Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 101
2. Satz 1 – anzunehmende schuldrechtliche Vereinbarung
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Mit der Regelung wird nach Vorstellung des Gesetzgebers die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes iSd § 1 auf Geschäftsbeziehungen iSd § 1 Abs 4 S 3 festgeschrieben, dh auf wirtschaftliche Vorgänge (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) zwischen einem Unternehmen und dessen rechtlich unselbstständiger Betriebsstätte, zB
1. | für unbeschränkt Steuerpflichtige, deren ausl Betriebsstätteneinkünfte nach einem DBA freizustellen sind, oder bei denen ausl Steuern auf ausl Betriebsstätteneinkünfte anzurechnen sind, oder |
2. | für beschränkt Steuerpflichtige, deren inländische Betriebsstätteneinkünfte gemindert werden. |
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Die BsGaV führt in § 16 Abs 1 Nr 1 BsGaV dazu weiter aus, dass eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung vorliegt, wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden, die im Verhältnis zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen eine Änderung der Zuordnung von Wirtschaftsgütern, immateriellen Werten, Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnlichen Vermögenswerten, sonstigen Vermögenswerten, Geschäftsvorfällen des Unternehmens, Chancen und Risiken, Sicherungsgeschäfte, desto Rotationskapitals, der Zuordnung übriger Passivposten und von Finanzierungsaufwendungen erforderlich machen. Die Zuordnungskriterien der genannten Positionen sind in den §§ 5–11 BsGaV geregelt. Nach aktueller Auffassung des BMF[774] tritt danach eine Änderung der Zuordnung, die nach § 16 Abs 1 Nr 1 BsGaV zu einem Übergang des fiktiven Eigentums an einem Zuordnungsgegenstand führt, ein, wenn ein wirtschaftlicher Vorgang iSd § 1 Abs 4 stattfindet, der zur Folge hat, dass ein Zuordnungsgegenstand, der bisher aufgrund der ausgeübten maßgeblichen Personalfunktion einer Betriebsstätte nach §§ 5 ff BsGaV zuzuordnen war, ab einem bestimmten Zeitpunkt dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist (Zuordnungsänderung) oder umgekehrt. Alternativ dazu liegt nach § 16 Abs 1 Nr 2 BsGaV eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung vor, wenn wirtschaftliche Vorgänge festgestellt werden, die, wären die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen voneinander unabhängige Unternehmen, durch schuldrechtliche Vereinbarung geregelt würden oder zur Geltendmachung von Rechtspositionen führen würden. Hierbei stellt das BMF[775] darauf ab, ob für eine Tätigkeit, die durch die Personalfunktion einer Betriebsstätte ausgeübt wird (fiktive Dienstleistung), oder für die Überlassung eines Vermögenswertes, der einer Betriebsstätte zugeordnet ist (fiktive Nutzungsüberlassung), voneinander unabhängige Dritte eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten; ggf ist eine derartige Vereinbarung auch zwischen dem übrigen Unternehmen und der Betriebsstätte zu fingieren. Hätte ein unabhängiger Dritter eine Rechtsposition, zB ein Schadensersatzanspruch oder einen Gewährleistungsanspruch, geltend gemacht (fiktive Geltendmachung von Rechtspositionen), so ist eine derartige Geltendmachung auch zwischen dem übrigen Unternehmen und der Betriebsstätte anzunehmen.
