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit in Bezug auf die materielle Kompetenz durch und anschließend hinsichtlich der territorialen Aufteilung der Kompetenzen. Stellt er bereits eine Überschreitung der materiellen Kompetenz fest, dann nimmt er keine Prüfung der territorialen Zuständigkeit mehr vor.[136]

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