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b) Halten für Rechnung des Meldepflichtigen
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Zugerechnet werden einem Meldepflichtigen gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG auch Stimmrechte aus Aktien, die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden. Maßgeblich ist hier – abgesehen von den Fällen der Kettenzurechnung –, dass der Dritte Aktieninhaber ist.[64] Nach den Grundsätzen der doppelten Mitteilungspflicht unterliegt der Dritte daher in aller Regel gem. § 33 Abs. 1 WpHG einer eigenen Mitteilungspflicht.[65]
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Das Gesetz enthält keine Legaldefinition, was das Halten von Aktien „für Rechnung“ eines anderen bedeutet. Inhaltlich geht es um das Auseinanderfallen von rechtlicher und wirtschaftlicher Zuordnung. Die Aktien werden demnach für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten, wenn der Meldepflichtige im (Innen-)Verhältnis zum Dritten die wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt.[66] Für entscheidend hält die BaFin die Risikotragung bezüglich der Veränderung des Börsenpreises und des Rechts auf die Dividende sowie Bezugsrechte und etwaige Ausgleichs- und Abfindungszahlungen.[67] Unerheblich ist, ob zwischen dem Meldepflichtigen und dem Dritten ein gesetzliches oder ein rechtsgeschäftliches Rechtsverhältnis besteht.[68]
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Wichtigster Anwendungsfall von § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpHG ist die Treuhand.[69] Gemeint ist die typische Vollrechtstreuhand, bei der der Dritte als Treuhänder das Eigentum an den Aktien im Außenverhältnis hält und im Innenverhältnis verpflichtet ist, das Stimmrecht im Interesse des Treugebers auszuüben. Auch wenn der Treuhand regelmäßig ein Auftrag oder ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde liegt, ist dies keine zwingende Voraussetzung für die Zurechnung.[70] Nicht ausreichend ist allerdings der bloße tatsächliche Einfluss des Meldepflichtigen auf den Aktieninhaber, wenn er nicht darauf beruht, dass der Meldepflichtige das wirtschaftliche Risiko trägt.[71] Bei der Beendigung von Treuhandverhältnissen und dem damit verbundenen Wegfall der Stimmrechtszurechnung ist anhand der vertraglichen Vereinbarung zu prüfen, ob das Aktieneigentum automatisch an den Treugeber zurückfällt oder durch den Treuhänder gesondert an den Treugeber (zurück) zu übertragen ist. Im Fall der automatischen Rückübertragung entsteht eine Mitteilungspflicht im Falle relevanter Schwellenberührungen nur auf Seiten des Treuhänders, da er das Aktieneigentum verliert, während sich der Stimmrechtsanteil des Treugebers nicht verändert. Die Veränderung in der Zurechnung (Eigentum statt treugeberische Zurechnung) löst keine gesonderte Mitteilungspflicht aus. Im Falle der schuldrechtlichen Verpflichtung des Treuhänders zur dinglichen Übertragung der Aktien ergibt sich hingegen bei einer zeitlichen Verzögerung eine Mitteilungspflicht auch des Treugebers, da sich sein Stimmrechtsanteil durch die Aufhebung des Treuhandverhältnisses zunächst reduziert und erst mit der nachfolgenden Aktienübertragung wieder erhöht.[72]
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Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall ist die Wertpapierleihe. Entgegen ihrer Bezeichnung ist sie rechtlich als Sachdarlehen i.S.v. § 607 BGB einzuordnen. Der Darlehensgeber verpflichtet sich, dem Darlehensnehmer Eigentum an den vertragsgegenständlichen Aktien zu verschaffen. Der Darlehensnehmer verpflichtet sich seinerseits, die Aktien abzunehmen, das vereinbarte Entgelt zu zahlen und zum Ende der Laufzeit des Darlehens nicht dieselben Aktien, sondern Aktien gleicher Art, Menge und Güte zurück zu liefern.[73]
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Hinsichtlich der Art der Wertpapierleihe, entgegen früherer Verwaltungspraxis aber nicht mehr hinsichtlich der Mitteilungspflichten, wird zwischen der einfachen Wertpapierleihe und der sog. Ketten-Wertpapierleihe unterschieden. Bei der einfachen Wertpapierleihe ist eine Weiterveräußerung der Aktien durch den Darlehensnehmer weder beabsichtigt noch erlaubt. Zivilrechtlich geht das Eigentum an den Aktien auf den Darlehensnehmer über. Wirtschaftlich ist das Eigentum weiterhin dem Darlehensgeber zuzuordnen, der i.d.R. die Chancen und Risiken trägt. Häufiger kommt in der Praxis die sog. Ketten-Wertpapierleihe vor, in deren Rahmen die verliehenen Aktien vom Darlehensnehmer weiterveräußert werden (dürfen). Diese Art der Leihe ist regelmäßig zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen in Folge von Leerverkäufen sowie bei der Einräumung von Mehrzuteilungsoptionen (Greenshoe) bei Börsengängen anzutreffen.