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Typisierend liegt nach Auffassung des Verordnungsgebers[776] eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung vor allem dann vor, wenn sich Personalfunktionen im Hinblick auf Vermögenswerte verändern (Verkauf oder Nutzungsüberlassung); dazu gehören auch die wirtschaftlichen Vorgänge bei Beginn oder Beendigung der Betriebsstätte; wenn eine unterstützende Personalfunktion für eine andere Betriebsstätte (Dienstleistung) erbracht wird oder wenn eine Personalfunktion im Hinblick auf Risiken (zB Überwachung, Management) von einer Betriebsstätte ausgeübt wird, die nicht die maßgebliche Personalfunktion für die betreffenden Zuordnungsgegenstände ist. Unerlässlich ist die Feststellung eines bestimmten wirtschaftlichen Vorgangs, der es im konkreten Fall rechtfertigt, eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung anzuerkennen, was auch Auffassung der OECD[777] ist. Damit würden für Betriebsstätten keine höheren Anforderungen gestellt als für rechtlich selbstständige Unternehmen; eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen ist Ersatz für eine tatsächliche schuldrechtliche Beziehung, die – je nach Sachverhalt – entspr der Funktionsanalyse vorliegen würde, wenn die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen rechtlich selbstständige Unternehmen wären.[778] Der Verordnungsgeber[779] führt vier Beispiele an:
1. | Eine Betriebsstätte übt unterstützende Personalfunktion für Vermögenswerte oder Risiken aus, die einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen sind, oder sie übt sonstige unterstützende Personalfunktionen aus (Dienstleistung). |
2. | Ein Vermögenswert, der einer Betriebsstätte zugeordnet ist, wird durch eine andere Betriebsstätte genutzt (Nutzungsüberlassung). |
3. | Ein Vermögenswert, der einer Betriebsstätte zugeordnet war, ist infolge einer tatsächlichen Verhinderung der Personalfunktion in einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen (Veräußerung, Übertragung). |
4. | Warenbestände des Umlaufvermögens, die einer Betriebsstätte zuzuordnen waren, werden in eine andere Betriebsstätte überführt und sind ihr wegen der Überführung zuzuordnen (Veräußerung). |
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Es sollen aber schuldrechtliche Beziehungen jeder denkbaren Art in Betracht kommen, die durch eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung ersetzt werden. Das BMF konkretisiert in seinem Entwurf zu den Verwaltungsgrundsätzen,[780] dass schuldrechtliche Beziehungen fingiert (anzunehmende schuldrechtliche Beziehung) werden, die entsprechend der Funktion und Risikoanalyse vorliegen würden, wenn die Betriebsstätte und das übrige Unternehmen rechtlich selbstständige Unternehmen wären (§ 1 Abs 4 S 1 Nr 2). Es ist die schuldrechtliche Beziehung anzunehmen, die den jeweils ausgeübten Personalfunktionen und übernommenen Risiken am besten entspricht.
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Die Vorstellung des Verordnungsgebers, es würden an Unternehmen und Betriebsstätte in Bezug auf die fingierten Beziehungen keine höheren Anforderungen gestellt als an rechtlich selbstständige Unternehmen geht mE fehl.[781] Während bei rechtlich selbstständigen Unternehmen die Beziehungen in Form von schuldrechtlichen Vereinbarungen immer Folge des Handelns sind und ohne eine Vereinbarung keine Handlung erfolgt, liegt das im Innenverhältnis eines Unternehmens zwischen rechtlich unselbstständigen Unternehmensteilen – naturgemäß – völlig anders. Für steuerliche Zwecke müssen der Betriebsstätte ausgehend von der Funktions- und Risikoanalyse die Personalfunktionen zugeordnet werden, anhand derer dann die fingierten Beziehungen festzumachen sind. Das hört sich in der Theorie recht einfach an, wird aber die Praxis vor große Herausforderungen stellen. Innerhalb eines Unternehmens zwischen den Unternehmensteilen ergibt sich dann ein höherer Aufwand aus der mehrfach und immer wieder zu stellenden Frage „was wäre wenn?“. Die jeweilige Antwort auf diese Frage kann mitunter schwierig sein und zieht eine weitere Frage nach sich, welcher Unternehmensteil ggf den Aufwand dafür verbucht. Im Vorfeld dazu setzt das alles aber schon voraus, dass die Verantwortlichen im Unternehmen überhaupt erkennen, dass das faktische, rechtlich unbeachtliche Geschehen eine fingierte Beziehung darstellt.
