Читать книгу Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen - Katharina Becker - Страница 87
c) Konsequenzen bei Verletzung von Mitwirkungsverpflichtungen
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Die Sanktionen bei Verletzung der Mitwirkungspflichten sind in § 162 Abs 3 und 4 AO geregelt.[531] Die Mitwirkungspflichten des StPfl nach § 90 Abs 3 AO sind verletzt, wenn er Aufzeichnungen nicht vorlegt oder Aufzeichnungen vorlegt, diese aber im Wesentlichen unverwertbar sind oder Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle nicht zeitnah erstellt wurden. In diesen Fällen ordnet § 162 Abs 3 AO die widerlegbare Vermutung an, dass die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen dienen, höher sind als vom StPfl erklärt. Die FinVerw wird aufgrund der Vermutung regelmäßig eine Schätzung der Einkünfte durchführen.[532] Können die Einkünfte, die geschätzt werden sollen, nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insb nur aufgrund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des StPfl ausgeschöpft werden, § 162 Abs 3 S 2 AO. Die Möglichkeit, den für den StPfl ungünstigsten Preis innerhalb einer Preisspanne den Einkünften des StPfl zugrunde zu legen, widerspricht der Rspr des BFH[533] zur Rechtslage vor Einf des § 162 Abs 3 AO durch das StVergAbG,[534] wonach eine Korrektur auf den für den StPfl günstigsten Punkt erfolgen musste. Genau genommen ist die Regelung in § 162 Abs 3 S 2 AO überflüssig. Denn nach der Anordnung in § 162 Abs 1 AO hat die FinVerw die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei hat die FinVerw alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von Preisspannen, soweit sie einen bedeutsamen Umstand darstellen, was bei der Schätzung des „richtigen“ Verrechnungspreises als Grundlage für die Einkünfte regelmäßig der Fall ist. Durch die Verwendung „kann“ in § 162 Abs 3 S 2 AO handelt es sich auch nicht um eine zwingende Folge, dass iF des Bestehens von Preisspannen diese zu Lasten des StPfl ausgeschöpft werden müssen. Vielmehr handelt es sich um eine Ermessensentsch, die durch ein FG vollständig auf ihre Richtigkeit überprüfbar ist. In der Praxis steht jedoch zu befürchten, dass die FinVerw die Regelung in § 162 Abs 3 S 2 AO als Aufforderung versteht, in jedem Fall eine Schätzung am oberen Ende der Bandbreite von möglichen Preisen vorzunehmen.
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Die Möglichkeit, der Schätzung den höchsten möglichen Preis innerhalb einer Bandbreite zugrunde zu legen, besteht selbst dann, wenn der StPfl zwar verwertbare Aufzeichnungen vorlegt, jedoch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Einkünfte des StPfl bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die aufgrund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, wenn entspr Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden können, weil eine ausl nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs 2 AO nicht erfüllt. § 162 Abs 3 S 3 AO soll es also der FinVerw auch in anderen als denen in § 162 Abs 3 S 2 AO genannten Fällen ermöglichen, eine Schätzung auf den für den StPfl ungünstigsten Punkt eines sich ergebenden Schätzungsrahmens[535] vorzunehmen, wenn der Sachverhalt wegen Verletzung der Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten einer ausl nahe stehenden Person nicht ausreichend aufgeklärt werden kann.[536] Der Gesetzgeber[537] sah diese Regelung als notwendig an, da die Befugnisse der FinVerw nur im Inland gelten und sie daher in vielen Fällen weder rechtliche noch praktische Möglichkeiten hat, die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten (zB Vorlage von Urkunden, Erteilung von Auskünften) gegenüber der ausl nahe stehenden Person durchzusetzen. Da entspr Durchsetzungsschwierigkeiten gegenüber einem inländischen Mitwirkungspflichtigen nicht bestehen, ist die Regelung ein notwendiger Beitrag zur Gleichbehandlung, denn die Belastung des StPfl durch die entspr erhöhte Steuer hat zum Zweck, Druck auf ausl Anteilseigner bzw Eigentümer auszuüben, die Mitwirkungs- und Auskunftspflichten zu erfüllen.[538] Der Gesetzgeber[539] hält die Möglichkeit zur Schätzung auf den für den StPfl ungünstigsten Punkt eines sich ergebenden Schätzungsrahmen gem § 162 Abs 3 S 3 AO für bes wichtig in Fällen der Besteuerung von Funktionsverlagerungen, für die es notwendig ist, dass sämtliche Unterlagen, die für die Funktionsverlagerung Entscheidungserheblich waren, vorgelegt werden; insb betrifft das Unterlagen, die das beteiligte ausl Unternehmen betreffen und sich daher regelmäßig im Ausland befinden.
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Für eine Schätzung auf den für den StPfl ungünstigsten Punkt eines sich ergebenden Schätzungsrahmens ist es unerheblich, ob der Maßnahme ein außergewöhnlicher oder ein „normaler“ Geschäftsvorfall zugrunde liegt. Dieses ergibt ausdrücklich aus § 162 Abs 3 S 3 AO.