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Eine Zurechnung der Stimmrechte auf den Darlehensgeber erfolgt in beiden Fällen nur dann, wenn der Darlehensgeber nach der vertraglichen Regelung weiterhin Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen kann.[74] In diesem Fall hält der Darlehensnehmer die Wertpapiere „für Rechnung“ des Darlehensgeber i.S.v. § 34 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.[75] In diesen Fallkonstellationen stellt die BaFin darauf ab, ob der Darlehensnehmer im Einzelfall die Aktien noch hält und ob sich aus den vertraglichen Bedingungen des Wertpapierdarlehens eine Möglichkeit zur Einflussnahme für den Darlehensgeber auf die Stimmrechtsausübung ergibt. Das ist nur der Fall, wenn die Parteien entweder ausdrücklich oder konkludent ein Weisungsrecht in Bezug auf die Stimmrechtsausübung vereinbart haben oder das Wertpapierdarlehen tatsächlich für den Darlehensgeber eine Zurechnung gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2 WpHG begründet.[76] Ein bloßer Wechsel auf Ebene des Darlehensgebers vom unmittelbaren (Aktionär) zum mittelbaren (Darlehensgeber) Halten und umkehrt löst keine Mitteilungspflicht für den Darlehensgeber aus. Endet hingegen die Möglichkeit zur Einflussnahme seitens des Darlehensgebers – sei es aufgrund der Ausgestaltung der Leihe mit darlehensweiser Hingabe der Aktien, sei es aufgrund Weiterveräußerung der Aktien im Rahmen der Ketten-Wertpapierleihe – ist bei Schwellenberührung bzw. -unterschreitung eine entsprechende Mitteilung erforderlich.[77] Gleiches gilt bei Schwellenberührung oder -überschreitung im Falle der Rückgewähr der – nicht zugerechneten – Aktien. Der Darlehensnehmer seinerseits hat etwaige Schwellenberührungen nach § 33 Abs. 1 WpHG als Aktionär wegen des Eigentumserwerbs – und im Falle der Darlehensrückgewährung wegen des damit verbundenen Verlusts des Eigentums – mitzuteilen.[78]
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In Betracht kommt außerdem aufgrund des schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs des Darlehensgebers in der Regel eine Meldepflicht aus § 38 WpHG (Erwerb von Instrumenten).[79] In Konzernsachverhalten ließ die BaFin entgegen der grundsätzlichen Kumulierungspflicht aus § 39 WpHG bislang die Annahme nur eines Rückübertragungsanspruchs zu, wenn innerhalb eines Konzerns ein Wertpapierdarlehen zwischen den verschiedenen Konzernunternehmen nur weitergereicht wird und dabei die so zwischen den betroffenen Konzernunternehmen entstandenen, einzelnen Wertpapierdarlehensgeschäfte faktisch als ein einziges Wertpapierdarlehensgeschäft des Konzerns anzusehen sind. Diese Annahme dürfte auch heute noch gelten, setzt aber voraus, dass die einzelnen Wertpapierdarlehensgeschäfte voneinander in ihrem Bestand abhängen. Dazu muss nach den Vereinbarungen oder dem gemeinsamen Verständnis der Parteien sichergestellt sein, dass die Rückübertragung der Aktien vom „Endentleiher“ oder die Rückforderung der Aktien eines Verleihers die Fälligkeit der übrigen Rückübertragungsansprüche auslöst und bewirkt, dass die Kette der Wertpapierdarlehensgeschäfte im Ganzen und innerhalb eines Tages rückabgewickelt wird. Die Wertpapierdarlehen müssen also im Wesentlichen denselben Inhalt aufweisen. Weitere Voraussetzung ist dabei, dass die Beteiligten die Wertpapierdarlehenskette von anderen (Wertpapierdarlehens-)Geschäften mit dem gleichen Basiswert unterscheiden können und vor allem eine Verrechnung (Netting) von gegenseitigen Ansprüchen hieraus nicht stattfindet.[80]
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Für die sog. Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) im Rahmen von Börsengängen werden in der Praxis ebenfalls Wertpapierleihverträge abgeschlossen, für welche die vorstehenden Ausführungen grundsätzlich entsprechend gelten.[81]Emissionsunternehmen oder Emissionskonsortien sind jedoch unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 WpHG von den Meldepflichten im Rahmen von Mehrzuteilungsoptionen befreit (vgl. dazu Rn. 155). Je nach Ausgestaltung der Wertpapierleihe wird der Wegfall der Zurechnung in diesen Fällen in der Regel im Zeitpunkt der Platzierung eintreten. Ein Ende der Zurechnung ist aber auch zu einem früheren Zeitpunkt möglich, wenn nämlich die Altaktionäre den Konsortialbanken mittels der Wertpapierleihe Aktien zur Verfügung stellen, welche die Konsortialbanken zur Erfüllung der Zeichnungsaufträge schon vor der Eintragung der Kapitalerhöhung einsetzen.[82]
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In allen Fällen der Wertpapierleihe hat der jeweilige Darlehensnehmer den jeweiligen Darlehensgeber über die Weiterveräußerung der entliehenen Wertpapiere – bzw. im Falle der Mehrzuteilungsoption über den Einsatz zur Erfüllung der Zeichnungsaufträge – zu informieren, damit dieser seinen gegebenenfalls eintretenden Mitteilungspflichten wegen Veränderung der Stimmrechtsanteile nachkommen kann.[83]