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§ 16 Abs 2 BsGaV ordnet den Ansatz von Verrechnungspreisen für anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen an, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Diese Verrechnungspreise führen zu fiktiven Betriebseinnahmen zu fiktiven Betriebsausgaben. Es sind alle Verrechnungspreismethoden, die auch zwischen nahestehenden Personen bzw verbundenen Unternehmen anwendbar sind, in Betracht zu ziehen.[782] Für die Bestimmung der Einkünfte der betreffenden Betriebsstätte müssen auch diese Kosten der Hilfs und neben Rechnung berücksichtigt werden (§ 3 Abs 2 S 3 BsGaV). Unter anderem dadurch wird es möglich, für die Betriebsstätte ein konsistentes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspr Ergebnis auszuweisen.[783]
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§ 16 Abs 3 BsGaV regelt die Ausnahme einer anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung. In S 1 der Norm ist der Grundsatz niedergelegt, dass die Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens durch eine Betriebsstätte im Regelfall keine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (Darlehen oder Finanzierungsdienstes) begründet. Nach Auffassung des Verordnungsgebers[784] sei dies sachgerecht, denn die Nutzung von Finanzmitteln durch die Betriebsstätte führt zu Vermögenswerten, die der Betriebsstätte nach den Regelungen der §§ 5 ff BsGaV zuzuordnen sind. Die Zuordnung der entsprechenden Passivposten erfolge nach den §§ 12 ff BsGaV, insbesondere nach § 14 BsGaV. Um Finanzmittel „isoliert“ zuzuordnen, wäre es erforderlich, dass besondere Umstände festgestellt werden, die es erlauben anzunehmen, dass die maßgeblichen Personalfunktionen im Hinblick auf die Finanzmittel selbst nunmehr von einer anderen Betriebsstätte ausgeübt werden. Eine Anerkennung solcher anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen hätte zur Folge, dass gleichzeitig auch die Zuordnung der jeweiligen Passivposten, einschließlich des Dotationskapitals, zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen wäre. Das trüge zu einer erheblichen Komplizierung der Besteuerung bei. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Effekte derartiger anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen wegen des einheitlichen, für das ganze Unternehmen geltenden Kreditratings zumindest begrenzt wären. Hinzu komme, dass wegen desselben Kreditratings von Betriebsstätte und übrigen Unternehmen auch keine innerbetrieblichen Bürgschaftsverhältnisse anerkannt werden können, da in Betriebsstättenfällen keine Trennung von Kapital und Risiko möglich sei, die zB ein externer Darlehensgeber berücksichtigen könnte.
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In § 16 Abs 3 S 2 BsGaV sind zwei Ausnahmefälle davon geregelt; bei deren Vorliegen doch eine anzunehmende schuldrechtliche Finanzierungsberatung der Besteuerung zugrundezulegen ist. Die erste Konstellation betrifft Fälle, in denen eine Betriebsstätte eine Finanzierungsfunktion iSv § 17 BsGaV ausgeübt. Eine derartige Funktion ist regelmäßig eine Dienstleistung und damit eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung. Die zweite Ausnahme ist der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte geschuldet, wenn im laufenden Wirtschaftsjahr finanzielle Mittel der Betriebsstätte entstehen, die nachweislich für bestimmte Zwecke im übrigen Unternehmen genutzt werden; dann ist nach § 16 Abs 3 S 3 BsGaV von einer fiktiven kurzfristigen Darlehensbeziehung auszugehen.
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Der Begr „Unternehmen“ iSd S 1 umfasst dabei unabhängig von der Rechtsform sowohl die gewerblichen Unternehmen als auch die selbstständig Tätigen. § 1 Abs 5 ist auch auf Vorgänge im Verhältnis zwischen einer Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft und ihren in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätten anzuwenden.[785] Die Regelung ist jedoch nicht auf Personengesellschaften anzuwenden, die eigenstehende Rechtsträger sind, aber Einkünfte nach § 21 EStG erzielten, weil eine solche Personengesellschaft nicht über eine Betriebsstätte iSd § 12 AO verfügen kann, selbst wenn die sachlichen Voraussetzungen für eine feste Geschäftseinrichtung gegeben sind.[786]
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Die Regelung in S 1 umfasst nach Auffassung des Gesetzgebers sowohl inländische Unternehmen mit ihren ausl Betriebsstätten als auch ausl Unternehmen mit ihren inländischen Betriebsstätten. Auch die grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen einer Personengesellschaft oder einer Mitunternehmerschaft iSd § 1 Abs 1 S 2 zu ihren jeweiligen Betriebsstätten in anderen Staaten werden erfasst.[787]
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Der Begr der Betriebsstätte ist der in § 12 AO geregelte, um auch in Fällen, in denen kein DBA besteht, von einer eindeutigen Begrifflichkeit ausgehen zu können.[788]