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Neben einer Strafschätzung nach § 162 Abs 3 AO sind bei einer Verletzung der Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs 3 AO die Zuschläge in § 162 Abs 4 AO zu beachten, die zusätzlich zu der Strafschätzung durch die FinVerw festzusetzen sind. Nach S 1 der Vorschrift ist ein Zuschlag iHv 5 000 EUR festzusetzen, wenn der StPfl Aufzeichnungen iSv § 90 Abs 3 AO nicht vorlegt oder solche Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind. Bei der Festsetzung des Zuschlages hat die FinVerw zu beachten, dass dieser mindestens 5 % und höchstens 10 % des Mehrbetrages aufgrund einer Strafschätzung nach § 162 Abs 3 AO ergibt, soweit sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 EUR ergibt. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen, also bei Überschreiten der Vorlagefristen von dreißig bzw sechzig Tagen gem § 3 Abs 2 GAufzV bzw § 90 Abs 3 S 8 AO, modifiziert das Gesetz in § 162 Abs 4 S 3 AO den Zuschlag. In diesen Fällen beträgt der Zuschlag 1 000 000 EUR, mindestens jedoch 100 EUR für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung. Unter Beachtung der Mindesthöhe ist bei den Strafzuschlägen der Finanzbehörde ein Ermessen in Bezug auf die konkrete Höhe des Zuschlags eingeräumt. Das Gesetz ordnet ausdrücklich an, dass die FinVerw bei ihrer Entsch über die Höhe des Zuschlags den eigentlichen Zweck der erhöhten Mitwirkungspflichten des StPfl, die aus der Verletzung der Mitwirkungspflichten gezogenen Vorteile durch den StPfl und bei Überschreitung der Vorlagefrist deren Dauer zu berücksichtigen, § 162 Abs 4 S 4 AO. Die Festsetzung eines Strafzuschlags hat zu unterbleiben, wenn die Verletzung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder den StPfl nur ein geringes Verschulden an der Verletzung der Mitwirkungspflichten trifft. Das betrifft Fälle, in denen der StPfl zB aufgrund höherer Gewalt (Brand, Flutkatastrophe, etc) oder wegen Diebstahls die Aufzeichnungen nicht vorlegen kann oder die Aufzeichnungen unverwertbar sind. Bei der Prüfung, ob den StPfl ein Verschulden trifft, ist diesem das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen gem § 162 Abs 4 S 6 AO wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Der Strafzuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Die Festsetzung des Strafzuschlages erfolgt also vor der Bekanntgabe der aufgrund der Außenprüfung geänderten Steuerbescheide und ist von diesen unabhängig.[540] Als steuerliche Nebenleistung nach § 3 Abs 4 AO ist der Strafzuschlag nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig, § 12 Nr 3 EStG und § 10 Nr 2 KStG.
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Die Vereinbarkeit der Dokumentationsvorschriften des § 90 Abs 3 AO mit dem AEUV wird von Goebel/Küntscher[541] krit beurteilt. Die Dokumentationsvorschriften des § 90 Abs 3 AO könnten auf den ersten Blick in ihrer der Niederlassungsfreiheit entgegenstehenden Wirkung durch das Argument der Wirksamkeit der staatlichen Steueraufsicht gerechtfertigt sein. Da jedoch mehrere alternative Maßnahmen existieren, die in ihrer Wirkung wohl einen vergleichbaren Zielerreichungsgrad bei deutlich geringerer Beeinträchtigung des Steuerpflichtigen aufweisen, sei von einer Verhältnismäßigkeit der Dokumentationsvorschriften nicht auszugehen. Dafür wird die Amtshilferichtlinie angeführt, die der Finanzverwaltung die Möglichkeit bietet, auf im Ausland befindliche Dokumente zugreifen zu können und damit die Überprüfung der Datenquellen für die Vereinbarung zutreffender Verrechnungspreise herangezogen werden können, ohne den Steuerpflichtigen zusätzlich zu belasten. Goebel/Küntscher[542] räumen jedoch ein, der gleiche Zielerreichungsgrad der Möglichkeit im Vergleich zur Dokumentation der Verrechnungspreise nach § 90 Abs 3 AO sei ungewiss und ein schlichter Verweis auf die Amtshilferichtlinien nicht zwingend zielführend. Eine dagegen weniger beeinträchtigende Möglichkeit staatlicher Steueraufsicht sei bei Umsetzung der von der Europäischen Kommission ausgesprochenen Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten gegeben, den Steuerpflichtigen im Vorfeld der Veranlagung die Beratung oder Vereinbarung von Verrechnungspreisen zu ermöglichen. Zudem könne ein Verweis auf die Schiedsverfahrenskonvention sowie auf bilaterale Verständigungsverfahren zielführend sein, da die Schiedsverfahrenskonvention eine zwingende Einigung der betroffenen Finanzverwaltungen vorsehe.
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Mit Urt v 10.4.2013 erkannte der BFH,[543] die Verpflichtung, bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahe stehenden Personen iSv § 1 Abs 2 Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen, ist mit der Dienstleistungsfreiheit des Art 49 EG (Art 56 AEUV) vereinbar. Zwar sieht der BFH eine Verletzung des Schutzbereichs der Dienstleistungsfreiheit; jedoch rechtfertigen zwingende Gründe des Allgemeininteresses diese. Diese sind hier in dem Erfordernis einer wirksamen Steueraufsicht gegeben.