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aa) Verhaltensabstimmung
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Voraussetzung der Zurechnung nach § 34 Abs. 2 WpHG ist eine Verhaltensabstimmung. Dies setzt einen kommunikativen Vorgang zwischen mindestens zwei Personen voraus, der in einer Vereinbarung oder einer Verhaltensabstimmung in sonstiger Weise münden muss.[125] Eine Verhaltensabstimmung ist nicht möglich mit einer Person, der Aktien weder gehören noch nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–8 WpHG zugerechnet werden.[126] § 34 Abs. 2 WpHG bestimmt jedoch ausdrücklich, dass die Verhaltensabstimmung eines Tochterunternehmens dem Meldepflichtigen zugerechnet wird. Damit kann die Verhaltensabstimmung auf Seiten des Meldepflichtigen durch ihn oder durch ein Tochterunternehmen erfolgen, nicht aber durch sonstige Dritte, deren Stimmrechte dem Meldepflichtigen zugerechnet werden. Auf Seiten des Dritten kann eine Person handeln, die entweder selbst Stimmrechte hält oder der Stimmrechte gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–8 WpHG zugerechnet werden.[127] Nicht entscheidend ist aber, dass der Meldepflichtige selbst mit Stimmrechten verbundene Aktien hält oder ihm Stimmrechte aufgrund anderer Zurechnungstatbestände zuzurechnen sind.[128] Denn die Möglichkeit der Einflussnahme auf die unternehmerische Ausrichtung des Emittenten, den § 34 Abs. 2 WpHG erfassen will, kann abseits von eigenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen auch auf einer anderen ausreichend sicheren Koordinierungsgrundlage herbeigeführt werden.[129]
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Der Begriff der Vereinbarung umfasst jedenfalls Stimmrechts- und Pool-Verträge. In Betracht kommen aber grundsätzlich alle Vertragsformen des Zivilrechts wie z.B. Interessenwahrungsverträge und Gesellschaftsverträge.[130] Von einer Vereinbarung ist auch auszugehen, wenn die Beteiligten die Koordinierung der Ausübung ihrer Stimmrechte in einem Verein oder in einer Gesellschaft, gleich welcher Rechtsform, zusammenfassen.[131]
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Sogar die rechtlich nicht verbindliche Koordinierung (z.B. Gentlemenʼs Agreement) erfüllt den gesetzlichen Zurechnungstatbestand der Verhaltensabstimmung in sonstiger Weise.[132] Auch ein auf andere Weise abgestimmtes Verhalten führt zur Stimmrechtszurechnung. Für die in der Praxis schwierige Abgrenzung wird z.T. das Merkmal der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne des § 1 GWB herangezogen,[133] teilweise wird zumindest ideeller Druck verlangt, sich gleichförmig zu verhalten.[134] Ein solcher Druck dürfte regelmäßig angenommen werden, wenn die Absicht, wie die anderen zu stimmen, gegenseitig mitgeteilt worden ist, sodass ein abweichendes Verhalten von den Beteiligten als Ausscheren aus einer konzertierten Aktion verstanden werden muss.[135] Entscheidend ist, dass eine Verhaltensabstimmung eine Koordination mit kommunikativen Mitteln und eine gewisse Bindungswirkung voraussetzt. Die Kommunikation kann unmittelbar zwischen den Beteiligten oder unter Einschaltung eines Dritten erfolgen. Die Bindungswirkung muss wenigstens darin bestehen, dass die Beteiligten von der Umsetzung der Verhaltensabsprachen ausgehen können, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen, selbst wenn keine rechtliche Verpflichtung besteht.[136]
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Leichter dürfte die Negativabgrenzung sein. Als abgestimmtes Verhalten in sonstiger Weise, das zu einer Stimmrechtszurechnung führt, genügt nicht:
– | eine wechselseitige Information und Beratung,[137] |
– | unbewusstes gleichförmiges Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung (faktisches Parallelverhalten),[138] |
– | die bloße Verabredung zur Verhaltensabstimmung,[139] |
– | die gemeinsame Wahl eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder für eine Bestellperiode,[140] |
– | die Bildung eines Abwehrpools, dessen Ziel die Verhinderung einer Änderung der unternehmerischen Ausrichtung ist,[141] |
– | eine nahe Verwandtschaft.[142] |
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Aus einem bloßen Parallelverhalten können keine Beweisvermutungen zu Lasten des Meldepflichtigen abgeleitet werden.[143]