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a) Stimmrechte von Tochterunternehmen
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§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG begründet die Zurechnung von Stimmrechten eines Tochterunternehmens. Eine Legaldefinition des Begriffs des Tochterunternehmens findet sich in § 35 WpHG. Tochterunternehmen sind hiernach Unternehmen, die als Tochterunternehmen i.S.v. § 290 HGB gelten oder auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann. Auf die Rechtsform oder den Sitz kommt es nicht an, sodass als Tochterunternehmen auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Betracht kommt, die nur Aktien hält oder nur als Zwischenholding Einfluss vermittelt.[47] Personenhandelsgesellschaften sind damit erst recht erfasst. Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.v. § 2 Abs. 10 WpHG, die die Finanzportfolioverwaltung (§ 2 Abs. 8 S. 1 Nr. 7 WpHG) betreiben, gelten allerdings unter den in § 35 Abs. 2 WpHG bestimmten Voraussetzungen nicht als Tochterunternehmen, sodass die von ihnen gehaltenen Stimmrechte nicht nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG zugerechnet werden.
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Tochterunternehmen i.S.v. § 290 HGB sind Unternehmen, auf welche das Mutterunternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Von einem beherrschenden Einfluss ist in den Fällen des § 290 Abs. 2 HGB stets auszugehen, so dass Tochterunternehmen sind:
– | Unternehmen, bei denen dem Meldepflichtigen – direkt oder indirekt – die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht,[48] |
– | Unternehmen, bei denen dem Meldepflichtigen – direkt oder indirekt – das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und er gleichzeitig Gesellschafter ist,[49] |
– | Unternehmen, bei denen dem Meldepflichtigen – direkt oder indirekt – das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik aufgrund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrags oder aufgrund einer Satzungsbestimmung auszuüben,[50] |
– | Unternehmen, die zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Meldepflichtigen dient (Zweckgesellschaft) und bei denen der Meldepflichtige bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen trägt,[51] daneben bestimmte in § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB genannte Investmentvermögen. |
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Über die in § 290 HGB enthaltenen Definitionen hinaus bestimmt § 35 Abs. 1 WpHG als Tochterunternehmen solche Unternehmen, auf die der Meldepflichtige einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Wann ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ist einheitlich mit der Definition in § 17 Abs. 1 AktG auszulegen.[52] Abstrakt gesprochen besteht die Möglichkeit einer beherrschenden Einflussnahme, wenn der Meldepflichtige aufgrund seiner Mitgliedschaft oder einer vergleichbaren Rechtsposition beständig und nicht nur punktuell in der Lage ist, auf die Geschäftsführung der Gesellschaft in der Weise Einfluss zu nehmen, dass diese zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen veranlasst wird.[53] Wie bei § 290 Abs. 3 HGB genügt eine mittelbare Ausübung des beherrschenden Einflusses.[54] Ein rein faktisches Abhängigkeitsverhältnis ohne mitgliedschaftliche Grundlage ist indes nicht erfasst.[55] Umgekehrt genügt die Möglichkeit der Einflussnahme, etwa aufgrund von Identität der Organmitglieder. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass auch tatsächlich Einfluss genommen wird. Aus diesem Grunde lassen auch Entherrschungsverträge nach h.M. die Abhängigkeit nicht entfallen, da der Ausschluss der Stimmrechtsausübung durch Vertrag nicht die Ausübung des Stimmrechts hindert.[56]
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Bei Personenhandelsgesellschaften erfolgt u.U. eine Zurechnung von Stimmrechten über § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 35 Abs. 1 WpHG auf Gesellschafterebene. Keine Zurechnung erfolgt bei der offenen Handelsgesellschaft, die nach dem gesetzlichen Normalstatut der §§ 105 ff. HGB organisiert ist. Im Einzelfall können jedoch besondere Gesellschaftsvertragsgestaltungen zu einer Zurechnung führen, etwa wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt, dass nur einem einzelnen Gesellschafter die umfassende Geschäftsführungsbefugnis zusteht.[57] Bei der nach dem gesetzlichen Normalstatut der §§ 161 ff. HGB organisierten Kommanditgesellschaft ist der Komplementär umfassendes und ausschließliches Leitungsorgan. Daher werden ihm die Stimmen der Kommanditgesellschaft in entsprechender Anwendung von § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 WpHG zugerechnet.[58] In der nach dem gesetzlichen Normalstatut organisierten GmbH & Co. KG erfolgt gleichermaßen eine generelle Zurechnung der von der Kommanditgesellschaft gehaltenen Stimmrechte auf die Komplementär-GmbH.[59] Bei abweichenden Formen ist die Stellung der Komplementär-GmbH als Muttergesellschaft und damit auch die Frage der Stimmrechtszurechnung von den jeweiligen Regelungen des Gesellschaftsvertrages abhängig. Es empfiehlt sich hier eine Abstimmung mit der BaFin.[60]
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In der Praxis bereitet häufig die Behandlung mehrstufiger Konzerne Schwierigkeiten, insbesondere wenn die Beteiligungs- und Konzernstrukturen verschachtelt sind. § 34 Abs. 1 S. 3 WpHG rechnet Stimmrechte, die einem Tochterunternehmen gehören, dem Meldepflichtigen in voller Höhe zu. Hat der Meldepflichtige mehrere Tochterunternehmen, so werden ihm die Stimmrechte aller Tochterunternehmen zugerechnet. Gleiches gilt gem. § 34 Abs. 1 S. 2 WpHG für Stimmrechte, die den Tochterunternehmen nicht selbst gehören, sondern ihnen wiederum von Dritten nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2–8 WpHG zugerechnet werden. Die von Enkelunternehmen gehaltenen Stimmrechte werden dem Meldepflichtigen allerdings nicht im Wege der Kettenrechnung zugerechnet, sondern direkt über § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG, da es sich bei Enkelgesellschaften um (mittelbare) Tochterunternehmen i.S.v. § 35 Abs. 1 WpHG handelt.[61] Die Stimmrechte, die einem Tochterunternehmen gehören oder ihm zuzurechnen sind, werden nicht quotal in Abhängigkeit von der Höhe der Beteiligungsquote des Meldepflichtigen berücksichtigt, sondern in voller Höhe zugerechnet, da der Einfluss des Meldepflichtigen sich nicht auf seine Beteiligungsquote beschränkt.[62] Im mehrstufigen Konzern ist immer darauf zu achten, dass auch ein nachgeordnetes Unternehmen seinerseits meldepflichtig sein kann, und zwar aufgrund der Aktien, die es selbst hält, sowie derjenigen, die ihm seinerseits nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 WpHG von seinen Tochter- und Enkelgesellschaften zugerechnet werden. Hier hat auch für das betroffene Tochterunternehmen eine Stimmrechtsmitteilung zu erfolgen. Um die Meldungen für sämtliche Tochtergesellschaften zu erfassen, bietet es sich im Zusammenhang mit Mutter-Tochter-Verhältnissen i.S.v. § 35 Abs. 1 an, eine Konzernmeldung abzugeben.[63]